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    Songbird
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Songbird

    Die Welt nach 4 Jahren Covid - à la Michael Bay

    Von Michael Meyns

    Noch haben wir die Corona-Pandemie nicht hinter uns; die Frage, wie Filme wohl nach Corona aussehen werden, ist also bisher nur eine theoretische. Manche Filmemacher lassen sich aber auch jetzt schon nicht von den Kontaktbeschränkungen und weiteren Maßnahmen deprimieren, sondern inspirieren – und bauen die Corona-Gegenwart einfach spontan in ihre Filme ein. So auch Adam Mason („Broken - Keiner kann dich retten“), dessen Ensemble-Thriller-Drama „Songbird“ als erster Film gilt, der in Los Angeles nach dem ersten harten Lockdown gedreht wurde.

    Mit einer Drehzeit von kaum mehr als zwei Wochen wirkt die einige Jahre in der Zukunft angesiedelte Geschichte, in der eine extremere Form des Corona-Virus in den USA nicht nur Hunderttausende, sondern viele Millionen Menschenleben geopfert hat, fast zwangsläufig ein wenig krude. Und auch wenn Blockbuster-Experte Michael Bay („Armageddon“, „Transformers“) als Produzent beteiligt war, sollte man sich – auch aufgrund der schwierigen Bedingungen – besser keine allzu spektakulären Bilder von „Songbird“ erwarten. Stattdessen gibt es ein paar nette Einfälle, wenn die Pandemie auf konsequente (und dabei sicherlich auch reißerische) Weise weitergedacht wird. Viele davon gehen dann jedoch auch schnell wieder in einer allzu vorhersehbaren Handlung verloren.

    Niko gehört zu der verschwinden geringen Grupper der Immunen - und darf sich deshalb frei durch die menschenleeren Straßen von L.A. bewegen...

    Los Angeles, 2024. Das Virus ist mutiert, inzwischen wütet Covid-23 und erreicht eine Sterblichkeitsrate von mehr als 50 Prozent. Eine komplette Ausgangssperre lähmt die Metropole, jeden Morgen wird per Handy-App die Temperatur jedes Bewohners gemessen: Wer Zeichen einer Infizierung zeigt, wird abgeholt und zur Quarantäne in ein Lager gesperrt, aus dem noch niemand entkommen ist. Allein die wenigen Immunen, die zur Erkennung ein gelbes Armband tragen, dürfen sich frei bewegen. Unter ihnen ist Nico („Riverdale“-Fanliebling K.J. Apa), der als Fahrradkurier sein Geld verdient und vor allem die reichen und schönen mit allem Nötigen versorgt.

    Auch beim zwielichtigen Ehepaar Piper und William Griffin (Demi Moore, Bradley Whitford) taucht er regelmäßig auf und ahnt nicht, dass das Paar gefälschte Armbänder vertickt. Nicos intensivster menschlichster Kontakt ist eine virtuelle Beziehung mit Sara (Sofia Carson), die er bislang aber nur per Chat-App und durch die geschlossene Tür ihres Appartements getroffen hat. Als Saras womöglich infizierte, in derselben Wohnung lebende Großmutter von den Sicherheitskräften abgeholt wird, gerät auch Sara selbst in Gefahr. Nico versucht alles, um sie zu retten und mit ihr gemeinsam aus der Stadt zu fliehen…

    Es ist immer klar, was als nächstes passiert

    Man muss kein Genie sein, um zu erahnen, wie sich jeder einzelne der ineinander verwobenen Handlungsstränge von entwickelt wird – und diese umfassende Vorhersehbarkeit ist auch das größte Manko von „Songbird“. Vom finsteren Regierungsagenten Emmett Harland (Peter Stormare), der Nico falsche Versprechen macht, über die Vloggerin May (Alexandra Daddario), die von William für eine Affäre ausgenutzt wird, bis zum gutmütigen, im Rollstuhl sitzenden Ex-Militär Dozer (Paul Walter Hauser), der May mit seiner Drohne zur Hilfe eilt – all diese Figuren sind bis zur Schmerzgrenze schematisch. Vor allem in der Zeichnung von Dozer darf man zudem auch getrost den Einfluss von Militär-Superfan Michael Bay vermuten – zugleich ist er es aber auch, der mit seinem Einfluss für eine derart illustre Darstellerriege gesorgt hat.

    Gecastet wurde via Zoom, gedreht mit winzigem Team. Abstandhalten war für die Darsteller zumindest während der Szenen ohnehin kaum nötig, weil meist nur einer von ihnen auf einmal zu sehen ist. Die während der Dreharbeiten menschenleeren Straßen Los Angeles sorgten für „schöne“ postapokalyptische Bilder der vermeintlich ausgestorbenen Stadt, wie man sie aus Filmen wie „28 Days Later“ oder „Vanilla Sky“ kennt. Besonders überzeugend (und verstörend) ist „Songbird“ jedoch immer dann, wenn die aktuelle Pandemie weitergedacht wird…

    Piper (Demi Moore) muss auch in der Pandemie irgendwie ihren Reichtum absichern - und vermittelt deshalb gefälsche Immunitäts-Armbänder an extrem wohlhabende Kunden.

    Jedes Appartement und jedes Haus ist im Jahr 2024 mit einer UV-Luftschleuse versehen, die es ermöglicht, Lieferungen kontaktlos abzugeben. Dass der Infektionsstatus der Bewohner via ausgefeilter Corona-App überwacht wird, mutet dabei ebenso denkbar an wie die Quarantäneviertel mit den zwangseingewiesenen Verdachtsfällen, bei denen man unweigerlich an die Auffanglager an der amerikanischen Grenze zu Mexiko denken muss, in denen Migranten willkürlich und entrechtet eingesperrt werden. Dass die Immunitäts-Armbänder, das Symbol der Freiheit in dieser Welt, ausgerechnet gelb sind, könnte man fast als ironischen Kommentar betrachten, wenn diese Anspielung an die Schrecken des Dritten Reichs tatsächlich zu Ende gedacht wäre …

    … aber zu Ende gedacht ist hier – vielleicht auch aufgrund der Zeitknappheit bei der Produktion – leider nichts. In überzeugenden dystopischen Filmen sind es gerade solche Kleinigkeiten, in denen die Realität pointiert weitergedacht wird, die die Zukunftsvision erschreckend echt wirken lassen. Solche Qualität erreicht „Songbird“ trotz manch guter Einfälle allerdings nie. Dafür beschränkt sich Adam Mason auf allzu schlichte Weise darauf, altbekannte B-Movie-Motive zu bedienen – und die sind oft derart ausgelutscht, dass sich quasi jede Wendung meilenweit vorhersagen lässt, obwohl wir doch alle gerade zum ersten Mal in einer solchen Pandemie-Situation stecken.

    Fazit: „Songbird“ mag der erste Hollywoodfilm sein, der aus der aktuellen Covid-Pandemie hervorgegangen ist. Aber er ist bestimmt nicht der letzte und hoffentlich auch nicht der beste, denn da ist noch eine große Menge Luft nach oben…

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