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    Das Dschungelbuch
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    5,0
    Meisterwerk
    Das Dschungelbuch
    Von René Malgo

    Einige Disney-Produktionen könnten mit dem Etikett „einer der beliebtesten Filme“ eben jenes Studios geschmückt werden, doch einem darf das Prädikat „der Beliebteste“ zukommen. „Das Dschungelbuch“ hält diesen Status inne und gilt unter nicht wenigen als der beste Film aus Disneys Werkstatt.

    Ein Rudel Wölfe findet ein Menschenbaby. Sie nehmen es bei sich auf und ziehen das Kind groß. Doch eines Tages taucht der böse Tiger Shir Khan im Dschungel auf und hat es auf das Menschenkind Mogli abgesehen. Mit Hilfe des Panthers Baghira macht sich Mogli auf, um Schutz in der Menschensiedlung zu suchen. Unterwegs treffen sie auf den Lebebär Balou, der es gar nicht gerne sieht, dass Mogli zurück zu den Menschen muss. Als auch noch die listige Schlange Ka auftaucht und der Orang-Utan Louie beschließt König zu sein, steht der Dschungel Kopf. Daran können auch die militärisch durchorganisierten Elefanten nichts mehr ändern…

    „Das Dschungelbuch“ ist der letzte Film, der zu Lebzeiten von Walt Disney entstanden ist. Auch daran beteiligte er sich aktiv als Produzent. Beispielsweise empfahl er seiner Crew, Sir Rudyard Kiplings Vorlage „Das Dschungelbuch“ „wegzuwerfen“, da ihm die daraus resultierenden Storyboards zu düster und dramatisch waren. Mit der Verwerfung des ersten Storyboards mussten auch bereits komponierte Lieder gestrichen werden. Einzig der Song „The bare necessities“ behielt Walt Disney, weil er diesen mochte. Prompt bekam ausgerechnet dieses Lied eine Oscarnominierung. So ist aus der existenzialistischen, darwinistischen Parabel ein großer, unschädlicher Spaß für die ganze Familie geworden. Doch es gibt da einen Punkt, auf den eingegangen werden muss, der den Spaß tatsächlich hätte vermiesen können: nämlich den gelegentlich aufkeimenden und laut gewordenen Vorwurf des Rassismus.

    Dieser Vorwurf manifestiert sich vor allem in der Figur des König Louie. Affen stellen eine rassistische Karikatur für Schwarze dar und dass diese Karikatur auch in „Das Dschungelbuch“ Verwendung findet, lässt sich schwerlich von der Hand weisen. Zumindest in der O-Tonfassung ist es King Louie, der das Amerikanisch der Farbigen spricht und die schwarze Musik, Jazz zum Besten gibt. „I wanna be like you“, singt King Louie und bringt damit zum Ausdruck, dass er gerne genauso wäre wie die anderen Menschen. Dieses Ansinnen zieht „Das Dschungelbuch“ durch den Kakao, indem er King Louie ziemlich tollpatschig den Dschungel in Brand setzen lässt. Immerhin erschien „Das Dschungelbuch“ zu einer Zeit im Kino, als die Anhänger der so genannten Hippiebewegung und Mitglieder der Black Panther Party durch die Straßen marschierten.

