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    Pat Garrett jagt Billy The Kid
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    5,0
    Meisterwerk
    Pat Garrett jagt Billy The Kid
    Von Björn Becher

    In seiner kompletten Karriere hatte Sam Peckinpah immer Ärger und Probleme mit Produzenten und Hollywoodstudios. Selten war er in seiner Arbeit frei und durfte das abliefern, was er wollte. Am meisten Ärger hatte er wohl bei dem Western „Pat Garrett jagt Billy The Kid“. Schon von Beginn der Produktion an war klar, dass Peckinpah sich mit dem produzierenden Studio MGM immer und immer wieder anlegen würde. Erst wollte man ihn nicht mit seiner gewohnten Crew arbeiten lassen, sondern verlangte, dass er billige mexikanische Arbeiter engagieren solle. Hier konnte sich Peckinpah noch durchsetzen, doch die „Rache“ von MGM folgte sofort: Die veranschlagte Drehdauer und das zur Verfügung gestellte Budget reichten nicht aus, was von vorneherein klar war. Peckinpahs Alkoholprobleme, Viruserkrankungen bei ihm und Teilen der Crew so wie aufgrund eines technischen Fehlers unbrauchbares Filmmaterial bei den Aufnahmen der ersten Tage kamen hinzu. Um wenigstens halbwegs „seinen“ Film zu machen, drehte Peckinpah Szenen heimlich und an drehfreien Tagen mit den ihm größtenteils zugetanen Schauspielern. Es gelang, so gut es unter diesem Umständen gelingen konnte. Peckinpah überzog die veranschlagte Drehdauer dann wirklich noch um 21 Tage und hatte genug Material, um seine Schnittfassung zu erstellen.

    Doch der nächste Ärger kam sogleich. MGM hatte angefangen, abseits der Filme in Casinos und Hotels zu investieren und brauchte dringend Geld. Der Film sollte so schnell wie möglich ins Kino. Peckinpah war es gewohnt, sich viel Zeit für den Schnitt zu nehmen, doch MGM gab ihm nur zwei Monate. Mit Unterstützung von mehreren Cuttern arbeitete Peckinpah rund um die Uhr und präsentierte nach zwei Monaten eine Schnittfassung, mit der er unter den Umständen zufrieden war, auch wenn er immer wiederholte, dass er in weiteren Monaten noch mehr aus dem Material herausholen könnte. Bei Vorführungen kam die Fassung von Peckinpah hervorragend an, sogar beim Vizepräsident von MGM. Doch seine Vorstandskollegen empfanden die über zwei Stunden dauernde Fassung als zu lang und ließen sie von einem externen Cutter, der nicht mit dem Material vertraut war, um über eine halbe Stunde kürzen. Die neue Fassung war eine Katastrophe (was bei einem Peckinpah-Film bedeutet: Immer noch relativ gut und sehenswert) und scheiterte an den Kinokassen gnadenlos. Auch einer weiteren, etwas längeren Fassung widerfuhr an den Kassen das gleiche Schicksal. Peckinpah hatte mit diesen beiden Fassungen nichts mehr zu tun, er hatte Hollywood schon verbittert den Rücken gekehrt

    1989 machte sich der Cutter Roger Spottiswoode (Regie: James Bond 007 - Der Morgen stirbt nie, The 6th Day) dann daran, eine Fassung herzustellen, die der von Peckinpah bisher wohl am nächsten kommt.

    Im Mittelpunkt des Films stehen, wie es der Name schon deutlich macht, zwei große Westernlegenden: Pat Garrett (James Coburn) und Billy the Kid (Kris Kristofferson). Schon in der ersten Szene lässt Peckinpah die beiden aufeinandertreffen. Im New Mexico des Jahres 1881 sagt Garrett seinem alten Weggefährten Billy the Kid, er solle fliehen. Billy the Kid ignoriert die Warnungen und wird kurze Zeit später von einer Gruppe Sheriffs unter Führung von Garrett verhaftet und ins Gefängnis gesteckt. Schon hier spürt man die besondere Beziehung zwischen diesen beiden Männern. Sie waren früher die besten Freunde, zwei Banditen, die bedingungslos zusammenhielten, der alte Pat und der junge Billy, fast eine Vater-Sohn-Beziehung. Nun steht Garrett auf der anderen Seite. Er ist jetzt Sheriff. Sie stehen sich gegenüber. Billy bleibt nicht lange im Gefängnis. Ihm gelingt die Flucht, wobei er zwei Deputies erschießt. Garrett soll ihm nacheilen, ihn wieder einfangen oder noch besser, gleich erschießen. Vor allem der Rancher Chisum (Barry Sullivan) hat daran ein Interesse. Er kontrolliert die Gegend, hat alle Politiker bestochen und sieht in dem aufrührerischen Billy the Kid natürlich eine Gefahr, die Garrett umgehend beseitigen soll.

