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    Saint Jacques... Pilgern auf Französisch
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Saint Jacques... Pilgern auf Französisch
    Von Ulf Lepelmeier

    Viele Deutsche frönen wieder einer alten Leidenschaft, die lange als antiquiert galt und gerade von den jüngeren Generationen eher belächelt wurde: das Wandern. Das Gehen über Stock und Stein ist wieder „In“ - erst recht, wenn man sich dabei auf den Weg zum alten Pilgerwallfahrtsort Santiago de Compostela begibt. Nicht ganz unschuldig an der neuen Popularität des Camino de Santiago, welcher im Jahre 1987 zum ersten europäischen Kulturweg erhoben wurde, ist das Buch eines bekannten Komikers. So findet sich Hape Kerkelings Reisetagebuch „Ich bin dann mal weg. - Meine Reise auf dem Jakobsweg“ seit Monaten in den deutschen Sachbuch- und Hörspielcharts ganz oben wieder. Grund genug um das thematisch passende, unmotorisierte Roadmovie „Saint Jacques... Pilgern auf Französisch“ zwei Jahre nach dessen Erstaufführung in Frankreich auch in die deutschen Lichtspielhäuser zu bringen. Mit einem Mix aus Klamauk, Satire und dramatischen Elementen möchte Regisseurin Coline Serreau zu einer Pilgerreise ins Kino bewegen, doch bleibt es trotz der schönen Landschaftsansichten eher fraglich, ob sich dieser beschwerliche Weg wirklich lohnt.

    Nachdem die drei Geschwistern Clara, Claude und Pierre per Post über das Ableben ihrer Mutter informiert wurden, finden sie sich beim Notar ein. Doch über den letzten Willen ihrer verstorbenen Mutter sind die Drei wenig erfreut. Diese hat verfügt, dass ihren zerstrittenen Kindern das Erbe nur zufällt, wenn sie sich gemeinsam zum Pilgern aufmachen. Die möglichen potentiellen Erben können sich weder vorstellen, sich für zwei Monate auf Schusters Rappen zum christlichen Wallfahrtsort zu quälen, noch eine so lange Zeit überhaupt miteinander zu verbringen. Doch letztlich machen sich die griesgrämige Lehrerin Clara (Muriel Robin), der Workaholic Pierre (Artus de Penguern), sowie der langzeitarbeitslose Alkoholiker Claude (Jean-Pierre Darroussin) angetrieben vom lockenden Geldregen auf den Weg. Mit in ihrer Pilgergruppe sind Mathilda, die sich nach einer Chemotherapie auf einer Sinnsuche befindet, zwei junge Mädchen, die die Wandertour geschenkt bekommen haben, sowie Saïd, der sich in eine der beiden verguckt hat, und sein naiver Cousin Ramzi, der glaubt, an einer Pilgerreise nach Mekka teilzunehmen...

    Als eine Allegorie auf die moderne Gesellschaft möchte Regisseurin Serreau, die mit dem Film „Drei Männer und ein Baby“ einen Welterfolg vorzuweisen hat, „Saint Jacques“ verstanden wissen. Nur fällt es schwer ihre Komödie als solche zu sehen. Sicherlich gibt es Menschen aus allen Gesellschaftsschichten in der zankenden Pilgergruppe. Und es werden auch zahlreiche Problemfelder unserer Zeit am Rande gestreift, aber wirklich ernst nehmen kann man die Auseinandersetzung mit diesen nur selten. Alle Charaktere befinden sich entweder am Rande der Karikatur, oder gehen schon darüber hinaus. Auch ihr Wandel hin zu besseren und zufriedeneren Menschen fällt viel zu abrupt aus, um wirklich nachvollziehbar zu sein. Das die zankende Truppe eine Wandlung durchlaufen und sich letztlich alle in den Armen liegen würden, war ohnehin von Anfang an klar, doch der Werdegang der Figuren hätte weitaus differenzierter gestaltet werden müssen, um akzeptiert werden zu können. Die dramatischen Elemente um Alkoholismus, Krankheit, Rassismus und Tod bekommen nie den nötigen Raum und wirken wahrlich lieblos in den humorigen Film eingeflochten. Von kritischer Handhabung ist nichts zu sehen. So ist die Darstellung der alkoholabhängigen Ehefrau des hyperaktiven Pierre gänzlich over the top, so dass sie als Witzfigur dasteht, genauso wie auch ein vermeintlicher Geschäftsmann der France Telecom, dem die Wanderer in einer Herberge begegnen.

    In den wunderschönen Landschaften pilgern wandelnde Klischees umher, die sich ankeifen, aufmuntern oder ineinander verlieben. Doch wenigstens funktioniert der Film als harmlose Komödie, ohne Gesellschaftsabbildungsaspekt und Anspruchsdenken, ganz passabel. Zu Beginn vermögen gerade die bissigen Kommentare, die vor allem dem Munde Claras entspringen, und die Streitereien zwischen den so unterschiedlichen Geschwistern zu gefallen. Nur wird die Pilgergruppe mit jedem zurückgelegten Kilometer harmonischer und damit die anfangs noch kernigen Dialoge immer mauer. Interessant sind die surrealen Traumsequenzen, die die Hoffnungen und Ängste der einzelnen Pilger illustrieren sollen. So erscheint vor dem Analphabeten Ramzi ein riesiger Buchstabe, der droht, ihn unter sich zu begraben. Der wohlhabenden Pierre findet seine alkoholkranke Ehefrau in einem riesigen Glas wieder, welches sich mit jedem Schluck, den sie aus einem Glas in ihrer Hand nimmt, weiter mit Wasser füllt. Doch leider wollen gerade diese Szenen sich nicht wirklich in das Gesamtbild eingliedern, schließlich ist das sonstige filmische Geschehen wenig auffällig in Szene gesetzt, beinahe etwas hausbacken ausgefallen.

    Sich für „Saint Jacques ... Pilgern auf Französisch“ extra die Wanderschuhe zu binden, den Rucksack aufzuschnallen und eine Reiseroute ins nächste Kino auszukundschaften kann man sich ruhig ersparen, außer man möchte sich die landschaftlichen Highlights des Jakobswegs ansehen und nebenbei eine maue Pilgerreisekomödie mit einer knappen Handvoll spaßigen Szenen zu Gemüte führen.

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