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    A.I. - Künstliche Intelligenz
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    5,0
    Meisterwerk
    A.I. - Künstliche Intelligenz
    Von Carsten Baumgardt

    Steven Spielbergs märchenhafte Science-Fiction-Parabel „A.I. – Künstliche Intelligenz" ist eine sehenswert-faszinierende Odyssee mit dem Ziel, existenzielle Fragen des Bewusstseins zu stellen. Was macht den Mensch zum Menschen? Reine Intelligenz oder die gleichzeitige Fähigkeit, Gefühle zu empfinden. Das Meisterwerk „A.I." ist eine bildgewaltige wie tiefschürfende Annäherung an die Antworten.

    Er sieht aus wie ein ganz normaler Junge. Doch David (Haley Joel Osment) ist nicht gewöhnlich. Er ist künstlich. Trotzdem ist David einzigartig – der erste Kind-Roboter, der darauf programmiert ist, Liebe zu empfinden in einer Welt nach der großen Klimakatastrophe. Die Polarkappen sind geschmolzen, der Meeresspiegel ist um 100 Meter gestiegen, Städte wie New York und Amsterdam existieren nur noch am Grund des Ozeans. Der Lebensraum ist knapp geworden, deshalb sind Geburten streng reglementiert. Intelligente Roboter, Mechas (von mechanisch), ersetzten teilweise den Menschen, die Orgas (= organisch). Für die Ehepaar Swinton (Sam Robards, Frances O'Connor), dem Schöpfer Dr. Hobby (William Hurt) seinen Prototyp anvertraut hat, soll David die Chance sein, das Trauma um ihren ins Koma gefallenen Sohn Martin (Jake Thomas) zu überwinden. Aber einmal geprägt, ist die Verbindung von David zu seiner neuen Mutter nicht rückgängig zu machen. Als Martin überraschend ins Leben zurückkehrt, gibt es Probleme. David ist praktisch überflüssig geworden und Martin furchtbar eifersüchtig auf seinen „Bruder". Er provoziert seine Ausstoßung, Mutter Monica setzt das Roboter-Kind schlechten Gewissens im Wald aus. Unfähig, die Zusammenhänge zu erkennen, hat David fortan nur noch ein Ziel: Er will ein echter Junge werden, um die Liebe seiner Mutter zurückzugewinnen. An der Seite des unter Mordverdacht stehenden Sex-Roboters Gigolo Joe (Jude Law) und Supertoy Teddy führt ihn seine Odyssee bis ans Ende der Menschheit...

    Ihren Ursprung nahm das „A.I."-Projekt bereits Anfang der 80er Jahre als Regie-Genie Stanley Kubrick ("2001 - Odyssee im Weltraum", "A Clockwork Orange", "The Shining", "Full Metal Jacket", "Eyes Wide Shut") sich für die Umsetzung von Brian Aldiss' 1969 veröffentlichter Kurzgeschichte „Supertoys Last All Summer Long" interessierte. Doch der exzentrische Perfektionist verschob den Film stetig, weil die technischen Möglichkeiten seiner Meinung nach noch nicht ausgereift waren, seine Visionen umzusetzen. Bevor Kubrick 1999 (7.3.) im Alter von 73 Jahren starb, hinterließ er seinem Freund Steven Spielberg das Projekt, das er auf Wunsch seines Mentors quasi als Vermächtnis ins Kino bringen sollte. Inspiriert von Kubricks 80-seitigem Treatment und zahlreichen Storyboards schrieb Spielberg erstmals seit „Unheimliche Begegnung der dritten Art" (1977) selbst ein Drehbuch. So wirkt „A.I." auch wie eine Kreuzung der Kreativitäten der beiden Filmemacher, die in ihrer Genialität unterschiedlicher nicht sein könnten. Kubricks kühle, analytische Sichtweise prallt ungebremst auf Spielbergs träumerische Melancholie, die zuweilen in kindliche Naivität umschlägt.

    Der Film ist in drei klare Teile gegliedert, wobei der erste Akt mit der Einführung der Kind-Roboters in die Familie und der dritte, märchenhafte, indem David seine Bestimmung jenseits der Menschheit sucht, deutlich die Handschrift von Spielberg trägt, während der komplette von „Blade Runner" inspirierte Mittelteil im verruchten Rouge City unverkennbar Spielbergs Verbeugung an den großen Altmeister ist. Trotzdem verschmelzen beide Stile zu einem homogenen Ganzen voller bildgewaltiger Symbolik, die von Kameramann Janusz Kaminski in fantastische Bilder gebannt wird. „A.I." nimmt den Zuschauer mit auf eine faszinierende Reise zum Ursprung der Menschheit und endet in der fernen Zukunft, in der organische Kreaturen nur noch in der Erinnerung bestehen. Dass „A.I." als filmische Parabel perfekt funktioniert, ist nicht zuletzt dem außergewöhnlichen Talent Haley Joel Osments („The Sixth Sense") zu verdanken. Auf seinen schmalen Schultern ruht die Last, einen dramatischen Big-Budget-Film zu stemmen. Nuancenreich macht der 13-jährige Jungstar die langsame Wandlung Davids emotional spürbar. Ohne ihn hätte Spielberg den Film nicht gedreht – er wird wissen warum. Schließlich ist „A.I." sein bisher ambitioniertestes Projekt (trotz „Schindlers Liste", „Saving Private Ryan", „Im Reich der Sonne" oder „Amistad"). Stanley Kubrick hätte Spielbergs Version SEINER Vision gemocht – auch, wenn „A.I." unter dem gebürtigen New Yorker Meisterregisseur sicherlich düsterer, pessimistischer ausgefallen wäre.

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