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    The Last Manhunt
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    The Last Manhunt

    Romeo und Julia im nicht mehr wilden Westen

    Von Lutz Granert

    Zu Beginn des 20. Jahrhunderts befand sich der Wilde Westen in seinen letzten Zügen. Viele der ehemals raubeinigen Cowboys suchten sich abseits von Farmen attraktivere Jobs in den größeren Städten, welche sie über das inzwischen weitgehend aufgebaute Eisenbahnnetz komfortabel erreichen konnten. In dieser Zeit des Übergangs lebte im heutigen Joshua-Tree-Nationalpark im US-Bundesstaat Kalifornien auch der Paiute-Indianer Willie Boy, der mit seiner minderjährigen entfernten Cousine Carlota (in Quellen ist zuweilen auch von Lolita, Neeta oder Isoleta die Rede) eine Liebesbeziehung einging.

    Ihr Vater, der Medizinmann William Mike, war damit allerdings alles andere als einverstanden. Am 26. September 1909 hielt Willie Boy schließlich bei ihm um die Hand seiner Tochter an – und noch am selben Abend starb William Mike durch einen Schuss durchs linke Auge. Das Liebespaar floh zu Fuß gemeinsam in die Mojavewüste, währen die lokalen Sheriffs sowie zwei Spurensucher des Stammes auf Pferden die Verfolgung aufnahmen. Nach zwei Wochen kam Carlota ebenfalls durch einen Schuss ums Leben. Kurz darauf wurde auch die Leiche von Willie Boy, der den Beinamen „The Desert Runner“ verpasst bekam, in der Wüste gefunden.

    Eine Herzensangelegenheit für Jason Momoa

    Vieles an dieser wahren Begebenheit bleibt jedoch bis heute rätselhaft: Ob Willie Boy wirklich Carlota und ihren Vater tötete und ob es tatsächlich sein Leichnam war, der da zusammen mit seinen Verfolgern für ein (inszeniertes?) Zeitungsfoto abgelichtet wurde, ist bei Historiker*innen umstritten. Wohl auch deshalb weckte der Fall, der bereits 1969 mit Robert Redford („Blutige Spur“) verfilmt wurde, die Aufmerksamkeit von „Aquaman“ Jason Momoa.

    Der Sohn eines (hawaiianischen) Ureinwohners erarbeitete deshalb gemeinsam mit Co-Autor Thomas Pa'a ein Drehbuch für die Independent-Produktion „The Last Manhunt“, in der er anschließend auch selbst eine kleine Rolle als Spurensucher übernahm. Unter der Regie von Christian Camargo („Days And Nights“) fehlt es dem in wunderschönen, fließenden Bildern eingefangenen Westerndrama jedoch spürbar an einem emotionalen Kern.

    Willie Boy (Martin Sensmeier) und Carlotta (Mainei Kinimaka) retten sich - vorläufig - vor ihren Verfolgern in die Wüste.

    September 1909: Willie Boy (Martin Sensmeier) und Carlotta (Mainei Kinimaka) treffen sich heimlich in den Hügeln von Joshua Tree. Das turtelnde Paar fühlt sich wie füreinander geschaffen, doch Carlottas traditionsbewusster Vater William Johnson (Zahn McClarnon) hat für seinen Schwiegersohn in spe nur Verachtung und Schläge übrig. Eines Abends kommt es zu einem Handgemenge, bei dem William erschossen wird. Der verängstigte Willie Boy und Carlotta fliehen in die Mojave-Wüste. Am nächsten Tag nimmt ein Suchtrupp um den rechtschaffenen Sheriff Wilson (Christian Camargo) die Verfolgung auf. Auch der neugierige Zeitungsreporter Randolph Maddison (Mojean Aria) schließt sich ihnen an. Als Carlotta von einer Schlange gebissen wird, ist ihr Leben in ernsthafter Gefahr. Willie Boy begibt sich auf der Suche nach einem Gegengift auf einen Marathon durch die Wüste ...

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    … in der auch weitgehend gedreht wurde: Gerade durch seine zahlreichen Originalschauplätze, seine Besetzung mit realen Ureinwohner*innen (oder ihren Nachkommen) sowie einem bewussten Verzicht auf groß aufgeblasene Schießereien wirkt „The Last Manhunt“ erstaunlich authentisch. Zugleich entlarvt das Western-Drama die alteingesessenen Cowboys und sensationsgierigen Journalisten, die Willie Boy alle möglichen Verbrechen in die Schuhe schieben wollen, als Rassisten. Die unkonventionelle Kameraarbeit ist ebenfalls erfrischend: Deutlich abgeguckt bei Jörg Widmers Fotografie des Spätwerks von Terrence Malick („The Tree Of Life“), verfolgen J.P. Alvarez' Steadicam-Fahrten mit Weitwinkelobjektiven Jäger und Gejagte hautnah durch die karge Wüstenvegetation. Die Kamera umkreist sie – und fängt bei weichen Überblendungen im nächsten Moment wunderschöne Sonnenuntergänge ein. Zu diesem nie versiegenden Bilderstrom passen auch sphärische Gitarren- und Celloklänge als musikalische Untermalung.

    Jason Momoa hat zwar am Drehbuch mitgeschrieben, taucht aber im Film selbst nur für ein paar Szenen auf.

    Doch Atmosphäre allein ist nicht alles: Dramaturgisch regiert hier im Wüstensand nur heiße Luft. Die vielen Dialoge unter den farblos bleibenden Verfolgern handeln von Banalitäten, auch beim Liebespaar fiebert man abseits von Willie Boys (erfolgreicher) Wassersuche nur selten mit. Ihr tragisches Schicksal bleibt auch durch dröge Darbietung von Martin Sensmeier („9 Bullets“) egal, der hier einfach nicht zur Identifikationsfigur taugt. Schauspielerische Akzente vermag dabei auch Jason Momoa nicht zu setzen, der als bärtig-hünenhafter Spurensucher nur in einer Handvoll Szenen auftaucht und zwischenzeitlich komplett aus dem Film verschwindet.

    Die zu simpel geratene Story schleppt sich mühsam über die Zeit, erstorben in schwelgerischen Bildern. Schade, dass auch der Showdown in einer Felsformation durch seine antiklimaktische Inszenierung alles andere als spannend geraten ist. Brüche mit Genre-Konventionen und deren Modernisierung in allen Ehren: Aber Christian Camargo und Jason Momoa gelingt es nicht, die Western-Tradition trotz sichtlich guter Absichten erfolgreich auf links zu drehen und eine alte, tragische Geschichte mitreißend neu zu erzählen.

    Fazit: Die schönen Bilder sind eher einlullend als spannungsfördern – und der oben auf dem Cover abgebildete Jason Momoa taucht auch nur in einer Handvoll Szenen auf.

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