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    Head Full Of Honey
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,0
    schlecht
    Head Full Of Honey

    Wir wissen auch nicht, warum

    Von Christoph Petersen

    Dass Til Schweiger seine Filme deutschen Journalisten nicht mehr vorab in Pressevorstellungen zeigt, ist bekannt und okay. Dann geht man eben in eine Preview, ist ja auch ganz nett, mal wieder einen Film mit „ganz normalen Leuten“ zu schauen. Oder so dachte ich zumindest. Vor ziemlich genau zehn Jahren war ich schon mal bei einem Schweiger-Film in einer Ladies Night, damals bei „Zweiohrküken“. Und obwohl ich die Fortsetzung längst nicht so toll fand wie noch „Keinohrhasen“, hatte ich trotzdem eine Menge Spaß: Der Saal war proppenvoll und die Zuschauer sind gut mitgegangen. Zum Start des Vorprogramms zu „Head Full Of Honey“ saßen zwei Männer in der Ladies Night in einem Berliner Multiplex, ich und noch ein anderer Journalist. Später schlichen sich noch fünf weitere Zuschauer rein. Stimmung kam keine auf.

    Nun hat die Popularität von Til Schweiger im Laufe der vergangenen Jahre mit Ausnahme des grandios erfolgreichen „Honig im Kopf“ (hierzulande mit 7,2 Millionen Kinogängern der besucherstärkste Film des Jahres 2014) natürlich schon kontinuierlich nachgelassen. Aber so sehr? Sicherlich nicht. Viel naheliegender erscheint da schon, dass es den meisten weggebliebenen Zuschauern so ähnlich ging wie uns und sie einfach nicht verstanden haben, warum man sich das englischsprachige Eins-zu-eins-Remake eines gerade mal fünf Jahre alten deutschsprachigen Über-Mega-Superhits anschauen sollte? Und was soll man denen auch sagen: Nach den überlangen 132 Minuten von „Head Full Of Honey“ sind wir jedenfalls genauso ratlos wie zuvor. Zumal Schweiger den Film zwar nahezu Einstellung für Einstellung einfach noch mal gedreht hat, dabei aber trotzdem einige der Qualitäten des Originals auf der Strecke geblieben sind.

    Kein gleichwertiger Ersatz für Dieter Hallervorden und Emma Schweiger: Nick Nolte und seine Tochter Sophie Lane.

    Nach dem Tod seiner Frau wird der ehemalige Tierarzt Amadeus (Nick Nolte) immer verwirrter, weshalb ihn sein Sohn Nick (Matt Dillon) und seine Schwiegertochter Sarah (Emily Mortimer) schließlich aus den Vereinigten Staaten zu sich nach London holen. Aber auch hier wird die Sache nicht besser. Amadeus setzt beim Backen die Luxusküche in Brand und pinkelt in den Kühlschrank statt ins Klo. Als Nick und Sarah deshalb darüber nachdenken, Amadeus womöglich in ein Heim für demenzkranke Menschen zu geben, kommt ihnen ihre Tochter Matilda (Sophie Lane Nolte) zuvor. Die Zehnjährige schnappt sich ihren Großvater und macht sich mit ihm gemeinsam auf den Weg quer durch Europa bis nach Venedig – eine Stadt, mit der Amadeus einige seiner schönsten noch verbliebenen Erinnerungen verbindet...

    Til Schweiger wollte mit „Head Full Of Honey“ gerne Nominierungen bei den wichtigsten Filmpreisen abstauben, vor allem für seinen Hauptdarsteller Nick Nolte. Das ist allerdings ziemlich in die Hose gegangen. Nicht nur hat „Head Full Of Honey“ bei einem US-Plattformstart im vergangenen Jahr eine katastrophale Box-Office-Bruchlandung hingelegt, der Film wurde von der amerikanischen Kritik auch böse verrissen. In einem Interview mit der Bild-Zeitung hat Schweiger dazu gesagt, dass er damals einfach noch nicht wusste, dass man die 82 Mitglieder der Hollywood Foreign Press Association (HFPA) in der Ersten Klasse einfliegen müsse, um bei den Golden Globes überhaupt eine Chance zu haben. Aber nun ist es zum einen so, dass die HFPA und nicht die Studios traditionell die Flüge für ihre Mitglieder zahlt (was dann vor Ort passiert, ist noch mal eine ganz andere Sache). Und zum anderen stammen die harschen Verrisse auch gar nicht von HFPA-Mitgliedern, sondern von sehr renommierten Publikationen, die nun gerade nicht im Häppchen-für-gute-Wertungen-Verdacht stehen.

