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    Godzilla
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Godzilla
    Von Andreas Staben

    Nicht weniger ist mehr, sondern mehr ist mehr. Diese prahlerische Abwandlung des Sprichworts wird dem selbsternannten „König der Welt", James Cameron (Titanic, Avatar), zugeschrieben. Eine ähnliche Geisteshaltung lässt sich aber durchaus auch bei anderen Alpha-Tieren im Filmgeschäft wie Jerry Bruckheimer und Michael Bay vermuten, die der Maxime vor allem bei ihren Fortsetzungen zu Fluch der Karibik, Transformers oder Bad Boys folgten. In der von Egomanen bevölkerten Parallelwelt Hollywood regiert der Superlativ, das Konkurrenzdenken nimmt zuweilen pubertäre Züge an. So wurde dem staunenden Publikum im Jahre 1998 suggeriert, dass es eben doch auf die Größe ankomme: „Size Does Matter." Unter dieses großspurige Motto stellten die Produzenten von „Godzilla" die aufwändige Werbekampagne für ihre amerikanisierte Blockbuster-Version des japanischen Monsterkults. Das Erfolgsduo hinter dem Megahit Independence Day hatte mit dieser Potenzprotzerei unmissverständlich Steven Spielberg und seine Saurier-Saga Jurassic Park im Visier: In einem cleveren fünfminütigen Teaser zeigten Regisseur Roland Emmerich und Produzent Dean Devlin, wie ein imposantes T-Rex-Skelett in einem Museum von Godzillas riesigem Fuß zermalmt wird wie ein Streichholzmodell. Eine solch eindrucksvolle Szene findet sich im fertigen Action-Spektakel nicht mehr und das selbstbeschworene Duell mit dem Leithammel Spielberg ging deutlich verloren.

    Bei französischen Atombombentests kommt es zu einer Mutation. Dieses so entstandene Lebewesen greift ein Fischerschiff an, nur ein Besatzungsmitglied überlebt und nennt das Geschöpf Godzilla. Bald sind sowohl das amerikanische Militär als auch der französische Geheimdienst auf der Jagd nach dem Wesen. Der Nuklearbiologe Dr. Niko Tatopoulos (Matthew Broderick) wird zur Unterstützung rekrutiert. Bald findet er heraus, dass Godzilla schwanger ist und in New York ein Nest bauen will. Nach einer Indiskretion seiner Ex-Freundin, der Reporterin Audrey (Maria Pitillo), wird Niko die weitere Mitarbeit an dem Geheimprojekt untersagt. Das Militär setzt alles auf die Zerstörung Godzillas, aber der französische Agent Philippe Roaché (Jean Reno) erkennt die Gefahr, die von der Vermehrung des Riesentiers ausgeht. Gemeinsam mit Niko entdeckt er mehr als 20 Eier im Madison Square Garden, wo der frisch geschlüpfte Nachwuchs ihnen alsbald nach dem Leben trachtet. Godzilla selbst erweist sich gleichzeitig als schier unbezwingbar bis zu einer rasanten Verfolgungsjagd auf den Straßen New Yorks...

    In Ishirô Hondas 1954 entstandenem ersten „Godzilla"-Film ist etwas von der Malaise eines Landes zu spüren, das immer noch unter dem Schock und den Nachwirkungen der Atombomben von Hiroshima und Nagasaki litt. Die monströse Mutation steht für die unabsehbaren Folgen entfesselter menschlicher Zerstörungskraft. In den zahlreichen zum Teil höchst kuriosen Fortschreibungen rückte dieser Aspekt zunehmend in den Hintergrund, und es entwickelte sich ein internationaler Trash-Kult um die Kreatur, die ursprünglich eine Kreuzung aus Gorilla und Wal sein sollte. Emmerich interessiert sich wenig für die historischen Hintergründe und ignorierte auch die Vorgaben der japanischen Rechteinhaber Tôhô weitgehend, bei ihm ist das nuklear bedingte Desaster nur ein austauschbares Katastrophenszenario. Waren es am „Independence Day" Aliens, die Washington mitsamt des Weißen Hauses in Schutt und Asche legten, ließ Emmerich nun eine Riesenechse New York zertrampeln, das er später in The Day After Tomorrow zur Abwechslung mit einer todbringenden Schicht aus Schnee und Eis überzog. Während der gebürtige Schwabe in letzterem wenig subtil, aber engagiert den Klimawandel zum Thema machte und in „ID 4" einen originellen Mix aus patriotischem Pathos und augenzwinkernder Albernheit anrichtete, bleibt „Godzilla" im Vergleich deutlich unausgegorener. Zu aufgeblasen, um dauerhaft so etwas wie B-Movie-Charme zu entfalten und zu läppisch für seriöse Untertöne landet „Godzilla" zwischen allen Stühlen – mit Defiziten in der Handlungsführung und der Figurenentwicklung, bei den Dialogen und der inneren Logik.

