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    Daaaaaali!
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Daaaaaali!

    Da haben sich zwei Surrealismus-Spezis gesucht und gefunden

    Von Christoph Petersen

    Es ist sicher nur ein Zufall: Mit „Dalíland“ läuft eine Biographie über den berühmtesten aller Surrealisten am selben Tag in den deutschen Kinos an, an dem „Daaaaaali!“ seine Weltpremiere bei den Filmfestspielen in Venedig feiert. Während aber „Dalíland“ mit Ben Kingsley als Salvador Dali trotz des Mitwirkens von „American Psycho“-Regisseurin Mary Harron erstaunlich geradlinig ausfällt, ist der ohnehin auf surrealistische Späßchen wie mordende Autoreifen (in „Rubber“) oder überdimensionierte Insekten („Eine Fliege kommt selten allein“) abonnierte Quentin Dupieux für „normal“ natürlich nicht zu haben.

    Und so ist „Daaaaaali!“ dann auch kein Film über einen Salvador Dalí, sondern über gleich sechs Salvador Dalís – einen für jedes „a“ im Titel: Einer ist schon alt und sitzt im Rollstuhl, einer ist ziemlich dick und hat nicht mehr alle Zähne – einige sind irgendwo in der Mitte, wobei die jeweiligen Schauspieler beim Persiflieren des legendären Akzents des egozentrischen Genies unterschiedlich dick auftragen. Manchmal wechselt der Salvador Dalí mitten in der Szene oder es tauchen sogar zwei auf einmal auf.

    Salvador Dalí (Didier Flamand) entgleitet seiner hartnäckigen Interviewerin (Anaïs Demoustier) immer wieder wie ein glitschiger Aal.

    Der nur 77 Minuten kurze „Daaaaaali!“ fühlt sich wie eine Aneinanderreihung von kurzen, von Dalís Werken, Eigenheiten und Widersprüchlichkeiten inspirierten Sketchen an, die nur durch eine gewisse surrealistische Logik sowie eine kaum weniger lose Rahmenhandlung zusammengehalten werden: Eine junge Journalistin (Anaïs Demoustier) wird von ihrem Chef (Romain Duris) beauftragt, ein Interview mit Dalí (u. a. Didier Flamand) für ein Magazin zu führen.

    Aber weil der Meister keinerlei Interesse hat, über sich selbst zu sprechen, wenn er dabei nicht von möglichst überdimensionierten Kameras gefilmt wird, muss das Journalismus-Team einen zunehmend immer größeren Aufwand betreiben, um den Maler zu einem weiteren Anlauf zu überreden. Unterdessen hört Dalí bei einem Abendessen einem Priester zu, der im Traum auf einem Esel reitend von einem Cowboy erschossen wurde – aber die Geschichte will und will einfach nicht enden…

    Der längste Hotelflur der Welt

    Den besten (und längsten) Gag gibt es gleich zu Beginn: Dalí schreitet auf dem Weg zum ersten Interviewtermin einen Hotelflur entlang, der durch geschickte Schnitte so wirkt, als würde er sich immer mehr in die Länge ziehen und es dem Maler so unmöglich machen, sein Ziel tatsächlich zu erreichen. Scheint die Ankunft zu Beginn nur noch eine Frage von Sekunden zu sein, reicht die Zeit plötzlich doch noch, um vor dem Eintreffen schnell etwas beim Zimmerservice zu bestellen und noch mal auf die Toilette zu gehen.

    Sowieso ist „Daaaaaali!“ immer dann am besten, wenn Dupieux seine Ideen nicht nur aus-, sondern sogar überreizt: So wird auch die Traumerzählung mit dem Priester, dem Cowboy und dem Esel, nach der man fast glauben möchte, der reale Dalí hätte so ein Bild tatsächlich mal gemalt, immer weiter getrieben – bis selbst „Inception“ ob dieser Traum-im-Traum-[…]-im-Traum-Struktur nur noch andächtig staunt.

    Salvador Dalí (Jonathan Cohen) hat etwas entdeckt...

    An anderer Stelle spielt Dupieux einfach nur den Gedanken durch, wie es wohl ausgesehen hätte, wenn Dalí für seine berühmten surrealistischen Bilder mit menschlichen Models gearbeitet hätte – etwa für „The Average Fine And Invisible Harp“, in dem einer der Männer einen so gedehnten Kopf hat, dass er sogar mit einer extra Gabelkonstruktion gestützt werden muss. In solchen Momenten fühlt man sich am ehesten an den intellektuell-dadaistischen Humor von Monty Python erinnert.

    Die Besetzung von Dalí mit verschiedenen Schauspielstars (u.a. Gilles Lellouche, Jonathan Cohen, Alain Chabat), wie sie ja auch schon in Todd Haynes Bob-Dillon-Biopic „I’m Not There“ Anwendung fand, hat auch damit zu tun, dass Dupieux es schlicht nicht für zielführend hielt, sich an einer klassischeren Kino-Biographie zu versuchen – dafür sei die Persönlichkeit des realen Künstlers einfach viel zu zersplittert. Allerdings ist es jetzt auch nicht so, dass man – abgesehen von seinem Giganto-Ego – viel über Dalí erfahren würde.

    Ganz im Gegenteil: Es hilft sehr, schon vor dem Film möglichst viel über Salvador Dalí und sein Werk zu wissen – einfach um den wie immer absolut einzigartigen Humor von Quentin Dupieux noch besser verstehen zu können…

    Fazit: Eine temporeiche Abfolge surrealer Späßchen, an denen Fans von Quentin Dupieux vermutlich noch mehr Freude haben werden als solche von Salvador Dalí.

    Wir haben „Daaaaaali!“ beim Filmfestival Venedig 2023 gesehen, wo er außer Konkurrenz im offiziellen Programm seine Weltpremiere gefeiert hat.

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