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    Die FILMSTARTS-Kontroverse: Ist "Star Wars 8" Remake oder Weiterentwicklung?

    Die Redakteure Julius Vietzen und Tobias Mayer waren sich nicht einig, ob der Humor in „Star Wars: Die letzten Jedi“ passte. Bei einer anderen Frage haben sie sich schon wieder in den Haaren: Setzt Rian Johnson zu sehr auf Bekanntes?

    Disney / Lucasfilm

    Achtung, wir spoilern in der FILMSTARTS-Meinung munter drauf los!

    Julius Vietzen: In unserer FILMSTARTS-Kritik zu „Star Wars: Das Erwachen der Macht“ zeigen wir uns beinahe restlos begeistert, doch einige Kritikpunkte klingen durchaus an – darunter einer, dem viele „Star Wars“-Fans auf der ganzen Welt wohl zustimmen, nämlich dass „Episode VII“ im Grunde genommen ein Remake von „Eine neue Hoffnung“ ist. „Zu guter Letzt überlässt J.J. Abrams die schwierigste Aufgabe seinem Nachfolger Rian Johnson. Während Abrams den perfekten Fan-Service abliefert, sollte der nun zum Visionär werden“ resümiert FILMSTARTS-Chefredakteur Carsten Baumgardt dann jedoch und bringt damit meine Erwartungen (und ebenso wohl die Erwartungen vieler anderer Fans) an „Star Wars: Die letzten Jedi“ auf den Punkt. Allerdings hat mich „Star Wars 8“ wenigstens in dieser Hinsicht sehr enttäuscht, denn für mich ist auch das neueste Abenteuer in der weit, weit entfernten Galaxis größtenteils ein Remake, in dem bekannte Elemente, Themen und Handlungsstränge recycelt werden.

    Immer wieder Hoth

    Die letzten Jedi“ beginnt mit der Flucht des Widerstands vor der übermächtigen Flotte der Ersten Ordnung – das gab es bereits in „Das Imperium schlägt zurück“, nur eben mit Rebellen und Imperium. Statt der Ionenkanone sehen wir zwar ein Ablenkungsmanöver von Poe Dameron (Oscar Isaac), doch die Bilder der fliehenden Widerstandsschiffe gleichen der Evakuation von Hoth in „Episode V“ frappierend.

    Das große Vorbild Hoth wird auch ganz am Ende des Films noch einmal explizit beschworen, als sich der Widerstand auf Crait zum letzten Kampf gegen die Erste Ordnung stellt. Mit dem vernachlässigbaren Unterschied, dass es sich bei Hoth um einen Eisplaneten und bei Crait um einen Salzplaneten handelt, könnten die Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Schlachten kaum größer sein: Das Imperium bzw. die Erste Ordnung rückt mit zahlreichen mächtigen AT-ATs auf die Stellungen der Rebellen bzw. des Widerstands vor, die in beiden Fällen hoffnungslos unterlegen sind: Die Streiter für das Gute beziehen in Schützengräben Stellung, bemannen Geschütztürme und rücken den Fieslingen todesmutig aber wenig erfolgreich mit Speedern auf die Pelle.

    Infiltration und Repetition

    Wie sich nach scheinbar geglückter Flucht herausstellt, hat die Erste Ordnung eine Technologie entwickelt, mit deren Hilfe man Raumschiffe durch den Hyperraum verfolgen kann, was zuvor im „Star Wars“-Universum nicht möglich war. Finn (John Boyega), Rose (Kelly Marie Tran) und BB-8 brechen daher in einem zweiten Handlungsstrang auf eine Mission auf, um die Verfolgungstechnologie an Bord des Flaggschiffs von Snoke (Andy Serkis), der Supremacy, zu deaktivieren.

    Nach einem kleinen Umweg über die Casinostadt Canto Bight landen die drei Helden mit Hilfe des undurchschaubaren DJ (Benicio Del Toro) auf der Supremacy, schnappen sich ein paar Uniformen und legen irgendwo einen großen Schalter um. Eine Infiltration also mal wieder. Natürlich werden sie dabei erwischt und auch sonst wird mal wieder kräftig recycelt: In „Eine neue Hoffnung“ wurden Luke & Co. per Traktorstrahl auf den Todesstern gezogen und mussten ihn deaktivieren, um fliehen zu können. In „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“ musste der Schutzschild-Projektor auf Endor deaktiviert werden, um den zweiten Todesstern angreifbar zu machen. Und in „Rogue One“ galt es, die Pläne für den ersten Todesstern überhaupt erst zu stehlen, wofür – natürlich – eine imperiale Basis infiltriert werden musste.

