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    Duell - Enemy at the Gates
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Duell - Enemy at the Gates
    Von Jan Görner

    Kurz vor der Jahrtausendwende überraschte Martin Scorsese Publikum und Kritik mit einer Kehrtwende, fort von düsteren US-Milieustudien und hin zu spirituelleren Tönen. Seine Fernost-Reise „Kundun" wurde mit vier Oscar-Nominierungen bedacht und als künstlerischer Befreiungsschlag rezipiert. Das war 1997, während der französische Arthouse-Regisseur Jean-Jacques Annaud mit „Sieben Jahre in Tibet" ebenfalls einen Film über den Dalai Lama realisierte. Vier Jahre tat es Annaud dem katholischen Mafia-Maestro gleich und vollzog einen thematischen Dreher um 180 Grad. Das Meditative war für Annaud mit „Am Anfang war das Feuer" und „Der Bär" bereits zum Markenzeichen geworden und mit „Sieben Jahre in Tibet" zur Vollendung gekommen. Und dann das: „Duell – Enemy at the Gates" zeichnet den Verlauf einer der verheerendsten Schlachten des Zweiten Weltkriegs nach. Von der künstlerischen Integrität und Stilsicherheit des bisherigen Annaud-Oeuvres ist bei seiner Verfilmung von William Craigs „Enemy At The Gates: The Battle for Stalingrad" jedoch nicht mehr viel zu spüren.

    Russland im Herbst 1942 - die Schlacht um Stalingrad ist in vollem Gange. Unter den Tausenden Rotarmisten, die tagtäglich aus dem sowjetischen Hinterland kommen, um das Vaterland vor den „faschistischen Barbaren" zu verteidigen, ist auch der aus dem Ural stammende Hirtenjunge Vassili Zaitsev (Jude Law). Politkommissar Danilov (Joseph Fiennes) erkennt den propagandistischen Mehrwert des talentierten Heckenschützen und stilisiert ihn zum Symbol des nationalen Widerstands gegen die Nazis. Während die Deutschen ihren besten Scharfschützen (Ed Harris) entsenden, um Zaitsev auszuschalten, sorgt die aufkeimende Liebe zwischen Vassili und der jungen Freiwilligen Tania (Rachel Weisz) für Spannungen zwischen Danilov und seinem Schützling...

    „Duell – Enemy at the Gates" sollte keine Hagiographie – die Biographie eines Heiligen - , sondern ein schonungsloser Antikriegsfilm werden. Jean-Jacques Annaud scheitert an dieser Prämisse, weil seine Aufarbeitung einer der verlustreichsten Schlachten des Zweiten Weltkrieges oft die Trennschärfe zu einem unreflektierten Kriegsepos vermissen lässt. Während die Existenz von Vassili Zaitsev belegt ist, gehört dessen titelgebendes Duell mit einem deutschen Scharfschützen wohl eher ins Reich der Kriegslegenden. Vor dem Hintergrund der Schlacht um Stalingrad scheint der Kugeltausch zweier Männer im Sinne einer Antikriegserzählung jedoch kaum eine Bedeutung zu haben. Der Versuch, den Soldaten über ein Liebesdreieck mehr Fallhöhe zu verleihen, ließ im Erscheinungsjahr 2001 auch „Pearl Harbor" havarieren – Annaud und Krawallfürst Michael Bay sind sich mit diesem dramaturgischen Manöver für einen befremdlichen Augenblick ganz nah.

    Erwartungsgemäß ohne Bay'schen CGI-Bombast und inszeniert Annaud bereits die intensive Eröffnungssequenz von „Duell – Enemy at the Gates" – „Der Soldat James Ryan" lässt grüßen. Das für eine deutsche Co-Produktion astronomische Budget von etwa 72 Millionen Dollar hat er gut angelegt, die Spezialeffekte sind auch heute noch sehenswert. Kameramann Robert Fraisse findet albtraumhafte Bilder für die sowjetische Überquerung der Wolga, mitten hinein ins deutsche Sperrfeuer. Wer nicht in den Garben deutscher Maschinengewehre verreckt und stattdessen den Rückzug antritt, wird von den eigenen Offizieren standrechtlich erschossen. Es sind diese Momente, in denen Annauds Antikriegsfilm-Ambitionen spür- und sichtbar werden. Dann wieder schießt der Franzose ins Leere, wenn er suggeriert, das Duell der beiden Heckenschützen würde den Ausgang des Zweiten Weltkrieges bestimmen. Da scheint Krieg auf einmal doch wieder Helden zu kennen.

    Die Authentizität von „Duell – Enemy at the Gates" leidet auch darunter, dass der für seinen feinfühligen Umgang mit Sprache bekannte Annaud auf eine sprachliche Distinktion der Parteien und Figuren verzichtet – und die Geschichte durchweg in schönstem Brit-Englisch ausspielen lässt. Dass hier nicht ein russisches Wort fällt, ist ein bemerkenswerter Malus, über den der im Antikriegsfilm zentrale Aspekt scheiternder Kommunikation zwischen den Konfliktparteien verloren geht. Die Liebesgeschichte derweil krankt an einer schematischen Figurenzeichnung. Tania ist eine stramme Kommunistin, die den Grabenkampf jedem Schreibtischjob vorzieht, der intrigante Politkommissar Danilov dagegen das autoritäre Arschloch vom Dienst. Mit „Duell – Enemy at the Gates" scheitert Annaud als Antikriegsfilmer, weil er zu viele dramaturgische Konventionen bedient und über seine ahistorische Geschichte schlichtweg zu wenig zur Geschichte zu sagen hat – denn für diese Ménage à trois hätte es keine Stalingrad-Bühne gebraucht.

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