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    Der Räuber Hotzenplotz
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Der Räuber Hotzenplotz

    So geht Otfried Preußler richtig

    Von Christoph Petersen

    Schon nach der allerersten Szene, wenn die Großmutter mit ihrer musikalischen Kaffeemühle im Garten sitzt, während der Räuber Hotzenplotz durch ein Astloch im Gartenzaun späht, kann man sich als Fan der zwischen 1962 und 1973 erschienenen „Der Räuber Hotzenplotz“-Bücher von Otfried Preußler direkt beruhigt zurücklehnen. Denn während die vorangegangene Verfilmung von 2006, in der noch Armin Rohde in die ikonische Titelrolle schlüpfte, trotz einer strengen Werktreue insgesamt eher albern und billig wirkte, spürt man hier sofort, wie viel Liebe im neuen „Der Räuber Hotzenplotz“ von Regisseur Michael Krummenacher steckt: Von der perfekt-pittoresken Ausstattung über den kindertauglichen, aber nicht anbiedernd-albernden Vibe bis hin zu den herausragenden Schauspielleistungen …

    … da kriegen Kenner*innen des Stoffes sofort mächtig Lust auf Knallpilze, Kartoffelschälen und den mit einer untrüglichen Spürnase ausgestatteten Krokodil-Dackel Waldi. Es ist ein ganz famoser erster Eindruck, der auch in den folgenden eineinhalb Stunden – abgesehen von einer Handvoll fragwürdiger Computereffekte – kaum geschmälert wird.

    Zwei auf ganz verschiedene Weise herausragende Bösewicht-Performances: Nicholas Ofczarek als Räuber Hotzenplotz und August Diehl als Petrosilius Zwackelmann.

    Nachdem der Räuber Hotzenplotz (Nicholas Ofczarek) der Großmutter (Hedi Kriegeskotte) ihre heißgeliebte Kaffeemühle gestohlen hat, wird zwar Alois Dimpfelmoser (Olli Dietrich) auf den Fall angesetzt, aber dem Oberwachtmeister gelingt es einfach nicht, die im Wald versteckte Höhle des Gesetzesbrechers ausfindig zu machen. Deshalb nehmen Kasperl (Hans Marquardt) und Seppel (Benedikt Jenke) die Sache selbst in die Hand und stellen dem Räuber eine Falle, indem sie eine mit „Achtung kein Gold“ beschriftete Kiste mit weißem Sand füllen, der dann langsam herausrieselt und so den Weg zum Räuberversteck offenbaren soll.

    Aber der Plan geht nach hinten los – und so landet Seppel als Gefangener in der Höhle von Hotzenplotz, während Kasperl als Hausdiener an den großen Zauberer Petrosilius Zwackelmann (August Diehl) verkauft wird. In dessen Schloss muss Kasperl nun von morgens bis abends bergeweise Kartoffeln schälen, um den nicht endend wollenden Hunger des Zauberers auf Bratkartoffeln, Kartoffelknödel und Kartoffelbrei zu stillen. Aber es besteht noch Hoffnung: Denn zum einen könnte die wahrsagende Witwe Schlotterbeck (Christiane Paul) die Ermittlungen womöglich mit ihrer Kristallkugel unterstützen – und zum anderen schlummert in den Katakomben von Zwackelmanns Schloss ein mächtiges Geheimnis, das Kasperl bei der Flucht sicherlich behilflich sein könnte…

