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    Evan allmächtig
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,0
    schlecht
    Evan allmächtig
    Von Carsten Baumgardt

    Die amerikanische Filmkritik geht mit seichter Familienware aus dem Land der Freien und der Heimat der Mutigen in der Regel äußerst behutsam und nachsichtig um. Kritikerpapst Roger Ebert macht sich sogar oft einen Spaß daraus, schreibt, der jeweilige Film sei zwar Mist, gibt aber trotzdem eine Familienempfehlung mit 3 von 4 Punkten. Doch bei der teuersten Komödie aller Zeiten, Budget: 175 Millionen Dollar, sprang selbst den gutmütigen Bewahrern der Werte der Draht aus der Mütze. So garstig wie Tom Shadyaks Fantasy-Komödie „Evan allmächtig“ wurde in den Staaten schon lange kein Blockbuster mehr plattgehauen. Während sich selbst die größten Hurra-Rufer mit maximal mittelmäßigen Bewertungen zügelten, schlug die freizügige Presse zu. Eine kleine Auswahl gefällig? Kurz und knapp: „A collosal dud“ (Baltimore Sun). Vernichtend: „A monolithically dumb Hollywood vehicle (Time Out New York). Entlarvend: „This is movie-making by and for dummies, a sappy little bible story, blissed out on its own ineptitude” (Wall Street Journal). Eindeutig: „It marks an unfortunate low point in the history of recent American comedy” (Village Voice). Oder launig: „It’s more Ronald McDonald than Holy Bible” (The Onion). Das Schockierende: All diese Behauptungen treffen des Pudels Kern. „Evan allmächtig“ ist albern, infantil, harmlos... und vor allem nicht witzig. Das Schlimmste: Der Film ruiniert den bisher makellosen Ruf des großartigen Steve Carell, der in der Nachfolge von Jim Carreys Bruce Nolan aus Bruce allmächtig fehlbesetzt ist.

    Im ersten Teil Bruce allmächtig war TV-Moderator Evan Baxter (Steve Carell) noch das Opfer der Macht von Bruce Nolan, doch die Zeiten sind vorbei. Der karrieregeile Medienmann ist aufgestiegen zum Kongressabgeordneten. Evan zieht mit seiner Frau Joan (Lauren Graham) und den drei Jungs Dylan (Johnny Simmons), Jordan (Graham Phillips) und Ryan (Jimmy Bennett) von Buffalo ins kleinstädtische Huntsville, Virginia. Der Neu-Politiker hat gleich alle Hände voll zu tun. Evan soll ein Gesetz des renommierten Kongressabgeordneten Long (John Goodman) unterstützen. Sein persönliches Team, Assistentin Rita (Wanda Sykes), Stabchef Marty (John Michael Higgins) und Praktikant Eugene (Jonah Hill), tut alles, um Evan den Start leicht zu machen. Doch schon bald sorgt der ehemalige Moderator für Kopfschütteln. Er erscheint bärtig, langhaarig und im Jesus-Outfit im Büro („The weirdo with the beardo“), verhält sich ganz sonderbar. Gott (Morgan Freeman) hat Evan, der in seinen Wahlkampfslogans verkündet hatte, die Welt verändern zu wollen, dazu verdonnert, eine monströse Arche zu bauen. Nach anfänglicher Ungläubigkeit muss der Politiker diesen Auftrag von oben ernst nehmen, selbst wenn ihn dies seine Karriere und die Familie kosten könnte...

    Regisseur Tom Shadyak („Der verrückte Professor“, „Ace Ventura“, „Der Dummschwätzer“, „Patch Adams“) ist der Mann für nette, seiche Familienunterhaltung. Mit Ausnahme des Mystery-Thrillers Im Zeichen der Libelle finden sich in der Vita des Amerikaners nur kommerzielle Hits wieder. Und auch „Evan allmächtig“ wird Geld einbringen, allerdings nicht ganz so viel wie der von Shadyak inszenierte Vorgänger Bruce allmächtig. Der spielte weltweit 485 Millionen Dollar ein und musste nach Hollywood’schem Selbstverständnis natürlich fortgesetzt werden. War das Original noch ein knapp über dem Durchschnitt liegendes Komödien-Vehikel für Jim Carrey, erwies sich der Starkomiker klüger als alle Beteiligten von „Evan allmächtig“ zusammen. Er lehnte das Sequel ebenso ab wie Teil-1-Co-Star Jennifer Aniston. Warum Steve Carell zusagte, vom Nebendarsteller zum Leading Man aufzusteigen, bleibt schleierhaft. Sein zuletzt tadelloses Image (grandios in: Jungfrau (40), männlich, sucht..., Little Miss Sunshine, „The Office“) ist nun beschädigt. Der Lockruf des Geldes war zu stark.

