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    Thomas Crown ist nicht zu fassen
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    5,0
    Meisterwerk
    Thomas Crown ist nicht zu fassen
    Von Stefan Ludwig

    Und wieder einmal heißt es: Nichts ist besser als das Original. „Thomas Crown ist nichts zu fassen“ schafft es so spielend wie sein Hauptcharakter, sich vom Remake Die Thomas Crown Affäre (1999) mit Pierce Brosnan abzusetzen. Norman Jewison inszenierte den spannenden Thriller 1968 und ließ dabei manch heutigen Film technisch alt aussehen. Wie er das schafft? Mit den vielleicht gelungensten Splitscreenszenen, die es je auf die große Leinwand schafften. Ungemein stilvoll spielt dabei die eigens für den Film komponierte Musik, zu der die Endfassung extra zurechtgeschnitten wurde.

    Thomas Crown (Steve McQueen) ist steinreich. Er verbringt seine Zeit mit allerlei sündteuren Hobbys wie Segelfliegen, Polo und Golf. Doch auch dieses Luxusleben ist ihm zu langweilig. Stattdessen entscheidet er sich, aus Jux und Dollerei eine Bank auszurauben. Perfekt plant er den Ablauf des Überfalls, die beteiligten Akteure lässt er voneinander nichts wissen – er ist der Dirigent in seinem gefährlichen Spiel. Dank ausgeklügelter Planung gelingt das Unterfangen. Crown deponiert das Geld auf einem Schweizer Nummernkonto. Die Nachforschungen der Versicherung führen zwar unter anderem zu seinem Namen, doch Beweise lassen sich nicht finden. Vicky Anderson (Faye Dunaway) allerdings hat den richtigen Riecher und setzt sich an Crown. Schnell entwickelt sich ein aufregendes Liebesspiel...

    Die interessante Geschichte, die viel mehr zu bieten hat, als es oberflächlich den Anschein macht, besteht in erster Linie aus Stil. „In Filmen ist Stil der Inhalt“, so sagte es Regisseur Norman Jewison selbst. Er schafft es trotz der ruhigen Erzählweise und fast ohne Suspense die viel zitierte Hochspannung zu erzeugen. Die Vorstellung der Charaktere fällt dennoch aus, was jedoch genau der intelligente Schachzug des Films ist: Crown bleibt den gesamten Film über für den Zuschauer undurchschaubar. Erst in der letzten Szene kommen seine wahren Absichten und seine Genialität zum Vorschein.

    Steve McQueen spielt mit unglaublicher Gelassenheit. Er verströmt in jedem Moment absolute Coolness. So schafft er es, den Zuschauer über seine tatsächlichen Beweggründe im Dunkeln tappen zu lassen und der will anfangs nicht verstehen, warum Crown trotz seines Reichtums das Wagnis eines Bankraubs auf sich nimmt. Hier versteckt sich der Kern des Films. Es geht um die Frage, warum jemand immer mehr will. Und um den Kick, den Adrenalinstoß, den das Überschreiten von Grenzen mit sich bringt. Um warum der Mensch dafür jede Gefahr auf sich nimmt – der Reiz am Verbotenen. Das Interessante dabei ist hier die komplette Unnötigkeit des riskanten Unterfangens.

    Seine Filmpartnerin Faye Dunaway ist nicht nur deutlich attraktiver, als die im Remake zu sehende Rene Russo, sondern schafft es auch neben dem genialen Steve McQueen eine ebenbürtige Gegnerin zu sein. Ihre Absichten scheinen anfangs noch klar zu sein, zum Ende hin zeigt sie allerdings mehr und mehr Sympathie für Crowns Vorgehen. Und am Schluss wird deutlich, dass sie auf ihre Gefühle hätte hören sollen. Doch dafür ist es offensichtlich zu spät, wie die unglückliche deutsche Übersetzung des Filmtitels bereits vorwegnimmt.

    Das eingangs erwähnte Splitscreenverfahren, das in neueren Filmen für mehr Verwirrung sorgt, als es optisch aufwertet, wird von Jewison äußert geschickt angewendet. Es trägt zum Gesamtstil des Films wesentlich mehr bei, als es die Musik allein hätte tragen können. Wenn hier beim Polospiel auf Details gezoomt oder beim Überfall mehrere Räume gleichzeitig gezeigt werden, verliert der Zuschauer dennoch nie die Übersicht. So ist „Thomas Crown ist nicht zu fassen“ nicht zuletzt ein stilgebender Film, von dem heutige Produktionen durchaus lernen könnten.

    Ob das Vorhaben, den längsten Kuss der Filmgeschichte zu drehen, geglückt ist, sei mal dahingestellt – die drei (!) Tage Drehzeit für diesen haben sich ausgezahlt. Selten war ein Filmkuss derart aufregend inszeniert und sehenswert dargestellt. Der Wirkung dessen kommt der hervorragende Chemie zwischen McQueen und Dunaway entgegen. Jewison, besonders bekannt für In der Hitze der Nacht (1967), schafft es mit Bravour, das äußerste aus seinen Darstellern herauszuholen.

    So ist „Thomas Crown ist nicht zu fassen“ ein genialer Thriller, der sich ganz locker irgendwo zwischen Gangsterfilm und Romanze einpendelt, ohne dabei an Tiefe zu verlieren. Er unterhält, ohne seinen tieferen Sinn aus den Augen zu lassen. Es macht Spaß, dem Geschehen zu folgen und ohne Frage sympathisiert der Zuschauer bald mit Crown, auch wenn der außerordentlich fragwürdige Dinge auf die Beine stellt. Seine eiskalte Coolness verlässt sein Gesicht selbst in den schwierigsten Situationen nie, die er mit einem Lächeln bei Seite schiebt. Wenn er sich nach dem geglückten Raubüberfall lachend im Spiegel selbst zuprostet, fällt die Identifikation nicht schwer, sondern ergibt sich von alleine.

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