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    Der Liebhaber meines Mannes
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Der Liebhaber meines Mannes

    Ein Starvehikel mit Sand im Getriebe

    Von Christoph Petersen

    In Olivia Wildes Mystery-Thriller „Don’t Worry Darling“ hat Harry Styles fünf Jahre nach seinem Debüt in Christopher Nolans „Dunkirk“ gerade seine erste Co-Hauptrolle verkörpert. Genannt wurde er dort aber erst hinter Florence Pugh, selbst wenn er für seinen deutlich kleineren Part offenbar ein Vielfaches an Gage erhielt. In dem exklusiv bei Amazon Prime Video erscheinenden „Der Liebhaber meines Mannes“ ist der Name „Harry Styles“ nun allerdings der einzige, der zu Beginn des Films noch vor dem Titel eingeblendet wird. Theaterregisseur Michael Grandage verlässt sich bei seinem dritten Spielfilm voll und ganz auf die Strahlkraft seines Hauptdarstellers, dessen nackten, geschmackvoll in einem Hotelzimmer in Venedig drapierten Hintern er gar mit Vivaldis Gottes Herrlichkeit preisendem Gloria auf der Tonspur unterlegt.

    Aber solche mit der Ikonografie des Boygroup-Superstars spielenden Momente, die schon auch ganz schön komisch sind, selbst wenn Grandage sie offensichtlich nicht so gemeint hat, bleiben seltene Höhepunkte in einem nur auf dem Papier hochdramatischen und tieftragischen Melodrama. Ansonsten ist die vier Jahrzehnte umspannende Schilderung eines folgenschweren Liebesdreiecks zwischen einer Frau, ihrem Ehemann und dessen Liebhaber derart betont-geschmackvoll und gediegen-historisierend, dass die ach so leidenschaftlichen und verzweifelten Gefühle nur noch in einer stark gedämpften Version beim Publikum ankommen. Man bekommt fast den Eindruck, dass es hier vor allem darum geht, die ansonsten wild draufloskreischenden Styles-Fans endlich mal zur Ruhe zu bringen.

    Das in den 1950er begründete Liebesdreieck …

    Als Polizist Tom (Harry Styles) ihr anbietet, ihr das Schwimmen beizubringen, ist es um die junge Lehrerin Marion (Emma Corrin) geschehen. Selbst wenn er mal rülpst und seine Grammatik nicht die beste ist, hält sie ihn für absolut perfekt – und sowieso scheint sich Tom ja zunehmend für Kunst und Musik zu interessieren, seitdem das Paar immer mehr Zeit mit dem örtlichen Museumskurator Patrick (David Dawson) verbringt. Irgendwann macht Tom ihr sogar einen Heiratsantrag – obwohl er insgeheim längst eine Affäre mit Patrick angefangen hat. Aber ein schwuler Polizist im Brighton der 1950er – das darf natürlich nicht sein.

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    Vierzig Jahr später nimmt Marion (Gina McKee) den durch eine schwere Krankheit gezeichneten und kaum noch des Sprechens fähigen Patrick (Rupert Everett) bei sich im Haus auf. Tom (Linus Roache), mit dem sie immer noch verheiratet ist, weigert sich allerdings konsequent, dem Hausgast zu begegnen. Er ist der Überzeugung, dass Marion den bettlägerigen Patrick nur deshalb vor einem Platz im Heim bewahrt hat, um sich nun an ihm Rächen zu können…

    Viel Sex, wenig Feuer

    Nach einer Menge Lob für seine Nebelrolle als Soldat in „Dunkirk“ musste Harry Styles für seine Leistung in „Don’t Worry Darling“ schon erheblich mehr Kritik einstecken – wobei ich finde, dass seine Performance als Möchtegern-James-Bond schon ziemlich gut passt, zumindest wenn man sie vom finalen Twist her denkt (der an dieser Stelle aber lieber nicht gespoilert werden soll).

    In „Der Liebhaber meines Mannes“ stößt der Sänger nun aber trotz erstaunlich viel Freizügigkeit tatsächlich an seine darstellerischen Grenzen. Das Spiel von Styles, der seine eigene sexuelle Orientierung seit seinem „One Direction“-Durchbruch 2010 konsequent zur Privatsache erklärt hat, aber seit jeher der LGBTQ+-Community auf mehrerlei Ebenen eng verbunden ist, wirkt allzu statisch und hölzern. Die (behauptete) Leidenschaft, die ja immerhin stärker sein muss als Toms Solidarität gegenüber seiner Frau sowie die von der Gesellschaft und der Justiz angedrohten Repressalien, wird deshalb auch allein von David Dawson („Der Anruf“) in die zentrale Beziehung des Films hineingetragen.

    … hat für die Betroffenen selbst 40 Jahre später noch konkrete Auswirkungen.

    Die Inszenierung hilft auch nicht dabei, das auf Sparflamme lodernde Feuer weiter zu entfachen. Wie schon in seinem gefälligen Biopic über den exzentrischen Monumental-Literaten Thomas Wolfe („Genius - Die tausend Seiten einer Freundschaft“) setzt Michael Grandage auch diesmal wieder mehr auf hübsch anzuschauende Sets und Kostüme statt auf eine mitreißende Dramaturgie. Patrick wird im Verlauf des Films, der auf dem gleichnamigen Roman von Bethan Roberts basiert, sich aber auch viele Freiheiten nimmt, gleich zwei Mal brutal zusammengeschlagen – einmal von zwei Cops in einer Gasse und einmal von einem Muskelprotz-Mithäftling in einer Gefängniszelle …

    … und beide Male läuft die gediegene Klaviermusik auf der Tonspur einfach weiter. Das könnte man dem Film, wenn man sehr nett sein will, als bitterbös-bissigen Kommentar auf die gesellschaftliche Normalität von Gewalt gegenüber Schwulen auslegen. Aber da „Der Liebhaber meines Mannes“ auch sonst auf nahezu alle Ecken und Kanten verzichtet, erscheint es eher wahrscheinlich, dass Grandage sein sonntagmorgendliches Matinee-Publikum mit diesen unschönen Gewalteinsprengseln bloß nicht zu sehr verschrecken wollte.

    Fazit: Ein Film wie ein britischer Beruhigungstee – ebenso geschmackvoll wie leidenschaftslos.

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