    Auch wenn der deutsche Filmtitel, in dem statt dem „and“ ein „jagt“ zwischen den beiden Namen der Helden einen anderen Eindruck vermittelt, handelt es sich bei dem Film nicht um eine Hatz von Garrett auf Billy the Kid. Pat Garrett nimmt die Verfolgung nur sehr langsam auf, trödelt herum, wenn man das so salopp formulieren will. In ihm sträubt sich alles, doch er weiß auch, dass er keine Wahl hat. Die Umgebung beleuchtet das noch eindrucksvoller. Die meisten Menschen, die Garrett fragt, versagen ihm die Unterstützung, er muss sie schon zwingen. Sie drücken Billy the Kid die Daumen, hoffen dass er entkommen kann, dass er nach Mexiko flieht, was wohl auch Garrett hofft. Doch Billy the Kid will schlussendlich nicht davonlaufen, sondern sich vor allem Chisum stellen.

    Es sind verkehrte Seiten in Peckinpahs Westernabgesang. Der Bandit „Billy the Kid“ hat die Sympathien auf seiner Seite. „Ich aber nicht“, antwortet er in einer Szene auf Garretts Aussage „das Land hat sich geändert“. Er ist sich seiner Prinzipien treu geblieben. Er ist der letzte freie Cowboy des Wilden Westens. Ihn begleitet noch diese Wild-West-Romantik, die man aus vielen Western kennt. Um ihn herum regiert dagegen schon das Geld, kapitalistische Interessen der Großgrundbesitzer, die keine Freiheit mehr lassen, in deren Welt kein Platz mehr für umherziehende Männer ist. Garrett hat dagegen die alten Ideale verraten. Er versucht sich an die neue Welt anzupassen und wird dabei von ihr ausgenutzt. Seine „Jagd“ auf Billy the Kid macht ihm dies immer weiter deutlich und als Höhepunkt des Ganzen erschießt er nach dem Showdown sein Spiegelbild. Der neue Pat Garrett, der sich verkauft hat, erschießt in dieser Szene, den alten, von vielen bewunderten, aufrichtigen Cowboy.

    Peckinpahs Film ist sehr melancholisch geworden. Wie sein bekanntestes Werk „The Wild Bunch“ zeigt er kritisch eine neue hereinbrechende Welt, in der schließlich Geld über Freundschaft, Verrat über Treue siegt. Für Peckinpah typisch, fügen sich die kurzen, brutalen Shootouts, die Kugeln, die in Zeitlupe in die Körper eindringen, perfekt in den Film ein. Sie unterstreichen die Aussagen des Films. Dass „Pat Garret jagt Billy The Kid“ ein solches Meisterwerk geworden ist, liegt auch an der genauen Figurenzeichnung. Selbst kleine Nebenfiguren wirken nicht beliebig, sondern haben Hintergründe, die sich in Geschichte und Aussage des Films einfügen. Dazu ist die Schauspielerauswahl sehr gelungen. Das betrifft nicht nur die beiden hervorragend agierenden Hauptdarsteller, sondern auch die Nebenrollen, für die Peckinpah den ein oder anderen prominenten Namen gewinnen konnte.

    Ein besonderer Glücksgriff ist ihm in zweierlei Hinsicht mit der Verpflichtung von Bob Dylan gelungen. Dylan spielt nicht nur sehr überzeugend einen der Banditen aus Billys Bande, er hat den Film auch darüber hinaus geprägt. Während der Dreharbeiten fing er in den Pausen an, ein paar Songs über die beiden Helden zu schreiben. Peckinpah gefielen die Lieder so gut, dass er Dylan als Zuständigen für die komplette Filmmusik durchsetzte. Dies sorgt für eine hervorragende musikalische Untermalung. So wird eine der besten und ergreifendsten Szenen des Films auch von Dylans Musik begleitet. Zu den Klängen von „Knockin on Heaven's Door“ macht eine der Nebenfiguren ihre letzten Atemzüge.

    Ein mehr als sehenswerter Film von Peckinpah, der leider immer noch nicht auf DVD erschienen ist. Doch für Fans besteht Hoffnung: Der Cutter Paul Seydor, Regisseur der 1997 für den Oscar nominierten Dokumentation „The Wild Bunch: An Album in Montage“ arbeitet an einer neuen Fassung, die, ausgehend von Spottiswoodes Version aus dem Jahr 1989, der von Peckinpah angestrebten Fassung am nächsten kommen soll. Diese Version soll dann auch auf DVD erscheinen und wurde im Rahmen einer Peckinpah-Box von Warner für die USA für Anfang des Jahres 2006 angekündigt.

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