Alfred Morettis Opus
Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
1,5
enttäuschend
Alfred Morettis Opus

John Malkovich im Exzentrikrausch mit viel Stil, aber kaum Substanz

Von Oliver Kube

Die mit Horror- und Thriller-Elementen angereicherte Medien- und Gesellschaftssatire „Alfred Morettis Opus“ ist das Langfilm-Regiedebüt von Mark Anthony Green. Der Mittdreißiger hat 2017 einen halbstündigen Kurzfilm („Trapeze, U.S.A.“) gedreht. Ansonsten arbeitete er als Redakteur und Fashion-Experte des Lifestyle-Magazins GQ. Als solcher interviewte er Stars wie Jay-Z, Lenny Kravitz, Daniel Kaluuya, Jared Leto, LeBron James oder Tom Ford. Von eigenen Erlebnissen als Journalist und Begegnungen mit berühmten Menschen inspiriert, versucht Green mit seinem Kinodebüt, der Medienwelt und uns allen einen Spiegel vorzuhalten. Er will zeigen, wie wir dreistes, teilweise ethisch mehr als zweifelhaftes bis geradezu kriminelles Verhalten bestimmter Leute tolerieren oder gar feiern, nur weil sie berühmt und/oder reich sind.

Das wie ein Abklatsch besserer und originellerer Filme wirkende Werk setzt aber zu sehr auf eine schöne Oberfläche und zu wenig auf einen inhaltlich schlüssigen Unterbau. Ja, „Alfred Morettis Opus“ sieht klasse aus und bietet einige hübsch inszenierte Szenen. Überzeugende Argumente, damit sich irgendjemand ernsthafte Gedanken über das eigene Verhalten macht, sind allerdings Fehlanzeige. Beim Hinausgehen aus dem Kinosaal dürfte die arg schwammige und generische Aussage des Films vom Gros des Publikums schon wieder vergessen sein. In Erinnerung bleibt so maximal der sich wie eine gnadenlos überzeichnete, in bescheuerte Kostüme gesteckte Mischung aus realen Popikonen wie Elton John, David Bowie, Michael Jackson und Prince gebärdende John Malkovich.

John Malkovich hat mal wieder Freude an der Exzentrik. Universal Pictures
John Malkovich hat mal wieder Freude an der Exzentrik.

Seit drei Jahren arbeitet die ambitionierte Ariel (Ayo Edebiri) bereits als Junior-Redakteurin für ein großes Musikmagazin. Trotzdem hat sie noch keine richtige Story für das Blatt schreiben dürfen – was sie mächtig frustriert. Da erhält überraschenderweise ausgerechnet sie eine von nur sechs Einladungen zur Premiere des neuen Albums des kultumwehten 1990er-Popstars Moretti (John Malkovich). Fast 30 Jahre hatte der Charismatiker sich aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Jetzt plant er aber offenbar sein Comeback.

Gemeinsam mit ihrem Boss Stan (Murray Bartlett) reist Ariel zu Morettis sehr abgeschieden gelegenen Anwesen, wo sie auf die weiteren geladenen Journalist*innen (Juliette Lewis, Melissa Chambers, Stephanie Suganami und Mark Sivertsen) trifft. Umringt von ihm ergebenen Speichellecker*innen führt der Star dort ein Leben wie ein Sektenguru. Während alle anderen sich von der Exklusivität und Exzentrizität des Events begeistert zeigen und bald jegliche journalistische Distanz ablegen, wird Ariel das Ganze schnell unheimlich. Sie beschließt, einen Blick hinter Morettis Fassade aus Luxus, Ruhm und zweifelhaftem Genie zu riskieren …

Auf den Spuren besserer Vorbilder

Eine beträchtliche Zahl der Kinogäste dürfte bei „Alfred Morettis Opus“ schon früh überlegen, ob sie diesen Film nicht bereits kennen. Der Rest stellt sich wahrscheinlich die Frage, ob es glaubhaft ist, dass von sechs über Mainstreamthemen berichtenden Entertainment-Journalist*innen niemand auch nur einen Film vom Schlage „Blink Twice“, „Midsommar“, „The Menu“ bis hin zu „Get Out“ gesehen hat und ahnt, was auf sie zukommt?

