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    Tatort: Spieglein, Spieglein
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Tatort: Spieglein, Spieglein

    Doppelgänger-Morde in Münster

    Von Lars-Christian Daniels

    So viele Monate mussten die Fans der megapopulären „Tatort“-Folgen aus Münster in der über sechzehnjährigen Geschichte des Krimis aus Westfalen schon lange nicht mehr auf einen neuen Fall ihrer Lieblingsermittler warten: Stolze neuneinhalb Monate sind vergangen, seit der „Tatort: Schlangengrube“ seine TV-Premiere feierte. Eine noch längere Pause zwischen zwei Folgen gab es nur zwischen 2002 und 2003, denn normalerweise sendet die ARD einen Münster-„Tatort“ im Frühjahr und einen im Herbst. Durch die Babypause von Nebendarstellerin Friederike Kempter, die seit jeher fest zum Ensemble zählt, geriet dieser Zeitplan aber aus dem Tritt. In Matthias TiefenbachersTatort: Spieglein, Spieglein“ setzt Kempter nun einmalig aus und wird von Björn Meyer („Besser Spät als Nie“) vertreten – was allerdings auch schon die einzige nennenswerte Änderung ist, die der WDR im Hinblick auf das Erfolgsrezept seines Quotengaranten zulässt. Zu überragend sind die Einschaltquoten, zu festgelegt sind die Erwartungen der Zuschauer – und so ist auch dieser „Tatort“ trotz einiger origineller Ansätze wieder eine seichte Krimikomödie nach bewährter Mixtur geworden, in der Überraschungen über weite Strecken ausbleiben.

    Staatsanwältin Wilhelmine Klemm (Mechthild Großmann) ist geschockt: Eine Leiche, die direkt hinter dem Dom in Münster gefunden wurde, sieht ihr zum Verwechseln ähnlich. Brauchbare Hinweise auf den Täter sucht Hauptkommissar Frank Thiel (Axel Prahl) vergeblich, denn auch die Untersuchungen von Professor Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) liefern keine hilfreichen Erkenntnisse. Dann gibt es eine zweite Tote: In einem Kanal wird die Leiche einer kleinwüchsigen Frau gefunden, die einen Schal trug, der Boernes ebenfalls kleinwüchsiger Assistentin Silke „Alberich“ Haller (Christine Urspruch) kurz zuvor gestohlen wurde. Hängen die Todesfälle zusammen? Die Ermittlungen führen Thiel und Boerne, die von Aushilfskommissar Mirko Schrader (Björn Meyer) unterstützt werden, zu dem Fahrkartenkontrolleur Markus Timoschek (Ronald Kukulies) und dem kurz vor der Entlassung stehenden Gefängnisinsassen Sascha Kröger (Arnd Klawitter). Dann jedoch steigt die bei der Kfz-Zulassungsstelle tätige Birgit Brückner (Kathrin Angerer) in das Taxi von Herbert Thiel (Claus Dieter Clausnitzer) – und kurz darauf ist ein Taxifahrer tot, der „Vaddern“ zum Verwechseln ähnlich sieht…

    Nicht nur Boerne gibt es doppelt...

    Der „Tatort“ aus Münster, der in den vergangenen Jahren regelmäßig zwischen 12 und 14,5 Millionen Zuschauer vor die TV-Bildschirme lockte, ist im Hinblick auf die Einschaltquoten das Flaggschiff der fiktiven deutschen Fernsehunterhaltung. Kein anderes „Tatort“-Team erreicht ein so großes Publikum, und deswegen sind dem WDR diese Filme auch besonders heilig: Die Hauptdarsteller zählen zu den bestbezahlten der ganzen Krimireihe, die Drehbücher folgen trotz wechselnder Autoren seit Jahren dem gleichen Schema und experimentiert wird nur, wenn es sich gar nicht anders vermeiden lässt. Dass mit Kommissar Schrader nun ein neuer Ermittler im Team aufschlägt und, wie eingangs erwähnt, die Urlaubsvertretung von Nadeshda Krusenstern (Friederike Kempter) übernimmt, heißt deshalb noch lange nicht, dass in Münster plötzlich frischer Wind durchs Präsidium wehen würde. Drehbuchautor Benjamin Hessler („Mord mit Aussicht“), der zum zweiten Mal für die Krimireihe am Ruder sitzt, gesteht Schrader eigentlich nur eine nennenswerte Eigenschaft zu: Er kann hervorragend Kaffee kochen. Mit Ausnahme einer spontanen KTU im Wohnhaus von Thiel und Boerne beschränkt sich sein Tun ansonsten – Dienstrang hin oder her – auf genau die Fleißarbeit im Präsidium, von der sich Krusenstern in den vergangenen Jahren zunehmend antizipiert hatte.

