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    After Forever
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,5
    enttäuschend
    After Forever

    Liebe in Zeiten der Backstory

    Von Kamil Moll

    Die meisten Künstler*innen lesen wahrscheinlich nicht die Fan-Fiction ihrer Bewunderer*innen. Aber Harry Styles, der momentane Posterboy eines genderfluiden Popmusik-Mainstreams, hat von Anna Todds „After“-Büchern und ihren Verfilmungen sicherlich schon gehört. 2013 begann die Autorin eine Geschichte um das One-Direction-Mitglied, die schnell zu einer der prägendsten Teenager-Storys des letzten Jahrzehnts avancierte: Tessa (Josephine Langford) und Hardin (Hero Fiennes Tiffin), die Comic-Strip-artige Bad-Boy-Version von Harry Styles, sind zwei Literaturstudierende, die sich im College kennenlernen und eine Beziehung beginnen und dabei im Wechselspiel von einvernehmlicher Zuneigung und toxischer Eigendynamik eine Art popkulturelle Gesamtschau jugendlicher Liebe im 21. Jahrhundert bieten.

    Bis heute gut zwei Milliarden Mal auf der Social-Reading-Plattform Wattpad gelesen, sind die „After“-Romane längst eine neue Form von bedarfsgerecht optimierten Texten: Literatur als Datenmaterial, das sich ständig den Wünschen und Bedürfnissen der fortlaufend kommentierenden jungen Leser*innen anpasst. Auf diese Weise sind die Schmöker so ausladend und weitschweifig geraten (Anna Todd verfasste die ersten drei Bände, indem sie über Monate jeden Tag ein weiteres Kapitel in der Wattpad-App schrieb und postete), dass eine Filmversion erst gar nicht unter Druck geraten konnte, eine adäquate Adaption liefern zu müssen – von vorherein war klar, dass die Filme nur ausgewählte Teil der Romane aufgreifen könnten.

    Tessa (Josephine Langford) und Hardin (Hero Fiennes Tiffin) trennen und versöhnen sich weiter im Minutentakt…

    Für die Verfilmungen erwies sich dies teilweise als Glücksfall. Denn als eher freiere Bearbeitungen unterscheiden sich die ersten drei Filme der Reihe in Tonfall wie Art der Inszenierung erstaunlich stark voneinander, lassen gar unterschiedliche Regie- und Drehbuch-Sensibilitäten erkennen. „After Passion“, der erste, von Jenny Gage gedrehte Film, wurde 2019 für seine aberwitzig zurückgenommene Darstellung von Sexualität (die dem Jugendfilm eine belachte FSK-0-Freigabe bescherte) kritisiert, erweist sich aber im Rückblick als der visuell interessanteste „After“-Film: Ein glühend zärtliches Schwelgen und Versenken in Blicken und unausgesprochenen Begierden, ein Film, der stehenzubleiben scheint, wenn sich zwei Teenager über Jane Austens „Stolz und Vorurteil“ unterhalten und dabei langsam in den Figuren des Romans wiedererkennen.

    In „After Truth“ erzählte Roger Kumble, als Regisseur des großartigen „Eiskalte Engel“ erprobt in nuancierten und lustvollen Teenager-Soap-Operas, die Geschichte weiter als ironische Sexkomödie, als Wechselspiel von Jugendlichen, die sich den Erwartungen von Familie, Universitäts- und Arbeitsleben nie ganz und erst recht noch nicht final stellen müssen. Auf diesen bei weitem eigenständigste Teil der Reihe folgte zuletzt mit „After Love“ (Regie: Castille Landon) eine Fortsetzung, die sich auf die Gefühle und Erfahrungen von Teenagern kaum noch einlassen wollte: Als Hardin von seinem wahren Vater, Chef des Verlages, in dem Tessa arbeitet, erfuhr, schlitterte er, gerade mal 18-jährig, in eine Identitäts- und Sinnkrise, welche die meisten noch mit Mitte 30 nicht ereilt. Die Beziehung zu Tessa wurde dabei zum bloßen Mittel der Vergangenheitsbewältigung.

    Beziehungspause folgt auf Beziehungspause

    Da „After Forever“ bereits 2020 direkt im Anschluss an seinen Vorgänger (wieder unter der Regie von Castille Landon) gedreht wurde, war zu befürchten, dass der Film genauso weitermachen würde – und so kommt es nun leider auch: Auf der Hochzeit seiner Mutter konfrontiert Hardin seine beiden Väter mit ihren Lügen und hinterlässt zunächst zwischenmenschlich verbrannte Erde, bevor er wütend auch die Wohnung seiner Mutter anzündet. Als er bei Freunden untertauchen will, kommt es zum Streit mit Tessa – Hardin, immerhin ja ewiger Literatur-Student, zitiert zum Abschied Ernest Hemingway: „Wenn sich zwei Menschen lieben, kann es kein Happy End geben.“ Damit kommt es zwischen den beiden zu einer Beziehungspause, welcher im Film noch einige weitere folgen werden.

    Längst erzählt die Reihe die Anziehungskräfte zwischen zwei Teenagern nur noch als therapiebedürftige Familiengeschichte mit weit zurückreichendem Atem: Es ist viel passiert. Das macht „After Forever“ schnell zu einem reizlosen und reichlich behäbigen Beziehungsdrama, das sich mit immer wieder neu aufgerollten und stückchenweise enthüllten Backstorys durchschleppt. Zu nachfühlbaren dramatischen Konsequenzen führt das aber nicht. Wenn sich Hardin im Schicksal von Tessas alkoholkrankem Vater wiedererkennt, heißt das für den Film im Wesentlichen: Spielte Hero Fiennes Tiffin seine Figur bis dahin eher blass, aber wenigstens mit niedlich angedeutetem Böse-Jungen-Flair, so agiert er nun blass und tränenverhangen.

    Hero Fiennes Tiffin büßt immer mehr von seinem Bad-Boy-Charme ein, seitdem er immer trauriger und kaputter spielen muss.

    Wie schon sein Vorgänger ist „After Forever“ überdies ein eigenartig ortloser Film, obwohl die Figuren immer wieder in andere Städte aufbrechen, um Veränderungen in ihrem Leben heraufzubeschwören: Das bulgarische Sofia als einziger Drehort muss diesmal als kaum unterscheidbarer Ersatz für London, Seattle, New York und den Bundesstaat Washington herhalten – erkennbar sind die Kulissenhintergründe aber weitestgehend sowieso nur als kostengünstigere Alternative zu Greenscreens.

    Fazit: „After Forever“ endet offen mit dem Versprechen auf eine Fortsetzung – damit dürfte die „After“-Reihe aber auch endgültig zu einem weiteren anschwellenden Franchise verkommen, dem das eigentliche dramatische und emotionale Zentrum längst abhandengekommen ist. Wie es mit Tessa und Hardin wirklich weitergehen wird? Wenn sich zwei Menschen lieben, kann es kein Happy End geben, sondern nur ein sich ewig wiederholendes Zurück auf Anfang…

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