In den vergangenen Jahren hat es wirklich mehr als genügend solcher Werke gegeben, in denen ein paar Leute auf luxuriöse, von der Außenwelt abgeschnittene Anwesen eingeladen wurden, nur damit ihnen dort schreckliche Dinge angetan werden können. Regisseur Mark Anthony Greens „Alfred Morettis Opus“ ist der nächste in der Reihe und hat diesem Thriller-Subgenre nichts wirklich Substanzielles hinzuzufügen. Da recht schnell klar ist, wie sich alles entwickeln wird, ist es entsprechend ermüdend, darauf zu warten, dass die Chose endlich in die Gänge kommt.

Ayo Edebiri gibt ihr Bestes! Universal Pictures
Ayo Edebiri gibt ihr Bestes!

Es dauert nämlich geschlagene 36 Minuten, bis erstmals eine Andeutung in diese Richtung gemacht wird. Doch anstatt zumindest jetzt richtig loszulegen und uns zu zeigen, was der offensichtlich mit großem Spaß am Rad drehende John Malkovich mit seinen Gästen vorhat, folgt noch eine weitere halbe Stunde aufgesetzt bizarren Geplänkels. Diese füllen Green und der „Con Air“-Star unter anderem mit einer schrägen Playback- und Tanzperformance, einem ewig langen, in Bezug auf die Pointe allenfalls mäßig amüsanten Witz über eine fiktive Begegnung mit Muhammad Ali und Chuck Norris sowie dem minutenlangen Aufbrechen von Austern in einer schlecht beleuchteten Jurte.

Die lange Warterei auf die Auflösung zahlt sich schließlich für das Publikum nicht einmal aus. Am Ende stehen lediglich ein paar unbeholfen eingestreute Gewaltausbrüche – primär darf hier Amber Midthunder („Prey“) als zu Morettis Kult zählende, junge Frau kurz auch deutlich machen, dass sie Teil der Besetzung ist. Eine Verfolgungsjagd auf Quads ist zumindest so ordentlich inszeniert, dass sie etwas Spannung erzeugt. Die im Visier des Künstlers stehenden Journalist*innen ignorieren Morettis beunruhigendes Verhalten aber scheinbar bewusst viel zu lang und erweisen sich zum Finale als einfach nur noch dämlich. Dadurch geht die satirische Schärfe ihres Teils der Handlung komplett flöten.

Ayo Edebiri hätte einen besseren Film verdient!

Der Versuch, mittels eines zwei Jahre nach der Hauptgeschichte spielenden Codas noch eine Art Kurskorrektur in Bezug auf die Motive der Malkovich-Figur nachzureichen, wirkt noch konstruierter als das zuvor Gesehene und verstärkt nur die Frustration. Das ist vor allem schade um „The Bear“-Publikumsliebling Ayo Edebiri, deren engagiertes Auftreten besseres Material verdient gehabt hätte. Ihr gelingt es zumindest, uns trotz der inhaltlichen Leere des Films emotional auf die Seite ihrer vom Drehbuch nicht gerade mit Tiefe gezeichneten Figur zu ziehen.

Morettis von Beyoncé- und Rihanna-Producer/Songwriter The-Dream komponierte und von Malkovich tatsächlich gesungene Songs sind übrigens prätentiöser, pseudodadaistischer Techno-Pop. Die Songs wirken so kalkuliert und schablonenhaft arrangiert, dass sie im Rahmen des aktuellen Massengeschmacks vielleicht sogar tatsächlich zu mittleren Hits mutieren könnten. Eine anhaltende Weltkarriere, wie sie die eingangs erwähnten Vorbilder der Figur über Dekaden hingelegt haben, dürfte damit allerdings wohl kaum möglich sein.

Fazit: „Alfred Morettis Opus“ sieht ansprechend aus und hat einen guten Cast. Doch der Mix aus Satire und Thriller kommt nicht über unterhaltsame Momente und Ansätze hinaus. Der wenig originelle und seine sich als arg dünn herausstellenden Ideen auch noch inkonsequent umsetzende Film ist am Ende eine glatte Enttäuschung.

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