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    Dreamland
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Dreamland

    Zwangsheirat mit Vampiren

    Von Janick Nolting

    Mit „Pontypool“, der auf engstem Raum in einer kleinen Radiostation spielt und sich abseits einiger blutiger Schocks voll und ganz auf subtile, vor allem dem starken Sounddesign zu verdankende Spannung verlässt, hat Regisseur Bruce McDonald im Jahr 2008 ordentlich frischen Wind ins Genre gebracht. Die experimentelle Zombiegeschichte unterläuft nämlich so ziemlich jede Erwartung, die man an einen solchen Film haben kann. Elf Jahre später hat sich der Kanadier nun erneut seinen „Pontypool“-Hauptdarsteller Stephen McHattie und seinen Drehbuchautor Tony Burgess geschnappt, um mit ihnen den surrealen Thriller „Dreamland“ auf die Beine zu stellen, bei dem sich der Zuschauer die meiste Zeit über mit der Frage beschäftigt: Was zur Hölle passiert hier eigentlich gerade?

    Johnny (Stephen McHattie) arbeitet als Auftragskiller für seinen zwielichtigen Boss Hercules (Henry Rollins). Gerade hat er noch ein paar Pädophile in einem Auto erschossen, da erhält er von seinem Vorgesetzten auch schon die Nachricht, dass dieser jetzt selbst mit Kindern handelt. Johnny hat unterdessen nicht nur mit seinem neuen Auftrag, einem Jazz-Trompeter (ebenfalls Stephen McHattie) einen Finger abzuschneiden, so seine Probleme, generell kommen ihm langsam Zweifel an seinem Job. Als wählt er zur Abwechslung mal selbst seine nächste Mission: Aus dem Geschäft aussteigen und eines der von Hercules entführten Mädchen retten, das mit einem Vampir (Tómas Lemarquis) zwangsverheiratet werden soll...

    Was ist besser als ein Stephen McHattie? Stephen McHattie in einer Doppelrolle!

    Wer nach dieser Inhaltsbeschreibung schon das eine oder andere Fragezeichen im Kopf hat, erhält bereits einen kleinen Vorgeschmack, um welche Art von Film es sich bei „Dreamland“ handelt – nämlich um einen, den man nicht so genau hinterfragen sollte. Das Drehbuch von Tony Burgess und Patrick Whistler versucht gar nicht erst, eine logische Geschichte zu erzählen, sondern reiht eine verrückte Situation an die nächste, die sich nur sehr langsam in Richtung eines Handlungsziels herantasten. Zumindest das haben „Dreamland“ und „Pontypool“ schon mal gemeinsam: Hier muss man sich voll und ganz dem Rätselhaften und Absurden hingeben. Bruce McDonald orientiert sich dabei stark am Genre des Film noir. Während Auftragskiller Johnny mit seinen eigenen Moralvorstellungen hadert, ist alles um ihn herum angemessen düster, die Bilder sind grau und entsättigt. „Dreamland“ wirkt ein wenig wie eine schräge Serienfolge von „True Detective“ oder „Too Old To Die Young“, gepaart mit der (wie man schon am Titel ablesen kann) traumartigen Erzählweise eines David Lynch („Lost Highway“).

    Zugleich ist das aber auch ein Vergleich, dem „Dramland“ einfach nicht standhalten kann. Das geht schon damit los, dass es Bruce McDonald nicht gelingt, eine packende Atmosphäre aufzubauen. Sicher, der Trip in die kriminelle Unterwelt liefert stylische Bilder, aber ein paar Farbfilter reichen eben nicht aus, um eine faszinierende Stimmung zu erzeugen. Der Film ist für seine finsteren Themen insgesamt einfach zu brav geraten. McDonald findet diesmal zu keinem einheitlichen Erzählton, sondern schwankt zwischen verschiedenen Genreversatzstücken, ohne dabei jemals in die Vollen zu gehen. Die surrealen Momente, wenn die Hauptfigur beispielsweise in seinen Träumen den blutüberströmten entführten Mädchen im Wald begegnet, lassen zumindest erahnen, wie abgefahren der Film auch hätte werden können. Aber was nützt das schon, wenn sich McDonald insgesamt so wenig traut und stattdessen lieber seinen Protagonisten beim Trübsaalblasen beobachtet? Absurd sind dessen Erlebnisse zweifellos, aber mitunter leider auch ganz schön dröge.

    Der doppelte Stephen McHattie

    Glücklicherweise macht es großen Spaß, dem spielfreudigen Cast zuzusehen. Allen voran Stephen McHattie glänzt in seiner Doppelrolle als melancholischer Mörder und drogensüchtiger Musiker. Er spielt quasi Jäger und Gejagten zugleich, manchmal sogar in derselben Szene, und zeigt damit wieder, wie gut er derartig zwielichtige, kantige Typen verkörpern kann. Immerhin ist das nach dem Cronenberg-Remake „Rabid“ und dem schwarzhumorigen Thriller „Come To Daddy“ schon sein dritter Genrekino-Ausflug in nur einem Jahr. Das tröstet zumindest ein wenig darüber hinweg, dass sich die Wandlung seiner Figur vom eiskalten Killer zum moralischen Helden eher wie eine Behauptung anfühlt.

    Immer wenn die Vampir-Geschwister auftauchen, kommt der nötige Schwung an den ansonst ein wenig drögen Film.

    Auch die Nebendarsteller müssen sich nicht verstecken: Vor allem die Bösewichte sorgen immer wieder für Lacher, wenn etwa Juliette Lewis („Kap der Angst“) als hysterische Gräfin das Fest für ihren Vampir-Bruder vorbereitet, der irgendwo zwischen Graf Orlok aus „Nosferatu“ und dem Mittelalter-Blutsauger Petyr aus „5 Zimmer Küche Sarg“ angesiedelt ist. Immer wenn die Geschwister auf der Leinwand zu sehen sind, funktioniert der skurrile Humor des Drehbuchs am besten. Das gipfelt mit der besagten Zwangshochzeit in einem sehr unterhaltsamen und blutigen Finale, bei dem sich „Dreamland“ endgültig von seiner latenten Melancholie verabschiedet und sich der überzogenen Comedy hingibt. Hier erreicht der Film endlich ein Tempo und einen Wahnwitz, den man sich in den vielen zähen Minuten zuvor schon gewünscht hätte.

    Fazit: Obwohl das alte Team wieder zusammengekommen ist, gelingt Bruce McDonald nicht noch einmal ein so frisches Werk wie „Pontypool“. Der überambitionierte, wenn auch stark gespielte Genremix aus Film noir, Horror und Komödie wirkt stattdessen zäh und orientierungslos – zumindest bis McDonald im starken Finale noch mal ein paar Gänge hochschaltet.

    Wir haben „Dreamland“ auf dem Fantasy Filmfest 2019 gesehen.

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