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    DogMan
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    DogMan

    Einer der aufregendsten Genrefilme des Jahres!

    Von Oliver Kube

    Gut oder böse? Das ist bei vielen der Protagonist*innen von Luc Besson gar nicht so leicht zu beantworten. Der „Das fünfte Element“-Regisseur liebt einfach ambivalente Antiheld*innen – und ist damit in Filmen wie „Im Rausch der Tiefe“, „Léon – Der Profi“ oder „Nikita“ auch immer gut gefahren. Aber mit dem Titel-„Helden“ seines neuen Films setzt er noch mal einen drauf – zumal er dazu auch noch vogelwild zwischen den Genres springt: „DogMan“ ist einerseits ein absolut niederschmetterndes psychologisches Charakterdrama – zugleich aber eben auch Heist-Thriller, Folter-Horror, Neo-Noir, Action-Komödie und stellenweise sogar romantisch.

    Dazu gibt es massenhaft toughe, niedliche, drollige, pfiffige und im Fall der Fälle auch tödliche Hunde zu bestaunen! Trotzdem wirkt „DogMan“ nie zusammengestückelt oder gar überfrachtet – und das liegt nicht nur an Bessons verspielten, aber dennoch punktgenauen Drehbuch, sondern speziell auch am absolut herausragenden, mit vollem Körpereinsatz aufspielenden Hauptdarsteller Caleb Landry Jones („Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“).

    Seine Hunde würden einfach alles für Douglas (Caleb Landry Jones) tun – und damit meinen wir wirklich ALLES!

    Als Kind wird der intelligente, aber stille Douglas (Lincoln Powell) von seinem tobsüchtigen Vater (Clemens Schick) und seinem fundamentalistischen älteren Bruder (Adam Speers) über Jahre hinweg übelst misshandelt. Schließlich sperrt der tyrannische Menschenhasser seinen Sohn sogar zu seinen hochaggressiven, weil bewusst unterernährten Kampfhunden in den Zwinger. Aber statt den Jungen in Stücke zu reißen, werden die Vierbeiner zu seinen Verbündeten – und die hat er auch dringend nötig, wenn er selbst die Wintermonate ganz ungeschützt draußen im Garten verbringen muss.

    Mental und körperlich noch immer von den Misshandlungen gezeichnet, versucht der Erwachsene, inzwischen im Rollstuhl sitzende Douglas (jetzt: Caleb Landry Jones), seinen Weg in der Welt zu finden. Wobei er menschliche Kontakte auf ein Minimum beschränkt und stattdessen ganz allein ein Heim für herrenlose Hunde führt. Um sich das leisten zu können, betätigen sich Douglas und seine vierbeinigen Kumpanen u. a. als Juwelendiebe – und auch vor einer Konfrontation mit dem lokalen Gangsterboss schrecken sie im Notfall nicht zurück…

    Ein grandioses Spiel mit den Genres

    Laut Douglas haben Hunde nur einen einzigen Fehler: Sie vertrauen Menschen! Trotzdem öffnet sich der gleich in der ersten Szene von der Polizei aufgegriffene Douglas in seiner Zelle einer Polizeipsychologin (Jojo T. Gibbs) – offenbar spürt er instinktiv, dass die beiden mehr gemein haben, als es für Außenstehende den Anschein hat: So erzählt er ihr – und damit uns – anhand teilweise haarsträubender Episoden, wie es dazu kam, dass er mitten in der Nacht mit einer blutenden Schusswunde im Marilyn-Monroe-Outfit mit einem Lastwagen voller Hunde unterwegs war.

