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    Falling For Christmas
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,5
    enttäuschend
    Falling For Christmas

    Ein (un)dankbares Comeback für Lindsay Lohan

    Von Sidney Schering

    Es ist offenbar an der Zeit für Comebacks der Popkultur-Idole aus den 1990er- und frühen 2000er-Jahren. Pop-Ikone Britney Spears etwa genießt nach Jahren des medialen Hohns eine Welle der Fanliebe und erkämpft sich mit Unterstützung der „#FreeBritney“-Kampagne ihre Selbstbestimmtheit zurück. „Die Mumie“-Star Brendan Fraser, der jahrelang nur wenig beachtete TV-Arbeit leistete, wird wiederum für seine Performance in „The Whale“ lautstark gefeiert. Manche Stimmen sehen für ihn im kommenden Rennen um den Hauptdarsteller-Oscar sogar reele Chancen.

    Auch Lindsay Lohan arbeitet an einem Comeback: Das frühere Werbemodel wurde durch Disney-Familienkomödien wie „Ein Zwilling kommt selten allein“ zum Schauspielstar, begann in den mittleren 2000er-Jahren zudem eine Pop-Karriere und erlebte danach einen langen, harschen Absturz. Und zwar privat sowie karrieretechnisch, unter anderem dank mies ausgewählten Projekten wie dem Psycho-Thriller „Ich weiß, wer mich getötet hat“. Nun soll also die Lohaissance beginnen – und zwar mit einer auf mehrere Filme ausgelegten Netflix-Kooperation, die nun mit der weihnachtlichen Liebeskomödie „Falling For Christmas“ startet. Die hat allerdings den austauschbaren Charme einer Supermarkt-Weihnachtskarte.

    In der Welt der Grußkarten-Weihnachtsfilme gibt es kein Problem, dass nicht durch eine farbenfrohe Festtagsdekoration gelöst werden könnte.

    Die frisch verlobte und schwer verwöhnte Hotelerbin Sierra Belmont (Lindsay Lohan) verliert bei einem Skiunfall in der Adventszeit das Gedächtnis. Zu ihrem Glück nimmt der hart arbeitende Pensionsbesitzer Jake (Chord Overstreet) sie in seine Obhut. Während Sierra in Jakes Ski-Lodge allmählich zu sich findet und Bande mit seiner Tochter Avy (Olivia Perez) knüpft, drängt sich die Frage auf: Will sie überhaupt in ihr altes Leben und zu ihrem Verlobten Tad (George Young) zurück, oder ist sie nicht bei Jake sowieso sehr viel besser aufgehoben?

    Seit einigen Jahren tut es Netflix dem einer Grußkartenfirma gehörenden Bezahlsender Hallmark Channel gleich und veröffentlicht in den abschließenden Kalendermonaten einen regelrechten Schneesturm an immergleichen Weihnachtsfilmen: Eine sehr seichte Handlung, die etwas Slapstick und einen romantischen roten Faden umfasst. Sowie kitschiges Familienglück und viel, viel Sentimentalität darüber, wie berührend und Gemeinschaftssinn stiftend die Feiertage doch sind. All das wird so erzählt, dass sich die Filme möglichst auch als Hintergrundberieselung während der Festtagsvorbereitungen eignen.

    Zum mal kurz hinschauen, während man Kekse backt

    Wendemomente werden wahlweise breitgetreten oder aber wiederholt nacherzählt, so dass man der (eh vorhersehbaren) Handlung selbst dann folgen kann, wenn man vorübergehend damit beschäftigt war, Plätzchenteig zu naschen. Mehr Schwerpunkt als auf die Geschichte wird auf den weihnachtlichen Soundtrack gelegt, sowie auf die Wintergefühle weckenden Aufnahmen verschneiter Dörfer. Dazu gibt‘s Unmengen an hübscher Weihnachtsdekoration – bevorzugt in den Farben Rot und Grün, mit gülden funkelnden Akzenten. Genau diesem Selbstanspruch folgt auch „Falling For Christmas“, das Regiedebüt von „Eine Prinzessin zu Weihnachten“-Autorin Janeen Damian.

