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    "Thor 4: Love And Thunder" – Es ist rückständig, dass das MCU Thor keine echte Trauer zugesteht!
    Stefan Geisler
    Stefan Geisler
    -Redakteur
    Stefan ist ein echter Comic-Fan: Er liebt Graphic Novels und klassische Comics wie "Hellboy" und "Batman". Er hofft auch immer noch auf eine Film-Umsetzung von Eric Powells "The Goon"!

    Der von Chris Hemsworth verkörperte Thor musste im MCU emotional immer wieder kräftig einstecken und dennoch wird dem Superhelden keine echte Trauer zugestanden. Damit offenbart Marvel ein schrecklich rückständiges Bild von Männlichkeit.

    Disney

    +++ Meinung +++

    Der von Chris Hemsworth großartig verkörperte Thor ist eigentlich einer der spannendsten und tragischsten Helden im MCU – doch auch in „Thor 4: Love And Thunder“ wollen ihm die MCU-Verantwortlichen keine echte Trauer zugestehen. Dabei hat der Superheld im MCU kräftig zu leiden. Warum es bei all den tragischen Schicksalsschlägen noch immer angebracht zu sein scheint, Thor als schrulligen Spaßvogel zu inszenieren und dessen Trauer immer und immer wieder ins Lächerliche zu ziehen, zeigt, wie rückständig das MCU-Verständnis von Männlichkeit noch immer ist.

    Der Donnergott hat in seinen Film-Auftritten eigentlich alles verloren, was ihm lieb und teuer war. Diese tragische Reise beginnt bereits in seinem ersten Leinwand-Abenteuer. Hier verliert er am Ende des Films nicht nur seinen Bruder Loki (Tom Hiddleston), der von der Weltenbrücke stürzt und von einem Wurmloch verschlungen wird, sondern muss auch noch eigenhändig den Weg zu seiner wahren Liebe Jane Foster (Natalie Portman) zerstören, um ein größeres Übel zu verhindern.

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    Dieser schmerzliche Weg geht für den Helden im Eiltempo weiter – so wird in „Thor 2 - The Dark Kingdom“ seine Mutter Frigga (Rene Russo) von einem Leutnant der Dunkelelfen-Armee ermordet – ein Verlust, der noch lange nachhallt. Und auch im nächsten Solo-Film gibt es für Thor keine emotionale Ruhephase: Hier segnet sein Vater Odin (Anthony Hopkins) das Zeitliche – und wenig später muss der Superheld erneut den Verlust seines Bruders verkraften, denn dieser wird in „Avengers: Infinity War“ vor seinen Augen von Thanos (Josh Brolin) höchstselbst hingerichtet.

    Thor umgibt permanent Tod & Leid

    Doch auch außerhalb der eigenen Familie ist der Tod präsent: Enge Freunde und Verbündete wie Heimdall (Idris Elba) werden von Thanos gemeuchelt – während seine Kameraden, die tapferen Drei, Fandral, Volstagg, Hogun allesamt in „Thor 3: Tag der Entscheidung“ einen Nebencharakter-Tod sterben mussten, mutmaßlich weil kein Drehbuchschreiber/Regisseur etwas mit ihnen anzufangen wusste. Und wem dies alles noch nicht reicht, der darf sich gerne noch einmal in Erinnerung rufen, dass Thor auch noch den Verlust seiner Heimatwelt Asgard hinnehmen musste, die vollständig zerstört worden ist.

    Und wer hier einwerfen möchte, dass Asgard nie ein Ort war, sondern immer durch das Volk verkörpert wurde und dementsprechend der Verlust nicht so schwer wiegen dürfte, der sollte sich die Anfangsszene von „Avengers: Infinity War“ ins Gedächtnis rufen. Hier fängt Thanos das Raumschiff der neuen Weltraum-Nomaden ab und tötet – wie sollte es auch anders sein – dort die Hälfte der Asen (Einwohner Asgards).

    Thor 4: Love And Thunder

    Achtung, Spoiler zu „Thor 4: Love And Thunder“! Und selbst im neusten Teil bekommt Thor keine seelische Erholung, denn hier fällt mit Jane Foster seine einzig große Liebe einem schrecklichen Krebsleiden zum Opfer. Ihr Kampf gegen diese unbarmherzige Krankheit, den sie letztlich doch in den Armen eines wieder einmal gebrochen Thors verliert, gehört eigentlich zu den tragischsten Augenblicken der gesamten MCU-Geschichte.