    „DogMan“ ist in seiner Rückblenden-Struktur wirklich wahnsinnig unterhaltsam. Nie weiß man, was als nächstes passiert. Kommt ein sepiagefärbter Blick in die brutale Kindheit des Titelhelden? Folgt eine gewalttätige Auseinandersetzung mit den schießwütigen Latino-Gangstern, derer sich Douglas im bewährten Stil von „Kevin – Allein zu Haus“ erwehrt? Gibt es wieder einen pfiffigen Heist, bei dem statt Brad Pitt und George Clooney die verschiedenen Hunderassen perfekt miteinander harmonieren? Oder kommt doch eine berührende Gesangseinlage im Edith-Piaf-Fummel? Neben seinen Hunden und seinen Büchern sind die Auftritte in einer Travestie-Show offenbar Douglas‘ einziger Ausbruch vom täglichen Kampf ums Überleben.

    Ein "Joker" und seine vierbeinigen Freunde

    Trotz dieser vielleicht etwas wild anmutenden Auflistung fügt sich das Nebeneinander aus zutiefst tragischen und abgefahren-schwarzhumorigen Momenten erstaunlich homogen zusammen – mit einem gehörigen Schuss Melancholie, die das Schicksal aller ausgestoßenen Zwei- und Vierbeiner dieser dunklen Welt miteinander zu verbinden scheint. Auch audiovisuell wirkt alles wie aus einem Guss: Die grobkörnigen Bilder von Kameramann Colin Wandersman („Zum Verwechseln ähnlich“) sind dynamisch, aber niemals hastig geschnitten und der erstaunlich effektive Score von Besson-Dauerkollaborateur Éric Serra („James Bond 007 - GoldenEye“) erzeugt eine konstant düstere, jedoch nicht alles erdrückende Atmosphäre.

    Das ganze Szenario erinnert – nicht nur von der Stimmung – ein wenig an „Joker“. Dieser Eindruck wird durch einige zumindest oberflächliche Gemeinsamkeiten zwischen den Protagonisten noch verstärkt: Schließlich steht in beiden Filmen ein gesellschaftlicher Außenseiter mit einer traumatischen Jugend, der sich dazu noch gern schminkt beziehungsweise verkleidet und für das Gesetz wenig übrig hat, im Zentrum. Im Gegensatz zu Joaquin Phoenix‘ manischer Figur haben wir hier jedoch immer das Gefühl, dass Douglas – so verwundbar er er mit seinen Beinschienen auch wirken mag – zumindest mental immer Herr der Lage ist. Schließlich weiß er, dass er nicht allein ist…

    Da kann man den Cops nur viel Glück wünschen: Douglas‘ komplette Hundemeute einzufangen, wird sicherlich keine leichte Aufgabe…

    Einige der Hunde, darunter etwa der Dobermann, der den Einlass in Dougs Reich in einem halbverfallenden Schulgebäude „regelt“, oder der als eine Art Assistent auftretende Jack Russell Terrier, entwickeln schnell wiedererkennbare Charakterzüge. Und das dankenswerterweise ohne, dass sie irgendwie vermenschlicht wurden. Die Leistung von Bessons vierbeinigen Darsteller*innen und ihrer Trainer*innen kann jedenfalls nicht hoch genug eingeschätzt werden. Sind die Tiere doch ein integraler Teil von „DogMan“ – real gefilmt und nicht aus Bequemlichkeit oder Kostengründen durch digitale Wesen aus dem PC (ja, „Ruf der Wildnis“, wir meinen dich) ersetzt worden.

    Fazit: Irgendwo zwischen „Joker“, einem abgefuckten „Pferdeflüsterer“ und der Erwachsenen-Version von „Kevin – Allein zu Haus“ entpuppt sich „Dogman“ als ein komplett wilder, dabei aber enorm unterhaltsamer Ritt zwischen den Genres. So wird das Publikum nur selten ahnen, was wohl als nächstes passiert! Caleb Landry Jones glänzt dabei als charismatische Mischung aus gnadenlosem Racheengel und sanftem Tierfreund – neben Léon aus „Léon - Der Profi“ die bisher wohl spannendste Hauptfigur eines Luc-Besson-Films überhaupt.

     

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