    Wenn Godzilla am Ende doch noch seine Großaufnahme bekommt, gelingt es Emmerich nicht mehr, Mitgefühl für die geschundene Kreatur zu wecken. Zu schematisch war er bis dahin vorgegangen, hatte uns unter Aufwendung aller erdenklichen Tricks und Kniffe lange den Blick auf den Titelhelden verwehrt. Die Enthüllung ist dann fast zwangsläufig eine leise Enttäuschung. Mit dem Detail- und Ausdrucksreichtum von Spielbergs Sauriern können Godzilla und auch die Babys nicht mithalten, das tricktechnische Manko fällt zudem mit erzählerischen Unzulänglichkeiten zusammen. Anders als etwa „King Kong", der vor allem im Original, aber auch in Peter Jacksons Neuauflage eine starke Persönlichkeit besitzt, hat Emmerichs Monster keine Seele. Auch die menschlichen Protagonisten sind Abziehbilder. Angesichts der farblosen, nach dem Godzilla-Designer Patrick Tatopoulos benannten Wurmforscher-Hauptfigur werden schmerzliche Erinnerungen an die pfiffigen Helden wach, die Matthew Broderick in Ferris macht blau oder „WarGames" spielte. Die wiederbelebte Romanze mit der Möchtegern-Reporterin Audrey (Maria Pitillo erhielt gar die berüchtigte Anti-Auszeichnung Goldene Himbeere, was wiederum übertrieben ist) erscheint wie eine dramaturgische Pflichtübung. Interessanter ist da schon der rätselhafte französische „Versicherungsvertreter" Jean Reno (Léon – Der Profi, Die purpurnen Flüsse), dessen Nebenfigur eine passende Aura von Arroganz, Professionalismus und Lakonie besitzt. Hank Azaria (Nachts im Museum 2) als unerschrockener Kameramann Victor müht sich mit lahmen Onelinern, aber „Simpsons"-Kollege Harry Shearer ist als Anchorman Charles Caiman ein Macho-Schleimbeutel nach Maß.

    „Feuer frei" - Das sinnlose Leeren von Magazinen und Bombenschächten ist das vergebliche militärische Allheilmittel in „Godzilla". Die martialische Unverblümtheit lässt das Katastrophen-Drama phasenweise zu einer lustvollen Zerstörungsorgie werden. Leider zeigen Emmerich und Devlin, die gemeinsam auch das Drehbuch verfassten, nicht durchgängig ein Gespür für die Absurditäten ihrer eigenen Schöpfung, so dass das ironische Zusammenführen zweier Handlungsstränge eine Ausnahme bleibt: Roaché und Tatopoulos haben das Nest im Madison Square Garden ausfindig gemacht, als ihnen plötzlich und im wahrsten Sinne des Wortes die ebenfalls dort hingelangten Audrey und Victor fast auf den Kopf fallen. Überhaupt gehört die ausgedehnte Sequenz in der Sporthalle zu den Höhepunkten des Films, hier kommt endlich einmal Spannung auf. Das Timing und die Übersichtlichkeit sind besser als in den apokalyptisch verregneten Außenszenen, gewürzt wird das Ganze mit weiteren hübschen Einfällen, wenn etwa den Baby-Monstern Basketbälle und der Inhalt eines Kaugummi-Automaten in den Weg geworfen werden.

    Über den Look des Films und seines überdimensionierten Protagonisten lässt sich streiten, einige Ungereimtheiten sind dagegen nicht von der Hand zu weisen. Schon die Exposition mit ihren ständigen Ortswechseln und den immer gleichen Kalauern ist ein chaotisches Auf-der-Stelle-Treten. Darüber ließe sich leichter hinwegsehen, wenn es nicht oft mit einem Eindruck von Verkniffenheit einherginge. Selbst die scheinbare Satire auf eine bestimmte Art von Politikern erweist sich als persönlich motivierte Racheaktion. Mit dem opportunistischen Bürgermeister Ebert (Michael Lerner, Barton Fink) und seinem Assistenten Gene (Lorry Goldman) sind nämlich die Filmkritiker Roger Ebert und Gene Siskel gemeint, die in ihrer bekannten TV-Show die Emmerich-Filme Stargate und „Independence Day" verrissen hatten. Ihr Markenzeichen, die Wertung mit erhobenem oder gesenktem Daumen wird hier gleich mehrmals halbwegs amüsant aufs Korn genommen. Bei Emmerichs jüngstem Werk 10.000 BC gingen die Daumen von Publikum und Kritik mehrheitlich nach unten; es bleibt abzuwarten, ob das Endzeitspektakel 2012 besser gelingt. Auf dem schmalen Grat zwischen souveräner Selbstironie und beleidigter Leberwurst, falscher Unbescheidenheit und echtem Enthusiasmus rutscht der Regisseur mit „Godzilla" mehr als einmal aus.

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