    Ahch-To = Dagobah

    Im dritten Handlungsstrang von „Star Wars 8“ landet unterdessen ein hoffnungsvoller Schüler auf einem abgelegenen und beinahe unbewohnten Planeten, um dort seine Ausbildung zu beginnen, doch die erste Begegnung mit dem erhofften Meister läuft wesentlich anders ab, als gedacht. Auch das kommt einem „Star Wars“-Fan natürlich bekannt vor, schließlich gab es beinahe dieselbe Situation bereits in „Das Imperium schlägt zurück“ – nur eben auf Dagobah, mit Luke (Mark Hamill) als Schüler und Yoda (Frank Oz) als Meister, während Luke in „Die letzten Jedi“ halt der Meister ist und Rey (Daisy Ridley) seine hoffnungsvolle Schülerin.

    Auch abgesehen davon störten mich auf Ahch-To einige wiederkehrende Elemente: Natürlich muss auch dort einen von der Dunklen Seite der Macht heimgesuchten Ort geben, den der Schüler (bzw. in diesem Fall die Schülerin) besuchen muss. Und schlussendlich bricht Rey auf, um sich Kylo Ren (Adam Driver) und dem Obersten Anführer Snoke zu stellen, obwohl ihre Ausbildung nicht abgeschlossen und sie dazu noch nicht bereit ist – ebenso wenig wie Luke, als er in „Episode V“ aufbrach, um Darth Vader (David Prowse) zu konfrontieren. Und natürlich gleich diese Konstellation (Jedi stellt sich Sith-Lord und seinem Meister) auch Lukes Konfrontation mit Vader und dem Imperator (Ian McDiarmid) in „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“, was uns zum nächsten Punkt führt.

    Konfrontation im Thronraum

    Denn auch die Konfrontation selbst steckt wieder voller bekannter Elemente: Nicht nur die Ausgangssituation ist dieselbe – Rey stellt sich Kylo Ren, der sie zu Snoke bringt, ebenso wie Luke von Vader zum Imperator gebracht wurde –, auch ist die Konfrontation erneut in einer Art Thronraum angesiedelt. Und während Rey versucht, den zwischen Heller und Dunkler Seite hin- und hergerissenen Kylo ins Licht zu ziehen, wird sie von Snoke verspottet, der sie wiederum für die Dunkle Seite gewinnen will. Ebenso lief es in „Episode VI“ ab, nur halt mit anderem Personal. Dass Snoke dann von Kylo kaltblütig ermordet wird, mag auf den ersten Blick überraschend oder sogar enttäuschend wirken. Ruft man sich aber die entsprechende Szene aus „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“ ins Gedächtnis, ist es gänzlich erwartbar: Auch der Imperator wird schließlich von seinem Schüler Vader getötet, während er dabei ist, Luke mit Macht-Blitzen zu quälen.

    Im Anschluss an Snokes Tod klingt in „Die letzten Jedi“ dann nochmal ein Element aus „Das Imperium schlägt zurück“ an, als Kylo, ein Anhänger der Dunklen Seite, Rey, eine Anhängerin der Hellen Seite, davon überzeugen will, gemeinsam mit ihr über die Galaxis zu herrschen. Das versuchte in „Episode V“ schließlich auch Darth Vader mit Luke – und in „Episode III“ Darth Vader mit Padme (Natalie Portman).

    Die FILMSTARTS-Kontroverse: Stört der Humor in "Star Wars 8"?

    Fairerweise muss ich Rian Johnson allerdings zugestehen, dass er im Anschluss an den Kampf im Thronraum eine andere Richtung einschlägt – schließlich stirbt Vader nach seiner Rettungstat in „Episode VI“, während Kylo Ren zum neuen Obersten Anführer wird und sich nun wohl sehr wahrscheinlich endgültig der Dunklen Seite zuwendet. Und natürlich gibt es in „Die letzten Jedi“ noch zahlreiche andere neue und innovative Elemente, etwa die gemeinsamen Visionen von Rey und Kylo, doch werden diese von den bekannten Elementen beinahe erdrückt. Bei aller berechtigten Kritik an den Prequels: Da gab es in „Die dunkle Bedrohung“ und seinen direkten Nachfolgern wesentlich weniger recycelte Elemente.

    Widerspruch: "Star Wars" reimt sich!

