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    Cinderella The Cat - La Gatta Cenerentola
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Cinderella The Cat - La Gatta Cenerentola
    Von Alexander Friedrich

    Steampunk ist jedenfalls im Kino ziemlich „out“. Aber warum eigentlich? Zumindest vorsichtig bediente sich Guy Ritchie einiger Elemente davon bei seinen „Sherlock Holmes“-Filmen. Doch nach den misslungenen Versuchen Hollywoods, mit Filmen wie „Wild Wild West“ und „Van Helsing“ den surrealen Mix historischer und moderner Einflüsse auch dem Mainstream-Kinogänger schmackhaft zu machen, scheint die Traumfabrik dem Steampunk nicht mehr so recht über den Weg zu trauen. In Videospielen erfreut sich der Kunststil dagegen großer Beliebtheit, wie etwa bei den erfolgreichen „Dishonered“-Games. Und eben jene Atmosphäre dieser Stealth-Action-Reihe ist auch im Animationsfilm „Cinderella The Cat - La Gatta Cenerentola“ an allen Ecken und Enden zu spüren. Auf den Filmfestspielen von Venedig erhielt das für die Regie zuständige Vierergespann Ivan Cappiello, Marino Guarnieri, Allessandro Rak und Dario Sansone in der Sektion Horizonte sogar eine Nominierung für den besten Film - und das völlig zu Recht: Der klassisch gezeichnete Animationsfilm besticht vor allem durch eine brutal-schreckliche Neuinterpretation des Märchens vom Aschenputtel, die nur wenig mit den Gebrüdern Grimm oder den Disney-Verfilmungen gemein hat. Dazu kommt der spezielle Zeichenstil, der aufregend ambivalent wirkt und das Werk zu einem kleinen Geniestreich macht.

    Im Hafen von Neapel liegt das prunkvolle Schiff Megarida. Dessen Reeder Vittorio (Stimme im Original: Mariano Rigillo) ist ein Visionär wie aus dem Bilderbuch: Voller Hoffnung und Ehrgeiz will er seiner Heimatstadt eine große Zukunft bescheren und mit seinem imposanten wie technisch revolutionären Traumschiff in See stechen. Als der gefeierte Wissenschaftler die schöne Angelica (Maria Pia Calzone) heiraten will, lädt er alles an Bord ein, was Rang und Namen hat. Doch das prachtvolle Fest mündet in einer Katastrophe, als Vittorio ermordet wird. Dieser hinterlässt die kleine Mia, die fortan von Angelica großgezogen wird, welche sich jedoch als gemeine Stiefmutter herausstellt. 15 Jahre lang wird die stumme Mia – von allen nur Aschenputtel oder Katze (wie im italienischen Originaltitel Gatta Cenerentola) genannt – auf dem Schiff festgehalten, welches ohne seinen Erbauer im Hafen von Neapel festsitzt und über die Jahre verfällt. Und als wären Angelicas sechs unerträgliche Töchter nicht genug, wird Mia auch noch in ein Drogenkomplott auf dem Schiff verwickelt…

    In den ersten Minuten lässt sich nur schwer Zugang zum Geschehen finden, denn der ungewöhnliche und impressionistische Zeichenstil, mit dem die Welt von „Cinderella The Cat“ zum Leben erweckt wird, irritiert. Die kantigen Figuren wirken unsauber animiert, so dass die Szenen etwas Ruckeliges an sich haben. Man bekommt teilweise das Gefühl, sich ein Storyboard statt einen fertigen Film anzusehen. Die Blickwinkel sind geradezu willkürlich gesetzt, immer da, wo man Kamera eigentlich nicht vermutet, wobei dem Zuschauer die Figuren mitunter auch mal direkt vor die Nase geknallt werden. Die Bilder sind oft verkantet, so als wäre bei einem realen Dreh das Stativ nicht richtig in der Waage. Der Schnitt passt sich diesem Muster an, der Bildwechsel ist hektisch und gerät bewusst aus dem Takt. Sprich: Ein stilmäßig eigenwilliger Film. Doch genau diese Diskrepanzen sind es, die dem Film einen ungeheuren Reiz verleihen, wenn man sich darauf einlässt.

    Das Steampunk-Neapel gleicht einer wundervollen Mixtur aus Renaissance-Romantik und postapokalyptischer Tristesse. So ähnlich wie das reale Neapel der Jetztzeit wird auch die Stadt aus dem Film als ein von Drogenproblemen geplagter und im Müll versinkender Moloch beschrieben. Scheinbar mit Wehmut blicken die Regisseure auf den Niedergang ihrer eigenen Heimatstadt, doch zugleich auch mit Stolz und Zuversicht auf bessere Zeiten. Diese Sehnsucht ist es auch, welche die Protagonistin Mia verkörpert, der Lichtblick in diesem desolaten Szenario. Denn Mia, die wie das Schiff eine Schöpfung ihres Vaters darstellt, birgt ebenso viele Geheimnisse wie die Megarida, die es mit faszinierender Neugier zu enträtseln gilt. Überhaupt gibt es in dieser Welt vieles zu entdecken bei all den Details, die die Zeichner in den Hintergründen ihrer Bilder platziert haben. Eine wahre Freude, sich darin zu verlieren, solange es die disharmonischen Perspektiven zulassen.

    Fazit: Diese Steampunk-Interpretation von „Cinderella“ ist ein kleines, visuelles opulentes Kunstwerk. Ein düsteres Szenario eines alternativen Neapels ist ein Bild der Melancholie oder auch der Hoffnung, ein Blick in die Vergangenheit oder in die Zukunft, je nachdem, wo man als Betrachter steht.

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