Ein Film so generisch wie sein Titel
Von Lutz Granert„Smokin' Aces“-Regisseur Joe Carnahan hat in den vergangenen Jahren gleich doppelt bewiesen, dass er keine originellen Ideen braucht, um launige Action-Spektakel abzuliefern: In „Boss Level“ mit Frank Grillo und Mel Gibson verpasste er dem Zeitschleifen-Plot aus „…und täglich grüßt das Murmeltier“ mit einem Videospiel-artigen Look und reichlich lakonischem Humor einen brachial-neuen Anstrich. Sein Belagerungs-Thriller „Copshop“ mit Gerard Butler punktete hingegen mit pointierten Onelinern sowie kantigen Charakteren – und zwar trotz der vielen offensichtlichen Parallelen zu John Carpenters Klassiker „Assault – Anschlag bei Nacht“. Aber in diesem Fall sind leider aller guten Dinge nicht drei.
„Shadow Force – Die letzte Mission“ erweist sich nun nämlich als ziemlich abgestandene Mischung aus dem Netflix-Hit „Back In Action“ mit Jamie Foxx und Cameron Diaz sowie dem Amazon-Prime-Chartstürmer „G20“ mit Viola Davis als US-Präsidentin im „Stirb langsam“-Modus. Dabei muss man dem Film zumindest zugutehalten, dass er bereits im Oktober 2022 in Kolumbien (und damit lange vor der Streaming-Konkurrenz) abgedreht wurde. Aber das eigentliche Problem ist eben auch nicht, dass einem die Ex-Agent*innen-Prämisse mit „Familie über alles“-Credo verdächtig bekannt vorkommt, sondern dass die spärlich gesäten Gags alle bereits im Trailer vorkommen und der Rest als bierernster, grimmiger, aber wenig spektakulärer Actioner von der Stange daherkommt.
Lange Zeit waren Kyrah (Kerry Washington) und Isaac (Omar Sy) Mitglieder der streng geheimen Eliteeinheit „Shadow Force“, die im Auftrag der größten Industrienationen der Welt unliebsame Personen liquidiert. Doch dann verliebten sich die beiden verbotenerweise ineinander und tauchten nach der Geburt ihres Sohnes Ky (Jahleel Kamara) gemeinsam unter. Als Isaac bei einem Banküberfall einer Räuberbande das Handwerk legt, wird der skrupellose „Shadow Force“-Leiter und frisch gebackene G7-Generalsekretär Jack Cinder (Mark Strong) auf seine abtrünnigen Ex-Mitarbeitenden aufmerksam – und setzt direkt ein hohes Kopfgeld auf sie aus...
Schon beim Lesen dieser Synopsis fällt auf: Wirklich genau nimmt es Joe Carnahan mit der Logik und Plausibilität seines Actionthrillers nicht gerade. Ist es tatsächlich eine gute Idee, ausgerechnet den Chef eines dubiosen Killerkommandos auf einen potenziell viel Medienecho verursachenden politischen Posten zu hieven? Und wie zum Teufel ist dem im weiteren Verlauf stets bestens über gegenwärtige Aufenthaltsorte informierten Agententrupp damals bloß Kyrahs Schwangerschaft entgangen?
Doch sei’s drum: Während Kyrah durch die Welt reist, um Jagd auf ihre Ex-Kolleg*innen zu machen, kümmert sich der nach einer Explosion ohne Hörgerät nahezu taube Isaac zu Hause um den gemeinsamen Sohn. Die klassische Rollenverteilung ist also auf den Kopf gestellt bei dem Agentenpärchen, das sich nach langer Trennung vor lauter Wiedersehensfreude gleich mal durch die Küche ihrer muffigen Zuflucht prügelt – um anschließend direkt auch noch ihre Treffgenauigkeit bei einem ehelichen Präzisionsschießen-Wettstreit auf die Probe zu stellen. Gerade solche Szenen erinnern sofort an das brachial-launige Ehe-Duell zwischen Brad Pitt und Angelina Jolie im Superhit „Mr. & Mrs. Smith“. Ein vergleichbares Maß an Charme, Ironie und Klasse beim genussvollen Zerlegen der eigenen vier Wände wird diesmal jedoch nicht erreicht.
Dass das alles nicht so recht zündet, liegt auch an der mangelhaften Inszenierung der Actionszenen: Hier versagt Joe Carnahan trotz erneuter Zusammenarbeit mit „Boss Level“- und „Copshop“-Kameramann Juan Miguel Azpiroz in nahezu allen Disziplinen. Mit mangelhafter Stuntchoreografie werden Prügelszenen, Schießereien und Verfolgungsjagden (eine sogar auf Motorbooten!) in nervösen Schnittgewittern mit wirr montierten Anschlüssen aufgelöst – wenn wackelige Nahaufnahmen und Reißschwenks nicht gleich komplett für Desorientierung sorgen. Wer gerade wohin schießt oder wer auf wen einschlägt, kann man mitunter nur raten. Gerade bei einer temporeichen Hatz zwischen gepanzertem Wagen, Motorrädern und einem monströsen LKW wird viel Potenzial verschenkt, weil der Einsatz von dichten Nebelschwaden die atmosphärische Szenerie gewollt oder ungewollt allzu schummrig gestaltet – bevor sie in einem plötzlichen Crash ein vorzeitiges Ende findet.
Auch wenn das Tempo hoch ist und der Plot mit ein paar Wendungen aufwartet, fehlt es einfach an Humor. Die kleinen Streitereien in den kurzen Auftritten von Oscar-Preisträgerin Da'Vine Joy Randolph („The Holdovers“) und Rapper Cliff „Method Man“ Smith als ein weiteres Agentenpärchen bleiben für wirkliche Pointen zu unterentwickelt, während die Performance von Mark Strong als Over-the-top-Bösewicht-Karikatur mit dem Charme eines dauer-kläffenden Pitbulls ein wahrhaft schlechter Witz ist. Omar Sy („Jurassic World“) kommt als liebevoller Vater und Kuschelbär noch am besten weg, wenn er sich abseits von Prügeleien und Schießereien bei kitschigen Lionel-Ritchie-Songs in Endlosschleife ein normales Familienleben herbeisehnt.
Fazit: Alles nur geklaut – und das noch nicht mal sonderlich überzeugend. Der angesichts seiner locker-flockigen Story allzu grimmige Thriller „Shadow Force – Die letzte Mission“ enttäuscht mit miserablen Action-Choreografien sowie einer Handvoll müder Gags, die kaum mehr als ein Achselzucken hervorrufen.