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    Curveball - Wir machen die Wahrheit
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Curveball - Wir machen die Wahrheit

    Zeit der Kriegstreiber

    Von Janick Nolting

    Die Welt der Geschäftemacher ist vor Johannes Naber nicht sicher! In seiner gefeierten Kinoabrechnung „Zeit der Kannibalen“ entlarvte der deutsche Filmemacher die durchtriebenen Geschäfte einer Gruppe von Unternehmensberatern in einem Bürgerkriegsgebiet. Mit seiner neuen Satire „Curveball - Wir machen die Wahrheit“ wagt er sich nun erneut in ein Milieu der schicken Anzüge und beklemmenden Konferenzräume, wo Intrigen gesponnen und skurrile Wortgefechte geführt werden. Dieses Mal geht´s jedoch nicht nur um Wirtschaftsunternehmen, stattdessen reicht die Story bis in höchste politische Kreise. Naber erzählt in „Curveball“ von den verrückten Auslösern des Irakkriegs und rechnet dabei erneut auf ebenso entschlossene wie unterhaltsame Weise mit der kapitalismushörigen Politik ab.

    Arndt Wolf (Sebastian Blomberg), Experte für biologische Waffen beim Bundesnachrichtendienst, ist überzeugt: Saddam Hussein hat Biowaffen, die er einsetzen will, um unter anderem im Westen Menschen mit Milzbrand zu infizieren. Als der irakische Asylbewerber Rafid Alwan (Dar Salim) behauptet, an der Herstellung dieser beteiligt gewesen zu sein, sieht Wolf die Chance gekommen, seine Theorie zu beweisen. Unter dem Decknamen Curveball wird Rafid zum wichtigen Informanten für den BND. Aber sagt der eigentlich die Wahrheit?

    (Winter-)Sport ist Mord!

    Alles an der Welt, die hier gezeigt wird, ist abschreckend. Allein auf optischer Ebene gibt sich Johannes Naber mit den blassen Farben und trostlosen Räumlichkeiten alle Mühe, das gezeigte Milieu in eine unbequeme Eiseskälte zu tauchen. Hier werden die Hebel von den Mächtigen bedient, obwohl diese nur das eigene Wohl und schließlich das eigene Kapital im Hinterkopf behalten. Naber lädt das – wie schon in „Zeit der Kannibalen“ – mit ungeheuer trockener Situationskomik auf, ohne dass die Figuren deshalb zu bloßen Karikaturen degradiert werden. Auf klassische Pointen wird verzichtet, der Humor ist viel feiner, viel unterschwelliger und plötzlicher. Schade nur, dass der Film manchmal fast genauso trocken wie sein Humor erscheint: Hinter der Bösartigkeit und Radikalität von „Zeit der Kannibalen“ fällt Nabers neuester Streich dann doch etwas ab.

    Der deutsche Adam McKay?

    In einer Szene erklärt Protagonist Arndt Wolf seinem Vorgesetzten bei einem Gartenempfang die tödlichen Symptome der Anthrax-Krankheit, während diese mit den umstehenden, plötzlich blutspuckenden, hustenden und zusammenbrechenden Gästen visualisiert werden. Prompt wird der Gärtner mit seinem Gift dafür verantwortlich gemacht, der doch eigentlich nur Unkrautvernichter versprüht. Zynischer kann man übereilte Hysterien wohl kaum vorführen! In solchen entlarvend-überspitzten Momenten gelingt es Naber tatsächlich, Erinnerungen an die jüngsten Werke von Regie-Provokateur Adam McKay („Vice“, „The Big Short“) zu wecken. Nur leider gibt es von solchen Szenen zu wenige. „Curveball - Wir machen die Wahrheit“ ist am Ende so, wie man sich eine deutsche Antwort auf McKay vorstellen würde: ebenfalls verdammt böse, aber trotzdem auch alles ein bisschen ernster und verklemmter.

    Das hat zwar den Vorteil, dass Nabers Film als Satire schnell und stringent zu seinen Kernbotschaften durchdringt, der Spaß bleibt dabei mit fortschreitender Laufzeit allerdings etwas auf der Strecke. Etwas mehr Zügellosigkeit hätte dem Unterhaltungswert sicher nicht geschadet, auch wenn Sebastian Blomberg mit seinem radebrechenden Denglisch immer wieder für Lacher gut ist und eine unfreiwillige Wintersportsequenz selbst der Ski-Verfolgungsjagd in Wes Andersons „Grand Budapest Hotel“ in Sachen Skurrilität in nichts nachsteht.

    Geschichtsstunde für Einsteiger

    Welche erstaunlichen Zufälle und Verwicklungen es kurz vor Ausbruch des Irakkriegs in Deutschland und den USA gegeben hat, das weiß „Curveball - Wir machen die Wahrheit“ für seine recht leicht verdaulichen 110 Minuten Laufzeit stark herunterzubrechen. Im Grunde genommen erzählt Naber seine Geschichte anhand eines sehr überschaubaren Figurenensembles, insofern werden diejenigen Zuschauer, die sich eine komplexe Aufarbeitung der Ereignisse erhoffen, von der Schlichtheit der Erzählung enttäuscht sein. Hier wird vieles stark vereinfacht, vieles etwas aufdringlich deutlich gemacht. Etwas mehr Subtilität in den bissigen Dialogen wäre da dem Publikum doch zumutbar gewesen! Zugleich leidet der Film darunter, dass seine einzelnen Versatzstücke zwar schnell verstanden sind, aber sich immer wieder gegenseitig in die Quere kommen. Hier eine Krisensitzung, da eine geheime Mission, dort eine Männerfreundschaft, das Familienleben der Hauptfigur muss auch noch irgendwie thematisiert werden.

    Das ist über weite Strecken alles etwas überfrachtet und zerfasert arrangiert, das Drehbuch von „Curveball - Wir machen die Wahrheit“ wirkt leider noch etwas unausgegoren. Erstaunlich, dass zum Schluss doch irgendwie noch all die vielen Fäden zueinanderfinden! Trotz seines Hangs zur Abstraktion und Vereinfachung gelingt Johannes Naber ein Blick in tiefe Abgründe, seine Botschaft kommt an: Der Krieg ist am Ende immer Ergebnis von Selbstsucht und Gier. Eine bloße Bestätigung der eigenen Ressentiments und Feindbilder, die vor der Öffentlichkeit konstruiert werden, um das eigene (finanzielle) Überleben und Ansehen zu bewahren. So simpel, so zeitlos. Der Krieg im Irak ist da nur ein Beispiel, seine Folgen sind bis heute verheerend. „Curveball - Wir machen die Wahrheit“ ist ein Lehrstück über voreilige Entscheidungen und falsches Vertrauen. Die finale Ohrfeige im Abspann haben sich die realen Schuldigen redlich verdient!

    Fazit: „Curveball - Wir machen die Wahrheit“ ist wunderbar skurriles Politkino für Zyniker über eine historische Episode, die ebenso unglaublich wie unfassbar ist. Manchmal etwas inkonsequent erzählt, manchmal etwas zu trocken und brav in seiner Inszenierung, aber immer mit großer Dringlichkeit!

    Wir haben „Curveball - Wir machen die Wahrheit“ im Rahmen der Berlinale gesehen, wo er als Berlinale Special gezeigt wurde.

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