
Es gibt sie noch, auch wenn ihre Zahl im Laufe der letzten Jahrzehnte zunehmend kleiner geworden ist: Jene Filmemacher*innen, für die die Türen der amerikanischen Filmstudios zumindest immer einen Spalt breit geöffnet stehen. Einer von ihnen ist Luca Guadagnino, der 2024 mit dem Meisterwerk „Challengers“ und der pikanten Literaturverfilmung „Queer“ gleich zwei heiße Eisen im Feuer hatte.
Und auch für die kommenden Jahre sind eine ganze Reihe von Guadagnino-Filmen angekündigt, darunter eine Neuinterpretation von „American Psycho“ mit Austin Butler (an deren Realisierung der Autor der Romanvorlage, Bret Easton Ellis, allerdings noch arge Zweifel hegt) – sowie der schon in der Postproduktion befindliche „After The Hunt“ mit Julia Roberts und Andrew Garfield. Ein Film von Guadagnino, der bisher wenig Erwähnung findet, sollte uns aber alle besonders aufhorchen lassen: ein nicht realisiertes Projekt des Hollywood-Großmeisters Stanley Kubrick!
„Aryan Papers“ lautet der Titel dieses Filmes, der bisher nur ein Dasein auf dem Papier fristete. Laut Guadagnino handelt es sich dabei um eines der vier Herzensprojekte, die er schon seit Jahrzehnten auf die große Leinwand zu bringen versucht. Seine Neuinterpretation des Dario-Argento-Films „Suspiria“ sei ein solcher Film gewesen, ebenso die Ende 2024 gestartete Burroughs-Verfilmung „Queer“. Dann gebe es da noch Thomas Manns Epochenroman „Buddenbrooks“, den er mit 12 gelesen und seither habe verfilmen wollen. Und, zu guter Letzt: Stanley Kubricks „Aryan Papers“.
Wegen "Schindlers Liste" aufs Eis gelegt
Als Grundlage für dieses Buch diente dem „2001: Odyssee im Weltraum“-Regisseur Kubrick Louis Begleys autobiografisch geprägter Roman „Wartime Lies“ aus dem Jahr 1991, für dessen Verfilmung Kubrick 1993 bereits grünes Licht erhielt. Dann wurde der Film allerdings, trotz des bereits fortgeschrittenen Casting-Prozesses, von Warner Bros. wieder auf Eis gelegt, da man sich mit Steven Spielbergs „Schindlers Liste“ einem thematisch zu ähnlich gelagerten Konkurrenzfilm gegenübersah.
Denn wie „Schindlers Liste“ spielt auch „Wartime Lies“ (und somit „Aryan Papers“) während des Dritten Reiches und erzählt von einer jüdischen Familie, die sich im besetzten Polen durch sogenannte „Ariernachweise“ eine katholische Identität zulegt, um der Deportation in die Vernichtungslager der Nazis zu entgehen.
Für Warner, so sagte es Guadagnino bereits im Dezember 2024 in einem Interview mit Cura, habe er lange an einer Adaption des Kubrick-Drehbuchs gearbeitet, das sich im Kubrick-Archiv in London befindet. Kubrick-Fans werden vermutlich wissen, dass sich das „Aryan Papers“-Drehbuch dort in bester Gesellschaft mit einem anderen Skript befindet, das Kubrick Zeit seines Lebens nicht gestemmt bekam:
Kubricks nie realisierte Projekte
Die Rede ist freilich von „Napoleon“, einem Biopic über den französischen Kaiser, für dessen Hauptrolle Kubrick Jack Nicholson vorgesehen hatte. Doch auch hier findet sich eine Verbindungslinie zu Kubricks Schützling Spielberg, der seit geraumer Zeit an einer HBO-Miniserie basierend auf Kubricks Skript arbeitet – nach „A.I. – Künstliche Intelligenz“ also womöglich bereits das zweite Mal, dass Spielberg Kubricks Vision posthum zur Verwirklichung bringt.
Was „Aryan Papers“ angeht, ließ Guadagnino bereits vor Jahren gegenüber Screen Daily wissen, er sei ganz besessen von der Idee gewesen, dass ein Film-Titan wie Kubrick sich eines solch gewichtigen Stoffes über den Holocaust annehmen wollte. Und umso enttäuschter, als spätestens nach dem Tod Kubricks im Jahr 1999 klar war, dass das Projekt nun nicht mehr das Tageslicht sehen würde. Es ist daher mit Sicherheit davon auszugehen, dass Guadagnino weiterhin um das Projekt kämpfen wird und wir nicht zum letzten Mal von „Aryan Papers“ gehört haben.
Wenn man in der Filmbranche eines benötigt, so lehren es einen solche Geschichten, dann ist es Geduld. Jene musste auch Johnny Depp aufbringen, der nun nach 16 Jahren wieder mit einem absoluten Kult-Regisseur zusammenarbeiten wird. Mehr dazu im Folgenden:
Die Dreharbeiten beginnen in Kürze wirklich: Johnny Depp und Kultregisseur machen nach 16 Jahren endlich wieder gemeinsame Sache