    Lassen sich aber - trotz Parallelen - die Geschehnisse in der Zeichentrickwelt wirklich so einfach auf die Realität beziehen? Ja und nein. Der Vorwurf hat seine Berechtigung. Es ist kein Geheimnis, dass Walt Disney politisch rechts orientiert war. Ein Film ist auch immer das Produkt seiner Zeit und einer Kultur. Da ist „Das Dschungelbuch“ keine Ausnahme, im Zeitdokument lassen sich tatsächlich einige zweifelhafte Details finden. Aber „Das Dschungelbuch“ ist für Kinder und diese werden kaum an Schwarze denken, wenn sie König Louie sehen, sondern sich vielmehr an seiner sympathischen Tollpatschigkeit ergötzen. Es ist ein typisch menschliches und „erwachsenes“ Problem, dass mit bestimmten Bildern und negativen Karikaturen Rassismus assoziiert wird. Aber so etwas muss nicht sein, der Film kann auch als das gesehen werden, was er ist: Unterhaltung für die ganze Familie. Selbst wenn die Verantwortlichen hinter dem Film ganz bewusst diese möglichen Parallelen gezogen haben, das zuschauende junge Volk beeinflusst es in keinster Weise. Es ist schön und gut, dass sich der eine oder andere über die Zweifelhaftigkeit so manchen Filmes und seiner Aussage Gedanken macht. Im Falle von „Das Dschungelbuch“ reicht es aber schon, wenn der Betrachter diese Möglichkeit unter Umständen in Erwägung zieht, es kritisch zur Kenntnis nimmt, dann aber einen oberflächlich perfekten und den erfolgreichsten Unterhaltungsfilm aus Disneys Zeichentrickstudios genießt.

    Die Animationen und Hintergründe sind scheinbar einfach gehalten. Aus der Disney’schen Werkstatt kennt das Publikum auch wesentlich aufwendiger ausschauende Filme. Der optische Reiz von „Das Dschungelbuch“ erschließt sich aus der Verbindung von putzigen, flüssigen Figurenanimationen und wunderschönen, malerischen Hintergrundbildern. Diese bestehen zwar größtenteils aus Standbildern, weisen aber so viele Details auf, dass sich der Betrachter immer wieder aufs Neue in ihr und somit in der Dschungelwelt verlieren kann. Dem perfekten visuellen Eindruck steht die musikalische Umrahmung in nichts nach. Vielmehr, sie ist eine Klasse für sich. So ziemlich jedes Lied mauserte sich zum Evergreen und „Probier’s doch mal mit Gemütlichkeit“, der Titel zu Balous Hymne ist schon zur geflügelten Aussage avanciert.

    In der Originalfassung leiht Phil Harris Balou seine Stimme. Es sollte nicht seine einzige Bärenrolle in einem Disneyfilm bleiben. Sechs Jahre später erhält im Zeichentrick-Klassiker „Robin Hood“ Little John seine Stimme - auch ein Bär. Tiere spielen oft eine tragende Rolle in Disneyfilmen und in „Das Dschungelbuch“ sind ihre schillerndsten Vertreter versammelt. Immer wieder kann der Zuschauer Tränen lachen, wenn es unter den diszipliniert organisierten Militärelefanten zur Massenkarambolage kommt oder King Louie den halben Dschungel demoliert. Auch auf ganz besondere Geier wird der Betrachter stoßen. Sie sollten ursprünglich von den Beatles synchronisiert werden, doch diese sprangen in letzter Sekunde ab. Der Look der Geier mitsamt Beatles-Frisuren stand allerdings schon fest, also imitierten die Synchronisatoren die Beatles einfach ein bisschen und mittlerweile gelten die Geier als Hommage an den weltbekannten Pilzköpfen.

    „Das Dschungelbuch“ ist ein Gute-Laune-Film aller erste Güte und im Grunde, trotz möglicherweise angedeutetem Rassismus, durch und durch harmlos. Denn eine große Aussage oder Bedeutung hält der Film nicht parat. Es endet mit einem Happy End. Mogli verschwindet in das Dorf der Menschen und wie es ihm da wohl - in der vermeintlichen Zivilisation - ergehen wird, das spart der Film aus – jedenfalls bis zur Kinofortsetzung aus dem Jahr 2003... Der Zeichentrickfilm verzichtet darauf, mögliche Aussagen und Bedeutungen der Vorlage auf Zelluloid zu transportieren oder gar zu interpretieren. Schon deshalb darf der Vorwurf des Rassismus kaum ins Gewicht fallen, da sich der Film ohnehin einer größeren Moral der Geschichte verweigert.

    Wer spaßig, kurzweilig und perfekt unterhalten werden will, ist bei „Das Dschungelbuch“ bestens aufgehoben. Untadeliger, rasanter und reichhaltiger kann eine Zeichentrickgeschichte kaum erzählt werden. Ein Klassiker.

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