    Tobias Mayer: Mit seiner Kritik stößt der werte Kollege Vietzen in ein ähnliches Horn wie alle, die seit Kinostart von „Star Wars 7: Das Erwachen der Macht“ posaunen, J.J. Abrams habe keinen eigenständigen Film, sondern nur ein Remake geliefert. Abgesehen davon, dass ein Remake an sich nichts Schlechtes ist und der Film allein deswegen schon frisch genug ist, weil eine spielfreudige junge Schauspielergeneration übernimmt, wird damals wie nun auch bei „Star Wars 8“ übersehen: George Lucas, so formulierte er es selbst, konstruierte seine Saga als Reim, als die Variation von Bekanntem. Seine Nachfolger J.J. Abrams und Rian Johnson mögen es mit dem Fan-Service hier und da übertreiben, halten sich aber im Grunde nur ans Lucas-Prinzip – und das ist richtig so!

    Reimen in „Star Wars“ bedeutet, dass sich Situationen und Figurenkonstellationen als Abwandlungen wiederholen: Drei Trilogien, drei Generationen Skywalker, dreimal ähnliche Probleme. Anakin (Jake Lloyd/Hayden Christensen) und Luke Skywalker (Mark Hamill) wuchsen beiden auf dem riesigen Sandklumpen Tatooine auf, wollten beide nichts als weg und bekamen ihren Wunsch erfüllt, wobei Jedi-Meister eine wichtige Rolle spielten: Beim Vater war es Qui-Gon Jinn (Liam Neeson), beim Sohn war es Obi-Wan Kenobi (Alec Guinness), die das Abenteuer starteten. Anakin und Luke werden beide von Vertretern der Dunklen Seite in Versuchung geführt – entscheiden sich aber anders. Denn reimen ist nicht kopieren.

    Rey (Daisy Ridley), die Heldin der neuen Trilogie, stammt wie Anakin und Luke von einem Sandplaneten. Ihre Herkunft sowie die Tatsache, dass sie ihre Eltern in „Star Wars 7“ nicht kannte, machte sie für viele Zuschauer automatisch zur Skywalker – doch die entsprechende Fan-Theorie beerdigt Rian Johnson in „Star Wars 8“ im Wüstensand. Reys Eltern sind eben keine bekannten, zu großem bestimmte Menschen, sondern Schrotthändler, die ihre Tochter für Geld verkauften. Rey will eine Jedi werden und kämpft gegen eine finstere Supermacht, aber ist keine Kopie von Anakin oder Luke. Die „Star Wars“-Filme sind reich an anderen Beispielen ähnlicher Abwandlungen (die sich zum Beispiel auch in den Designs der Raumschiffe finden).

    "Star Wars 8: Die letzten Jedi": Rian Johnson erklärt seine Entscheidung zu Reys Eltern

    Der Reiz am Reimen besteht darin, dass Vertrautes und Neues ineinanderfließen: Zwei Wörter klingen ähnlich, sind aber nicht dieselben. Finn (John Boyega) und Rose (Kelly Marie Tran) infiltrieren in „Die letzten Jedi“ einen Sternzerstörer, um etwas zu deaktivieren – ähnliche Einbrüche haben wir zuvor tatsächlich mehrmals gesehen, aber in keinem wurde eine ehemaliger Sturmtruppler zurück in die Umgebung seiner Ausbildung geschickt, wo er am Ende – wie Finn nach dem Kampf gegen Phasma (Gwendoline Christie) – seinen Entschluss festigte, die Seiten zu wechseln. Rey wird von einem alten Jedi auf einem abgelegenem Planeten ausgebildet, inklusive Ort der Dunklen Seite – die Konstellation kennen wir aus einer anderen Trilogie-Mitte, aus „Star Wars 5“, nur ist Rey nicht Luke und der alte Luke ist in seinem Gram ganz bestimmt kein verschmitzter Yoda.

    In „Star Wars 8“ kommt es wie in „Star Wars 6“ im Thronraum zum Tauziehen zwischen Dunkler und Heller Seite der Macht, wobei der selbstgewisse Obermotz (Snoke/Imperator) schlussendlich vom eigenen Schüler (Kylo/ Vader) getötet wird – noch nie in einem „Star Wars“-Film aber trat eine als übermächtig eingeführte Figur so schnell und überraschend ab wie in „Die letzten Jedi“: Die neue Generation, ob die der Regisseure oder die der Figuren, regelt die Dinge eben doch ein bisschen anders! Und ja, der weiße Salzplanet Crait erinnert an den weißen Schneeplaneten Hoth aus „Das Imperium schlägt zurück“, zusammen mit unterlegenen Rebellen und stapfenden AT-ATs. Unterschied: In „Star Wars 5“ ist es der Ort einer schlimmen Niederlage, an der Luke Skywalker nicht viel ändern konnte, in „Star Wars 8“ stößt seine trickreiche Heldentat eine neue Hoffnung an!

     

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