    Apropos Geld: Warum „Evan allmächtig“ 175 Millionen Dollar gekostet hat, ist nicht nachzuvollziehen, sind die kostspieligen CGI-Aufnahmen doch bestenfalls mittelprächtig (die Tierherden), teils gar störend künstlich (die Flut). Dabei wäre der Rettungsanker doch so nah gewesen. Die Produzenten hätten einfach noch ein paar Taler mehr in ein gescheites Drehbuch investieren müssen. Das, was Steve Oedekerk (Bruce allmächtig, Der tierisch verrückte Bauernhof, „Der verrückte Professor“ 1+2) da verbrochen hat, spottet jeder Beschreibung. Die Story ist einfach nur albern und dämlich, besitzt nicht den geringsten Anflug von Charme. Der Film besteht im Prinzip nur aus einer einzigen Idee, die keineswegs die Tragkraft für 95 Minuten Spielzeit hat und stattdessen in uninspiriertem, langweiligen Bibelkitsch mündet, der garantiert nicht von Gott autorisiert wurde.

    Obwohl der Film angesichts der Preisklasse sehr wohl für Jung und Alt konzipiert ist, versagt „Evan allmächig“ dabei, die ältere Zielgruppe adäquat zu unterhalten. Ein paar Beispiele für einen typischen Witzaufbau: Evan wächst über Nacht ein stattlicher Bart. Morgens guckt er in den Spiegel und ruft erschrocken „ahhh“. Ende des Witzes. Oder: Evan schneidet sich die Nasenhaare und verzieht dabei das Gesicht wie Mr. Bean. Ende des Witzes. Ein streunender Hund stößt Hundehasser Evan in die Genitalien. Ende des Witzes. Etc., etc., etc. Die Tiefgründigkeit Carells, die er sonst mit minimalen Gesten ausstrahlt, ist wie weggeblasen. Er macht den Gandalf-Clown, ohne jedoch vom Drehbuch Gags auf den Leib geschrieben bekommen zu haben. Carell steht auf verlorenem Posten - gemeinsam mit Morgan Freeman (Sieben, Million Dollar Baby). Ihre Mitstreiter haben es kaum leichter. John Goodman (The Big Lebowski) wirft all sein Charisma in die Waagschale, wird aber letztendlich von der Klischeehaftigkeit seiner Figur erdrückt. Das einzige, womit der Film ab und an zu ein paar sanften Schmunzlern kommt, sind die trockenen Sprüche von Wanda Sykes (Das Schwiegermonster) als Assistentin Rita.

    Die Öko- und Familienbotschaft des Films wird so platt, albern und einfallslos präsentiert, dass sie kaum mehr ernst genommen werden kann. Und wie man den moralischen Wandel eines Politikers weit unterhaltsamer und spannender in einer seichten Komödie zeigen kann, beweist ausgerechnet ein Eddie Murphy in „Ein ehrenwerter Gentleman“, wo das Publikum wenigstens noch halbwegs für voll genommen wird. „Evan allmächtig“ ist dagegen ein echtes Ärgernis - der mit Abstand dämlichste Film des Jahres. Ein Jim-Carrey-Film ohne Jim Carrey ist konzeptionell nichts wert. Es ist aber versöhnlich, dass wenigstens die Crew beim Drehen offenbar jede Menge Spaß hatte, wie der Abspann beweist, in dem das Ensemble zu „You gonna make me sweat“ von der C+C Music Factory steil geht. Ach ja: Einen Extrapunkt hat sich „Evan allmächtig“ doch noch verdient – zumindest für das männliche Publikum. Das darf sich nämlich anderthalb Stunden an der Präsenz von Lauren Graham (Von Frau zu Frau, Bad Santa, Der Babynator) erfreuen. Nein, der „Gilmore Girl“-Star kann inhaltlich nichts beitragen (woran das Drehbuch die Schuld trägt). Die umwerfende Hawaiianerin ist einfach nur da. Und das hat einen höheren Unterhaltungswert als alle versuchten Witze zusammen...

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