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    James Bond 007 - Im Geheimdienst Ihrer Majestät
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    James Bond 007 - Im Geheimdienst Ihrer Majestät
    Von Carsten Baumgardt

    James Bond paradox. Ausgerechnet der mit Abstand mäßigste aller 007-Darsteller, der Australier George Lazenby, spielt in „Im Geheimdienst Ihrer Majestät“ (1969) in einem absoluten Highlight der Reihe die Titelrolle. Der Agenten-Actionthriller fesselt als perfekter Bond-Cocktail mit allen Zutaten, die die Fans lieben: Action, Spannung und Ironie vom Feinsten - erweitert um die Komponente Tragik.

    James Bond (George Lazenby) wird von seinem Chef M (Bernard Lee) unter Druck gesetzt, weil er bei der Ergreifung des Großkriminellen Ernst Stavro Blofeld (Telly Savalas), Boss der Verbrecherorganisation SPECTRE, keine Fortschritte macht. Bond ist beleidigt, will sogar kündigen. Nur Miss Moneypennys (Lois Maxwell) Umsichtigkeit ist es zu verdanken, dass der Doppelnull-Agent des britischen Secret Service in den Urlaub geht, anstatt in den Ruhestand. Bei einigen Scharmützeln in Portugal verliebt sich Bond in die undurchsichtige und wilde Contessa Teresa „Tracy“ Di Vicenzo (Diana Rigg), der er das Leben rettet. Erst später muss Bond erfahren, dass sie die Tochter des Unterweltbosses Draco (Gabriele Ferzetti) ist. Doch die beiden verstehen sich wider Erwarten gut und schließen einen Handel ab. Draco ist von Bonds Auftreten beeindruckt und sieht ihn als Ehemann für seine labile Tochter vor. Draco verspricht Bond Informationen über Blofeld, wenn er Tracy ehelicht. Doch sie will nicht mit sich spielen lassen und zwingt ihren Vater dazu, Bond weiterzuhelfen. Der Geheimagent reist als Sir Hilary Bray vom Königlichen Heraldik-Institut in die Schweiz, um in Blofelds auf einem Berggipfel in den Berner Alpen gelegenen Forschungsinstitut zu residieren. Bray alias Bond soll Blofelds Adelstitel Comte de Bleuchamp bestätigen...

    Nach fünf Bond-Abenteuern („James Bond jagt Dr. No“, „Liebesgrüße aus Moskau“, „Goldfinger“, „Feuerball“, „Man lebt nur zweimal“) hatte der Schotte Sean Connery die Nase voll von seiner geliebt-gehassten Figur - trotzdem sollte er zum siebten Bond-Film „Diamantenfieber“ (1971) und zum „Feuerball“-Remake „Sag niemals nie“ (1983) wieder zurückkehren. Als Nachfolger für „Im Geheimdienst Ihrer Majestät“ wurden unter anderem Timothy Dalton und Roger Moore gehandelt. Dalton fühlte sich noch zu jung, Moore musste noch bis „Leben und Sterben lassen“ (1973) warten, um zum Einsatz zu kommen. Der ehemalige Autoverkäufer und Dressman George Lazenby, mit 30 Jahren übrigens der jüngste Bond-Debütant, hinterließ bei Testvorführungen den stärksten Eindruck, wurde aber beim Publikum nie als Connery-Ersatz akzeptiert und lehnte einen Folgevertrag über mehrere 007-Filme ab, was der Schauspieler später als großen Fehler bezeichnete. Lazenby glaubte, dass ein Superspion in der nahenden Woodstock-Ära ein wandelnder Anachronismus sei. Damit hatte er zwar recht, aber dem Erfolg des erfolgreichsten Franchise der Filmgeschichte tat dies keinen Abbruch.

