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    Ein Fisch, der auf dem Rücken schwimmt
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Ein Fisch, der auf dem Rücken schwimmt

    Mein Vater, seine Freundin und ich

    Von Lars-Christian Daniels

    Die Prämisse des provokanten Liebesdreiecks-Dramas „Ein Fisch, der auf dem Rücken schwimmt“ erinnert ein wenig an Alfred Hitchcock: Ähnlich wie im zweifach oscarprämierten Thriller „Rebecca“, dem ersten Hollywoodfilm des späteren Master Of Suspense, ist es auch hier eine blonde Frau, die in einem großen Haus die Fußstapfen ihrer verstorbenen Vorgängerin ausfüllen soll – und auch hier muss das Ganze fast zwangsläufig in einer Tragödie gipfeln. Anders als Hitchcock erzählt die Regisseurin Eliza Petkova in ihrem Drama aber nicht alles aus – und so zählt es zu jeder Sorte von Filmen, die am Ende mehr Fragen aufwerfen, als Antworten zu geben.

    Den Tod seiner Frau Hannah hat Philipp (Henning Kober) mittlerweile überwunden. Die Bilder der verstorbenen Gattin im Vorstadt-Bungalow mit Pool sind abgehängt, stattdessen ist seine neue Freundin Andrea (Nina Schwabe) bei ihm eingezogen. Sohn Martin (Theo Trebs), der den Verlust der Mutter noch nicht verarbeitet hat, passt das allerdings überhaupt nicht. Die neue Freundin seines Vaters ist ihm ein Dorn im Auge. Das ändert sich allerdings bald: Andrea und er kommen sich näher und beginnen, miteinander zu schlafen. Während Philipp (noch) nichts von dieser Dreiecksbeziehung ahnt, wird Martins Verlangen nach Andrea immer größer. Als die junge Putzfrau Nadya (Anna Manolova) eines Tages beobachtet, wie sich die beiden küssen, droht ihr Geheimnis aufzufliegen…

    Verbotene Liebschaft: Andrea beginnt eine Affäre mit dem Teenager-Sohn ihres Freundes.

    Seit Andrea da ist, geht’s uns beiden ganz schön gut“, zieht der erleichterte Philipp gegen Mitte des Films ein zufriedenes Fazit – und man kann ihn nicht wirklich durchschauen, ob er nun ahnt, dass sein rund 30 Jahre jüngerer Sohn, zu dem er lange keinen Zugang gefunden hat, regelmäßig mit seiner Lebensgefährtin ins Bett geht: Ist er völlig arglos? Oder akzeptiert er das Dreiecksverhältnis sogar? Die verheimlichte ménage à trois ist der zentrale Konflikt des Films. Vorangetrieben wird die Handlung dabei von zwei alles entscheidenden Fragen: Wann wird Philipp merken (beziehungsweise es laut aussprechen), was da hinter seinem Rücken läuft? Und wie wird der oft seltsam passiv agierende Witwer, der regelmäßig mit einem Samuraischwert im Garten trainiert, wohl darauf reagieren?

    Eliza Petkova („Zhaleika“), die neben der Regie auch für das Drehbuch des Films verantwortlich zeichnet, erzählt auf dem vermeintlichen Weg zu den Antworten vieles zwischen den Zeilen und setzt bei ihrer Inszenierung der modernen Ödipus-Variation auf einen auffallend nüchternen, unterkühlten Stil. Auf stimmungsfördernde Filmmusik verzichtet sie dabei gleich komplett – ertönt überhaupt einmal Musik, und das ist selten genug, hören sie immer die Figuren (beispielsweise, als Andrea das Autoradio aufdreht). Manchmal steht die Kamera einfach unbewegt im Raum, ehe sich dieser mit Leben füllt (oder auch leer bleibt). Als Zuschauer nehmen wir die distanzierte Perspektive eines stillen Beobachters ein – bisweilen aber auch die eines Voyeurs.