    Stattdessen ist es der eitle Professor, der Thiel bei seinen vielen Außeneinsätzen und Befragungen von Verdächtigen zur Seite gestellt wird. Dass Boerne eigentlich Rechtsmediziner und kein Ermittler ist und viel besser mit Skalpell und Zange umgehen kann, scheint dieses Mal selbst Thiel überhaupt nicht zu stören, obwohl der seine Autorität bekanntlich ungern von ihm untergraben sieht. Fest zum Erfolgsrezept der „Tatort“-Folgen aus Münster zählen schließlich auch die Frotzeleien und bissigen Dialoge zwischen den beiden – und ob die nun am Seziertisch in der Leichenhalle, im Archiv des Polizeipräsidiums oder bei einer Stippvisite in der Haftanstalt vorgetragen werden, ist ja eigentlich zweitrangig. Die vielen Fans der Krimikomödien aus Westfalen wird es jedenfalls nicht stören – und so darf Boerne sogar unter einem halben Dutzend SEK-Beamter an vorderster Front mitmischen, wenn die Wohnung einer Tatverdächtigen gestürmt wird. Die Mörderfrage stellen die Filmemacher im Übrigen nur pro forma – wie schon in den vorherigen „Tatort“-Folgen bezieht die 1088. Ausgabe der Krimireihe ihren Reiz nicht allein aus der Frage, wer die Doppelgänger von Klemm, Alberich & Co. auf dem Gewissen hat.

    Doppelrollen für die Stars

    Stattdessen ist unter Regie von Matthias Tiefenbacher („Extraklasse“) erneut der Weg zur Überführung der Täterin das Ziel: Höhepunkt des durchaus kurzweiligen Verwirrspiels und der Jagd auf die Mörderin ist die Sequenz, in der sich Boerne selbst zu begegnen glaubt und Hauptdarsteller Jan Josef Liefers („Vier gegen die Bank“) in einer sympathischen Doppelrolle gleichzeitig den selbstverliebten Forensiker und einen abgehalfterten Jazzmusiker spielt. Das gelingt ihm deutlich besser als seinem Kollegen Axel Prahl („Das Ende der Wahrheit“), der in seiner Zweitrolle mit albernem Hut und aufgeklebtem Schnurrbart der Lächerlichkeit preisgegeben wird – und der dabei nicht halb so authentisch wirkt wie als brummiger Kommissar. Ansonsten halten sich die Albernheiten in Grenzen: Anders als in manch anderer „Tatort“-Folge aus Münster driftet das Geschehen nie in den Slapstick ab. Echte Spannungsmomente sucht man aber vergeblich, und auch Gewaltdarstellungen hat das Publikum nicht zu befürchten: Brachte im umstrittenen „Tatort: Für immer und dich“ zuletzt schon das Töten eines Hundes die deutsche Volksseele zum Kochen, geht in Münster alles seinen gewohnten, harmlosen Gang. Der Zuschauer will’s, der Zuschauer kriegt’s.

    Fazit: Matthias Tiefenbachers „Tatort: Spieglein, Spieglein“ ist eine überraschungsarme, aber durchaus kurzweilige Krimikomödie nach altbewährtem Rezept.

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