    Eine neue Definition von Stakkato-Dialogen

    Ich bin, was die Qualität von „Head Full Of Honey“ angeht, jedenfalls auf Seiten von New York Times und Los Angeles Times. Aber das ist längst nicht der Punkt, wo die Meinungen von Til Schweiger und mir am weitesten auseinanderliegen. Die entscheidende Frage ist doch eine ganz andere: Wie viele Schnitte braucht man, um einen vermeintlich alltäglichen Vorgang wie das Öffnen einer Tür zu zeigen? Ich persönlich würde für keinen bis einen plädieren. Schweiger und sein Cutter Christoph Strothjohann scheinen hingegen eine gänzlich andere Ansicht zu vertreten. Vor allem in der ersten halben Stunde von „Head Full Of Honey“ droht das Publikum, selbst bei eigentlich simplen Dialogszenen seekrank zu werden. Es gibt gleich reihenweise eigentlich stinknormale Gesprächssequenzen, in denen die durchschnittliche Einstellungslänge bei weniger als einer Sekunde liegt.

    Da fühlt man ihn dann, den titelgebenden Honig im Kopf. Und wenn es zwischendurch mal ein bisschen ruhiger wird, zerlegt Schweiger das Schmieren eines buchstäblichen Butterbrots plötzlich in so viele Mini-Einstellungen, dass man sich fast schon in einer Actionsequenz von Michael Bay wähnt. Das ist übrigens in dem Moment keinesfalls ironisch gemeint, der ganze Film ist derart zerfetzt. Gerade erst hat John Ottman, der in diesem Jahr mit dem Oscar für den Besten Schnitt ausgezeichnet wurde, zugegeben, dass er sich für eine im Netz viral gegangene Szene aus „Bohemian Rhapsody“ schämt, in der er ein zweiminütiges Gespräch zwischen Queen und ihrem Manager mit mehr als 60 Schnitten zerlegt hat. Aber selbst das ist nichts gegen das Szenenmassaker in „Head Full Of Honey“. Gut, dass man den Film schon mal gesehen hat, sonst würde man die Hälfte wahrscheinlich gar nicht mitbekommen, weil einen der ziellose Schnitt ständig aus der Geschichte reißt.

    Endlich in Venedig angekommen: Auch für das Publikum eine Erleichterung.

    Aber zurück zur ursprünglichen Frage: Warum? Wenn man Fans von „Honig im Kopf“ fragt, was ihnen an dem Film denn am besten gefällt, erhält man vor allem zwei Antworten: Dieter Hallervorden und Emma Schweiger! Aber da können Nick Nolte („Nur 48 Stunden“, „Der Herr der Gezeiten“) und Sophie Lane Nolte einfach nicht mithalten. Wobei das längst nicht nur an der bereits dreifach oscarnominierten Hollywoodlegende und seiner Tochter (die hier seine Enkelin spielt) selbst liegt: Vor allem Sophie Lane Nolte hat eigentlich nie eine reelle Chance, weil es von der ersten Szene an einfach nicht so wirkt, als würde sie die Figur tatsächlich an sich reißen (ob „wollen“ oder „dürfen“, lässt sich aus der Ferne natürlich nicht so leicht sagen). Stattdessen kopiert sie einfach Emma Schweiger – bis hin zu derem genervten Augenrollen und Wimpernhochziehen, zwei eigentlich unverwechselbare Moves, die längst zu so etwas wie dem Markenzeichen von Emma Schweiger geworden sind. Und auch Papa Nolte gewinnt seiner Figur nichts ab, was man bei Hallervorden nicht schon (überzeugender) gesehen hätte.

    Der Rest ist – abgesehen von einigen eingestreuten Seitenhieben auf Donald Trump, auf den einmal sogar eine Banane geworfen wird – ebenfalls nahezu identisch mit dem Original. Selbst der Gurken-Gag im Nonnenkloster ist derselbe und auch beim zweiten Mal nicht lustig. Nach zwei Stunden, in denen jedes Set wie bei „SCHÖNER WOHNEN“ eingerichtet ist, jeder Song schmalzig klebt und die Statisten in den Gassen Venedigs allesamt wie Fotomodelle aus einem Tourismusführer aussehen, steht schließlich die Erkenntnis, dass die meisten Menschen mit Demenz wahrscheinlich doch noch viel mehr von ihrer Umgebung mitbekommen, als man vielleicht auf den ersten Blick glauben würde. Das ist aller Ehren wert, aber der kitschige und viel zu lange Weg dorthin hat mit sowas wie echtem Leben leider rein gar nichts zu tun.

    Fazit: Egal wie man zu „Honig im Kopf“ steht, das englischsprachige Remake ist dem deutschsprachigen Original deutlich unterlegen.

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