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    Die Reise des jungen Che
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Die Reise des jungen Che
    Von Stefan Ludwig

    Vorweg sei gesagt: Mit dem Titel „Die Reise des jungen Che“ haben sich die Übersetzer des englischen Originaltitels erneut ein Unfähigkeitszeugnis ausgestellt. Aus dem „The Motorcycle Diaries“ eine lächerlich klingende Inhaltsangabe zu machen, ist schlichtweg grober Unfug. Doch nun zum Film. Der Brasilianer Walter Salles („Central Station“) inszenierte das dramatische Road Movie, dem es nicht an poetischen Elementen und Pathos mangelt. Die Charaktere sind einfach strukturiert, haben aber gerade deshalb große Wirkungskraft. Am Ende geht die Rechnung der bewussten Übertreibung aber voll auf und tröstet über die etwas zu ausufernde Spieldauer des Filmes hinweg. Durchaus sehenswert, wie Ernesto Guevara zu Che wurde.

    Die Geschichte basiert auf dem biographischen Roman „The Motorcycle Diaries“, geschrieben von Che Guevara höchst selbst. Wie viel davon überhaupt Wahrheit und was verklärte und beschönigte Erinnerung ist, sei einmal dahingestellt. Daher sollte „Die Reise des junge Che“ auch nicht unbedingt als Tatsachenverfilmung angesehen werden. Hierfür sind schlicht zu viele Begebenheiten aus der Vergangenheit Che Guevaras nur Hörensagen. Dennoch waren nach eigenen Angaben des Regisseurs die Vorbereitungen sehr umfangreich. Besonders das Studium der verfügbaren Biographien und die Besichtigung der Schauplätze, die möglichst „original“ sein sollten, verschlangen viel Zeit. Zu Beginn sieht der Zuschauer den 23-jährigen Ernesto Guevara (Gael García Bernal), der kurz vor dem Abschluss seines Medizinstudiums steht. Mit einem älteren Gefährten, Alberto Granado (Rodrigo De la Serna), möchte er eine Reise quer durch Lateinamerika auf dem Motorrad antreten. Mehrere Tausend Kilometer Reiseroute sind geplant und am Ende soll der 30. Geburtstag von Alberto gefeiert werden. Nach ein wenig Überzeugungsarbeit bei der Elternseite von Ernesto beginnt eine abenteuerliche Erfahrung, wie sie für jeden Menschen prägend sein würde.

    Der Ansatzpunkt von „Die Reise des jungen Che“ ist weder die Dokumentation der tatsächlich stattgefundenen Reise, noch ein atemberaubendes und actiongeladenes Road Movie abzuliefern. Stattdessen bekommt der Zuschauer eine unheimliche Bildgewalt, viel nachdenklich stimmende Kost, einen optimistischen Blick auf das Erwachsenwerden und die Möglichkeiten einer Reise geboten. Nicht der kleine rebellische Che, dessen spätere große Taten sich in jedem Moment abzeichnen, steht im Mittelpunkt. Vielmehr liegt der Fokus auf dem in sich ruhenden, grundehrlichen, fast fehlerlosen Ernesto, der erst viel später zu dem Che werden wird, wie ihn sich viele vorstellen. Seine einzige Schwäche im Film ist seine Asthmakrankheit. Seine grenzenlose Hilfsbereitschaft und stete Ehrlichkeit gepaart mit einem körperlichen „Fehler“ führen zu einer vermeintlich einfachen Figur, deren Weiterentwicklung minimal zu sein scheint. Doch diese bringt durchaus eine gewisse Substanz mit sich. Den Drehbuchautoren Jose Rivera und Walter Salles ging es offenbar eher darum, das innere Erwachsenwerden mit schon verinnerlichten festen Wertvorstellungen zu zeigen, das in diesem Stadium ja keinesfalls abgeschlossen sein muss.

    Die Heroisierung des Hauptcharakters muss hier als Stilmittel angesehen werden. Nur so können der optimistische Ausblick aufs Leben an sich und die pathetischen Elemente zum Ende hin funktionieren. Hauptdarsteller Gael García Bernal spielt den Ernesto Guevara sehr überzeugend. Sein oft sehr markanter, ausdruckstarker Gesichtsausdruck zieht die Kamera förmlich an. Regisseur Walter Salles, der seinerzeit für „Central Station“ unter anderem mit dem Goldenen Bären der Berlinale und dem Golden Globe ausgezeichnet wurde, legt ein beeindruckendes Gespür darin an den Tag, die phantastischen Landschaftsaufnahmen mit den oft einsamen Reisenden in Einklang zu bringen. Am Ende stellt sich beim Zuschauer das Gefühl ein, selbst durch ein vielseitiges Land mit einigen kleineren Dörfern gepilgert zu sein.

    Die Schwäche von „Die Reise des jungen Che“ liegt in der Überwindung des „Zweistunden-Knackpunktes“. Auch wenn es hier nur sechs Minuten sind, hätte dem Film eine etwas kürzere Spieldauer gut getan. Nach dem x-ten Sturz des Zweierteams fragt sich der Zuschauer zu Recht: Muss das sein? Sicherlich nicht. Würden alle Stellen gestrichen, in denen der Film sich selbst wiederholt, wären auch rund hundert Minuten mehr als ausreichend gewesen.

    Sozusagen ausgleichend dafür sind die Szenen auf der Leprastation mit den Kranken nie zu moralisch ausgefallen und funktionieren – auch dank des mächtigen Che-Charakters. Es wird zwar viel doziert und moralische Werte werden sehr deutlich zur Sprache gebracht, doch es schleicht sich nicht das Gefühl ein, das sei bloßer Selbstzweck. Nicht Tadel des Zuschauers, sondern die Möglichkeiten von sozialem Engagement werden vermittelt. Da zum Teil ehemalige Patienten der Leprastation vor der Kamera standen wirken die Aufnahmen sehr authentisch.

    So entsteht am Ende ein etwas zu langer Film mit leichten philosophischen Anklängen und viel kämpferischem Pathos. Die Botschaft des Film, dass sich auch für einen selbst lohnt, sich für andere einzusetzen, wird so rüber gebracht, dass nicht alle Zuschauer gleich genervt mit den Augen rollen. Die mystifizierte Figur des Kommandanten Che Guevara wird – wie es dessen Sohn selbst über den Film gesagt hat – so gezeichnet, wie sie vielleicht war, bevor sie zu einem bedeutenden Guerillakämpfer und später Regierungsmitglied wurde. Lohnenswert ist „Die Reise des jungen Che“ in jedem Fall – nicht nur für Che-Guevara-Fans.

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