    Daher ist der als Auftakt für ein Lindsay-Lohan-Comeback gleichermaßen dankbar wie undankbar: Insofern dankbar, als dass sich das Zielpublikum solcher Wohlfühl-Weihnachtsfilme nicht mit gewetztem Tranchiermesser auf die in manchen Szenen arg steife Schauspiel-Rückkehrerin stürzen wird. Insofern undankbar, als dass „Falling For Christmas“ seinem Cast zwischen all der hübschen Weihnachtsdekoration kaum einmal die Bühne gibt, positiv aufzufallen.

    In der Filmfigur von Lindsay Lohan gibt es doch die eine oder andere Parallele zum wahren Leben des (ehemaligen) Hollywoodstars zu entdecken.

    Das von Jeff Bonnett und Ron Oliver („Christmas At The Plaza“) verantwortete Drehbuch ist völlig unterkocht und Damians Regie absolut spröde, sodass Lohan in mehreren Szenen gar nicht anders kann, als unnatürlich zu wirken – und ihre Ko-Stars lassen sie auch wiederholt hängen: Wenn Sierra beispielsweise Jakes Waschmaschine zum Überschäumen bringt, stößt dieser einen milden Ausruf der Enttäuschung über das Chaos aus. Overstreet spielt die Szene stocksteif und zugleich mit der Wut eines frisch geborenen Lammes. Trotzdem ist die Szene als großer Streitmoment geschrieben und inszeniert, weshalb Sierra verletzt aus dem Raum stürmt.

    Lohans abruptes Davonlaufen mit gekränktem Gesichtsausdruck wirkt so maßlos übertrieben und unfreiwillig komisch. Das ist aber nicht das Versagen der Schauspielerin, sondern des ungelenken Skripts, der atonalen Regieführung und Overstreets laschem Spiel. Solche Momente gibt es in „Falling For Christmas“ zuhauf, während Damian es versäumt, wenigstens einen einzigen überzeugenden romantischen Augenblick für ihr zentrales Pärchen zu kreieren, um die Liebesgeschichte mit Leben zu füllen. Die humoristischen Einschübe sind zumeist ähnlich misslungen. Die diversen Slapstick-Szenen sind unbeholfen und der Subplot rund um Tad, der sich an einen Winter-Survival-Experten heftet, besteht aus dem monotonen Ausdehnen eines einzelnen Gags: George Young chargiert schrill, sein bäriger Szenenpartner ist leise grummelnd genervt.

    Wie viel Lindsay steckt in Sierra?

    Dass „Falling For Christmas“ im Schneegestöber an Netflix-Weihnachtsfilmen nach Hallmark-Schema wenigstens mit einen Hauch eigener Couleur auffällt, liegt vor allem an den Parallelen zu Lohans eigener Biographie: Sierra wird als Lifestyle-Diva eingeführt, die einen miesen Karrieretipp nach dem nächsten bekommt. Sie wird deshalb von ihrer Passion fürs Singen genauso abgehalten wie von einem sie erfüllenden Job, weshalb sie sich dann eben notgezwungen in das Dasein als verwöhnte, semi-prominente Reiche einlebt.

    Es benötigt daraufhin Abstand von dieser Schickimicki-Scheinwelt, damit Sierra ihr affektiertes Gehabe ablegt und wieder natürlicher, in sich ruhender agiert. Denn, wie sie später Avy erklärt: Manchmal braucht man nur Geduld, damit sich das Wirrwarr wieder legt. Die volle Ladung an Emotion, die diese metafiktionalen Echos zwischen Sierra und Lindsay mitbringen könnte, kann (und will) sich „Falling For Christmas“ allerdings nicht öffnen, schließlich würde das auch nur vom Keksebacken ablenken.

    Fazit: Netflix-Adventsromantik vom Fließband und eine Schauspielerin, die weder an frühere Glanzmomenten noch an vergangene Katastrophen anknüpft: „Falling For Christmas“ ist eine filmgewordene Weihnachts-Grußkarte mit Aussichten auf ein (späteres) Lindsay-Lohan-Comeback im Kleingedruckten.

     

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