    Lazenby hatte nur einen Film Zeit, sich Profil zu verschaffen. Zu wenig. Der Australier wandelt in den großen Fußstapfen von Sean Connery und lehnt seine Interpretation der Rolle ähnlich an: mit männlichem Macho-Charisma (der Held darf seiner Angebeteten ruhig mal eine Tracht Prügel verpassen, wenn sie’s verdient hat) und reichlich Ironie, die sogar soweit geht, dass ein einziges Mal in der Bond-Reihe die Distanzlinie zum Publikum durchbrochen wird. Nachdem Bond Tracy das Leben gerettet hat, läuft sie ihm davon, was der Agent mit einem lässigen „das wäre dem anderen nie passiert“ quittiert. Von diesen ironischen Einschüben und Referenzen finden sich noch einige mehr. So pfeift ein Besen schwingender Zwerg in Dracos Quartier die Melodie aus „Goldfinger“, während Bond an ihm vorbeiläuft. Auch ist ein früher Fingerzeig auf einen späteren Titel zu erhaschen. Das Familien-Motto von Bonds Sippe lautet „The World Is Not Enough“ (Titel des 99er Bonds), wie er bei einer Stammbaumforschung herausfindet. Es sind auch diese Kleinigkeiten, die „Im Geheimdienst Ihrer Majestät“ so großartig machen.

    Aber vordergründig hat der Film andere Pfunde, mit denen er wuchern kann. Zwar zeigt Lazenby nur eine mittelprächtige Vorstellung, dafür wissen seine Nebenleute zu überzeugen. Telly Savalas strahlt als Erzbösewicht Ernst Stavro Blofeld, in „Man lebt nur zweimal“ noch von Donald Pleasence gespielt, soviel Charisma aus, dass es eine Pracht ist. Auch die Thematik der biologischen Kriegsführung (der tödliche „Omega“-Virus) weiß zu gefallen und wird von Savalas „gut verkauft“. Dazu bietet der Film mit Diana Rigg („Mit Schirm, Charme & Melone“) eine der faszinierendsten Bond-Girls der Reihe auf. Sie ist eine der wenigen, die sich von dem Macho nicht auf der Nase herumtanzen lässt – was jedoch in einem Novum des Franchise endet. Sicher kein Geheimnis: Bond heiratet seine geliebte Tracy - doch sie wird erschossen. Dieses eine Mal glänzt die Reihe mit etwas, was in keinem anderen Bond-Film in dieser Intensität zu spüren ist: eine herzzerreißende Tragik (vielleicht ansatzweise noch im Dalton-Rachefeldzug-Bond „Lizenz zum Töten“, 1989).

    Inhaltlich orientiert sich „Im Geheimdienst Ihrer Majestät“ sehr eng am Roman von Ian Fleming, der von 1953 bis 1966 14 Bond-Bücher schrieb. Bei der Umsetzung für die Kinoleinwand unterlief Regisseur Peter R. Hunt, der bereits bei „Dr. No“, „Liebesgrüße aus Moskau“ und „Goldfinger“ als Cutter arbeitete, ein Logikfehler. Obwohl Bond Blofeld in „Man lebt nur zweimal“ kennen gelernt hat, erkennt er ihn hier zunächst nicht. Das liegt wohl daran, dass die Roman-Vorlage zu „Man lebt nur zweimal“ (1964) ein Jahr nach „Im Geheimdienst Ihrer Majestät“ (1963) geschrieben wurde. Das spielt aber auch keine große Rolle, da der Engländer Hunt bei seiner einzigen Bond-Regiearbeit ansonsten alles fein im Griff hat. Die Actionszenen sind für damalige Verhältnisse exzellent, die Landschaftspanoramen aus dem Berner Oberland überwältigend und die von Willy Bogner inszenierten Skiverfolgungsjagden spektakulär, was dafür entschädigt, dass das Werk in Sachen Gadgets auf kleiner Flamme kocht.

    Es ist dieses stimmige Gesamtpaket, das „Im Geheimdienst Ihrer Majestät“ zu einem der besten Bond-Filme macht – und das trotz George Lazenby, der bei weitem nicht so schlecht agiert, wie viele Fans es (damals) wahrhaben wollten, aber dem Superagenten auch am wenigsten eigenes Profil verleiht. Nach der fatalen Fehlentscheidung, weitere Bond-Abenteuer abzulehnen, tauchte er im Fernsehen unter und fand in Hollywood keinen Anschluss mehr. Ist aber auch egal, Eintagsfliegen-Bond Lazenby kann sich damit trösten, in einem 007-Highlight dabei gewesen und nachträglich zur tragischen Figur avanciert zu sein.

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