    Trauerbewältigung durch Fat-Shaming?

    Wäre Marvel DC, dann würde Thor als gebrochener dunkler Rächer in den Straßen der Stadt für Ordnung sorgen. Doch trotz all dieser Schicksalsschläge wird dem Superhelden keine ernsthafte Trauer zugestanden. Schlimmer noch: Der Ausdruck und die Andeutung von Trauer und der Umgang mit dieser wird in den Filmen konsequent ins Lächerliche gezogen.

    Wenn Thor sich aufgrund der erlittenen emotionalen Tiefschläge gehen lässt und in „Avengers: Endgame“ in eine sichtbare Depression rutscht und seinen Schmerz mit Essen zu unterdrücken versucht, dann bietet diese Entwicklung doch das Potenzial, der Figur neuen Tiefgang zu verleihen und einmal genauer in die seelischen Abgründe zu schauen, die den Donnergott schon so lange quälen – doch stattdessen dürfen wir als Zuschauer*innen ungeniert über den „Fat Thor“ lachen, der so unbeholfen in seinem neuen Körper zu agieren scheint – das ist nicht nur unangenehmes „Fatshaming“ und wird auch dem tragischen Held in keiner Weise gerecht.

    Wir lachen über den Helden, nicht mit ihm

    Dieses Muster zieht sich durch alle neueren Thor-Filme. Sofern sich ein Hauch emotionaler Tiefe ankündigt oder der Donnergott sich mit einer emotionalen Herausforderung konfrontiert sieht, wird einfach ein Witz nachgeschoben, um die Stimmung zu lockern. Dass wir dabei oft über und nicht mit dem gebrochenen Helden lachen, wird dabei bewusst in Kauf genommen.

    Eine der merkwürdigsten Momente im neuen „Thor 4: Love And Thunder“ ist beispielsweise die Verhörszene vor Zeus (Russell Crowe) in der Allmachtsstadt, der Residenz der Götter. Als Thor hier die Kleider vom Leib gerissen werden und er einen unfreiwilligen Blanker-Arsch-Auftritt hinlegen muss, wird auch ein großer Schriftzug mit der Aufschrift „RIP Loki“ und ein gehörnter Helm mit gebrochenem Herz auf dem Rücken des Donnergottes sichtbar. Für einen müden Gag, der auch in der von mir besuchten Kino-Vorstellung einige schnelle Lacher gezogen hat, zieht Regisseur Taika Waititi hier Thors Trauerbewältigung ins Lächerliche.

    Trauer ist „unmännlich“ und muss überwunden werden

    Das MCU will keinen gebrochenen Götter-Helden. Chris Hemsworth soll weiter fröhlich in die Kamera grinsen und seine Muskeln spielen lassen, während seine Trauer für schrullige Witze herhalten muss. „Fat Thor“ oder ein Selbstfindungs-Thor, der in wogenden Gewändern seinen inneren Frieden sucht, sind das lächerliche Höchstmaß an Trauerbewältigung, die diesem Charakter zugestanden werden.

    Marvel kontert persönliches Leiden mit Humor. Trauer und der Umgang mit dieser werden als Lacher missbraucht. Emotionale Zusammenbrüche sind nicht mehr als eine Phase, die sich in einem vermeintlich gegensätzlichen Bild von Männlichkeit niederschlägt, die letztlich nicht integriert, sondern überwunden werden muss. Mit der Wiederherstellung eines oberflächlichen Schönheitsideals wird hier auch die Trauerphase abgeschlossen – sofern Thor wieder sein Sixpack zeigt, ist die Marvel-Welt in Ordnung!

    Thor darf keine langfristige Veränderung durchmachen – nicht geistig und schon gar nicht körperlich – und muss auch nach dem x-ten Verlust mit Beginn des nächsten Films wieder den sexy Strahlemann geben, für den ihn die Fans so lieben. Dass diese Darstellung von Trauer bisweilen höchst unangenehme Züge annehmen kann und zudem noch ein rückständiges Bild von Männlichkeit offenbart, scheint den MCU-Verantwortlichen dabei herzlich egal.

    Kein Witz: Für die schreienden Ziegen in "Thor 4: Love And Thunder" ist Superstar Taylor Swift verantwortlich

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