    Zeitlos, zeitloser, Ottfried Preußler

    Die Kinderbücher von Ottfried Preußler sind im besten Sinne zeitlos – und so überrascht es kaum, dass „Die kleine Hexe“ mit Karoline Herfurth 2018 fast 1,7 Millionen Besucher*innen in die deutschen Kinos locken konnte. Hinter „Der Räuber Hotzenplotz“ steht mit Drehbuchautor Matthias Pacht sowie dem Produktions-Duo Jakob Claussen und Uli Putz nun weitestgehend dasselbe Team. Regisseur Michael Krummenacher („Sibylle“) ist hingegen neu dazugestoßen – und erweist sich als großes Plus: Nicht nur sind die bekannten Elemente aus den drei Bänden sowie dem Theaterstück „Der Räuber Hotzenplotz und die Mondrakete“ stimmungsvoll umgesetzt, Krummenacher gewinnt dem Stoff mit Hilfe seiner Schauspieler*innen auch spannende neue Facetten ab, ohne deshalb gleich irgendwelche halbgaren Zeitgeist-Anspielungen bemühen zu müssen.

    Vor allem Nicholas Ofczarek („Der Pass“) brilliert in der Titelrolle: Zum einen liefert er uns einen ganz famos-garstigen Hotzenplotz, wie wir es erwarten – und trotzdem lässt er da zugleich immer auch eine gewisse Melancholie durch den strubbeligen Bart hindurchscheinen, die der ikonischen Figur noch einmal eine zweite Ebene verleiht. Hier wird ganz sicher (und zum Glück) nichts zu Tode psychologisiert, aber der Titelbösewicht erreicht trotzdem ein ganz anderes Level (an Intensität) als noch 2005, als Armin Rohde für den nächsten Gag ständig irgendwelche Hügel heruntergekullert ist. Auch die Kombination der Kinderdarsteller ist spannend: Hans Marquardt verkörpert den Kasperl mit großer Lebendigkeit und Wachheit – ein guter, aber „typischer“ Kinderstar. Benedikt Jenke spielt dagegen mit einer solch herzerwärmenden Wehmütigkeit, dass man ihn am liebsten die ganze Zeit mit Haferschleim füttern würde. Die beiden grundverschiedenen Stile ergänzen sich vorzüglich.

    Kasperl (Hans Marquardt) und Seppel (Benedikt Jenke) wollen der Großmutter (Hedi Kriegeskotte) unbedingt ihre geliebte Kaffeemühle zurückbringen.

    Einfach nur richtig viel Spaß mit seinem spitzen Hut und den schiefen Zähnen hat hingegen August Diehl („23 – Nichts ist so wie es scheint“), der dem Affen als böser Zauberer mit Kartoffelfetisch gnadenlos Zucker gibt. Aber während es richtig gut aussieht, wie er auf seinem Zaubermantel zu einem Kollegen nach Buxtehude fliegt, sammelt er mit seinem Schloss die einzigen kleineren Abzüge in der CGI-B-Note: Die erste Kamerafahrt vorbei an allerlei herumschwebenden Gegenständen wirkt zu angestrengt wie „Harry Potter light“ – und die überall an den Wänden aufpoppenden Überwachungspupillen sind ebenfalls eher lieblos geraten.

    Nachdem der versehentlich in ein Krokodil verwandelte Dackel Waldi 2005 noch zu den größten Enttäuschungen zählte und als CGI-Kreatur auf TV-Film-Niveau einfach nur billig aussah, setzen die Macher*innen diesmal auf ein handgemachtes Modell, um dessen Limitierungen sie ziemlich geschickt herumschneiden. Das wirkt im Film kein bisschen angestaubt, weckt zugleich aber wohlige Erinnerungen an die allererste Adaption des Stoffes – nämlich die Marionetten-Verfilmung der Augsburger Puppenkiste aus dem Jahr 1966.

    Fazit: Ein verdammt guter Kinderfilm mit gleich drei herausragenden Performances (Nicholas Ofczarek als Hotzenplotz, August Diehl als Zwackelmann, Hedi Kriegeskotte als Großmutter) sowie einer Kaffeemühlen-Melodie, die man nach dem Kinobesuch lange nicht mehr aus dem Kopf bekommt. Kein Wunder, dass Komponist Niki Reiser für diesen Ohrwurm mit dem Deutschen Filmmusikpreis ausgezeichnet wurde.

     

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