    Knisternde Erotik

    Von Beginn an durchzieht Petkovas präzise fotografierten, durch das aufgeräumte Setting auch oft steril wirkenden Film eine zunächst subtile, später dann ganz offene Erotik: BHs scheint Andrea nichts abgewinnen zu können, fast in jeder Sequenz schimmern die Konturen ihrer Brustwarzen durch die dünnen Oberteile oder den Badeanzug – und wenn die neue Frau in Philipps Leben genüsslich an einer Erdbeere knabbert oder der verunsicherten Putzhilfe Nadya behutsam den verletzten Finger verarztet, lässt sich das Knistern förmlich mit Händen greifen. Ähnlich wie in Francois Ozons Psychothriller „Swimming Pool“, in dem die junge Julie (Ludivine Sagnier) sich spärlich bekleidet am Pool eines französischen Ferienhauses räkelt und mit ihrer aufreizenden Art das Interesse der nach Inspiration suchenden Kriminalautorin Sarah Morton (Charlotte Rampling) weckt, wickelt hier Andrea –die titelgebende Frau, die auf dem Rücken schwimmt – den anfangs so skeptischen Martin um den Finger.

    Was die undurchsichtige Femme Fatale antreibt, wo sie herkommt und wo sie hinwill, lässt Petkova allerdings offen: Über ihre Vergangenheit verliert die Heilerziehungspflegerin, die ihre spielerisch geprägte Arbeit mit behinderten jungen Menschen warmherzig und einfühlsam angeht, kein einziges Wort – selbst dann nicht, als sie bei einem gemeinsamen Dinner mit Philipp und Martin direkt darauf angesprochen wird. So bleibt Andrea für uns stets ein Mysterium, was sich lange Zeit sehr reizvoll gestaltet: Ist sie hinter Philipps Geld her, sucht sie ein Abenteuer oder einfach nur nach sich selbst? Als sich die Eskalation der Situation nach einer knappen Stunde erstmalig ankündigt und durch einen Wanderausflug in die Sächsische Schweiz, an dem auch Martins ahnungsloser Kumpel Jens (Márton Nagy) teilnimmt, etwas Bewegung ins Figurenensemble kommt, kommen wir der Antwort auf diese Fragen scheinbar näher – nur um nach der Rückkehr wieder genauso in der Luft zu hängen, wie wir es eigentlich den ganzen Film über tun.

    Andrea, die Frau, die auf dem Rücken schwimmt.

    „Spielst du öfters Schach?“, fragt Jens. Und Andrea antwortet: „Ja, und ich gewinne immer.“ Am Ende stellt sich aber nicht nur die Frage, welches Spiel Andrea spielt und wo sie mit ihrem Leben hinwill, sondern auch die, wo eigentlich Petkova mit ihrem symbolisch aufgeladenen Film hinausmöchte: Der bedeutungsschwangere Titel „Ein Fisch, der auf dem Rücken schwimmt“ (er erklärt sich aus der Performance einer gehandicapten jungen Frau) bleibt seinen tieferen Sinn genauso schuldig wie Philipps zelebrierte Samuraikunst oder Andreas irritierendes Auf-dem-Bauch-Robben, als sie beim Lesen auf der Couch die Lust an einem Roman verliert. Empathie können wir noch am leichtesten für den eifersüchtigen Martin aufbringen, den die reifere Andrea am ausgestreckten Arm verhungern lässt – und so ist die bittere Schlusspointe des Dramas zwar durchaus wirkungsvoll, aber nicht wirklich überraschend.

    Fazit: Ein nüchtern inszeniertes Drama mit Erotik-Thriller-Elementen, das reizvoll beginnt und auch lange Zeit fasziniert. Auf der Zielgeraden liefert der Film dann aber doch nicht und lässt dabei trotz eines tragischen Twists auch überraschend kalt.

    Wir haben „Ein Fisch, der auf dem Rücken schwimmt“ im Rahmen der Berlinale gesehen, wo er in der Sektion „Perspektive Deutsches Kino“ gezeigt wurde.

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