The Richest Woman In The World
Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
2,0
lau
The Richest Woman In The World

Nach dem Serienhit legt Netflix jetzt auch noch einen Spielfilm nach!

Von Patrick Fey

Es ist ja nicht so, als hätte es in den letzten Jahren nicht genug Filme und Serien über das reichste 1 Prozent gegeben. Während Filme wie „Parasite“, „The Menu“ oder „Triangle Of Sadness“ auf mehr oder weniger aufschlussreiche Weise die Superreichen in ihrer Geistlosigkeit entblößen, haben Prestige-Serien wie „The White Lotus“ oder „Succession“ ein interessantes Spiel mit uns getrieben, das uns zeigt, wie leicht (und gern!) wir uns mit den Problemen der ökonomischen Elite identifizieren — ganz unabhängig von unseren eigenen Vorbehalten und Kontoständen. Von dieser Verführung nimmt Thierry Klifa in seinem sechsten Kino-Spielfilm allerdings gehörigen Abstand. Lose basierend auf dem Leben von Liliane Bettencourt, die als Hauptanteilseignerin von L’Oréal zum Zeitpunkt ihres Todes 2018 als reichste Frau der Welt galt, zeigt uns Klifa eine Isabelle Huppert, die als orientierungslose Milliardärin auf einen gewieften Scharlatan hereinfällt.

Der wahre Fall wurde bereits 2023 ausführlich in der dreiteiligen Netflix-True-Crime-Miniserie „Die Affäre Bettencourt: Skandal um die reichste Frau der Welt“ behandelt. Was diesem Genre zumeist abgeht, das weiß Klifa in der ersten Hälfte von „The Richest Woman In The World“ gut herauszuarbeiten: Humor! Dabei entstehen einige vergnügliche Momente, insbesondere, wenn die Milliardärin Marianne ihre Schlagfertigkeit ausspielen darf. Ihr Humor ist nicht immer politisch korrekt, bisweilen rassistisch, doch man hätte keine bessere Darstellerin als Huppert („Elle“) finden können, um uns trotzdem — und zwar ohne, dass es dafür besonderes Zähneknirschen bedürfte — zum Lachen zu zwingen. Wie vielen solcher Filme fällt die Einführung in das rauschhafte Luxusleben der Konzernvorstehenden allerdings wesentlich leichter als die spätere Krise, an der nicht nur Marianne, sondern auch das Drehbuch gehörig zu knabbern hat.

Mit Isabelle Hupper hat Regisseur Thierry Klifa die perfekte Besetzung für seinen von Netflix koproduzierten Film gefunden! Haut et Court
Mit Isabelle Hupper hat Regisseur Thierry Klifa die perfekte Besetzung für seinen von Netflix koproduzierten Film gefunden!

Bis es aber zu jenem Abstieg kommt, braucht es erst einmal einen Schurken. Und dass es sich bei dem von Laurent Lafitte gespielten Pierre-Alain Fantin um einen solchen handelt, daran bestehen nur zu Beginn noch gewisse Restzweifel, wenngleich sein intrigantes Grinsen uns dahingehend schon früh den Weg weist. Falls er doch noch einen kleinen Teil des Publikums für sich einnehmen kann, dann nur, weil seine über alles erhabene Arroganz die starren Regeln aufbricht, die ansonsten in Mariannes Pariser Villa herrschen.

Dabei werden über die gesamte Laufzeit hinweg Befragungen der Protagonist*innen vor schwarzem Hintergrund zwischengeschnitten. Mit wem die Figuren im Gespräch sind, das bleibt uns bis zum Ende verborgen – wobei die Befragungen sowieso weder unser Interesse an den Geschehnissen noch an ihrer Aufklärung wecken. Man mag diese Zwischensequenzen während des Films nicht weiter infrage stellen, wohl auch, weil es sich dabei um ein so gängiges Genre-Stilmittel handelt. Klifa, der hier neben Jacques Fieschi und Cédric Anger auch für das Drehbuch verantwortlich zeichnet, muss sich allerdings durchaus die Frage gefallen lassen, inwiefern die Verhör- bzw. Interview-Szenen seiner Geschichte dienlich sind. In einem Film, der ansonsten nahezu ohne Formbewusstsein daherkommt, wirken diese Szenen schlicht wie Fremdkörper.

Ein teurer zweiter Frühling

Auf erzählerischer Ebene wirkt das Muster, das sich in der Folge abspielt, allzu vertraut. Marianne findet im dandyhaften Fantin und dessen Narzissmus einen Ebenbürtigen, der sich ihr gegenüber nicht verbiegt, sondern ihr mit seinem Geschick fürs Parlieren, seiner Standfestigkeit und dem Versprechen künstlerischer Geschmackssicherheit imponiert. Jenen zweiten Frühling, den Fantin ihr zu bereiten scheint, lässt sich Marianne einiges kosten, sei es in Form von Immobilien, Kunstwerken oder sonstigen Zuwendungen. Als das Personal, Freunde und Familie sich der Intensität bewusst werden, mit der Marianne Fantin verehrt und unterstützt, scheint es bereits zu spät, denn der Parasit hat sich längst fest im Grundstein eingenistet.

Diese Prämisse hat durchaus ihren Charme, besonders, wenn die bourgeoisen Wertevorstellungen in Mariannes Umfeld durch Fantin als solche entblößt werden. So stellt dieser seine Homosexualität nicht nur offen zur Schau, sondern lebt sie im Beisein von Mariannes erweiterter Familie auch offen aus. Dass es nun ausgerechnet der homosexuelle Künstler ist, der als deviante Figur herhalten muss, die nicht nur mit den sozialen Codes bricht, sondern sich schnell auch als heimtückischer Konspirateur zu erkennen gibt, mag dem oder der einen oder anderen übel aufstoßen. Der Geschichte weitaus abträglicher ist allerdings, dass Regisseur Klifa die Doppeldeutigkeit, die Fantin zu Beginn, wenn seine Absichten noch nicht ganz eindeutig sind, ausstrahlt, partout nicht aushält.

Wenn die Handlung zum Selbstläufer wird

Sobald wir uns als Publikum also erst einmal sicher sind, wie die Fronten hier abgesteckt sind, fühlt sich „The Richest Woman In The World“ schnell wie ein Malen nach Zahlen an; eine reine Auftragsarbeit, deren Stationen sich, bar jeder Spannung, nun leidlich vor unseren Augen entblättern. Vorgetragen zu zunehmend aufdringlicher werdender Musik können wir nun beobachten, wie aus Mariannes Abhängigkeit zu ihrem neuen, rein platonischen Gespielen bald schon ein Familienstreit entbricht.

In der Entscheidung, das Figurentableau durch die Perspektiven des Hausangestellten Jerome (Raphaël Personnaz) oder der Familie ihrer Tochter (Marina Foïs) zu erweitern, mag sich Klifa Komplexität versprechen. Doch abgesehen von einmaligen Hinweisen darauf, dass Mariannes Tochter etwa nur dadurch einen gewissen Status als Pianistin erlangt hat, weil Marianne höchstselbst erst alle Platten produzieren und dann kaufen ließ, gestaltet sich diese Verschlungenheit von Interessen, Existenz und Kapital nicht sonderlich interessant.

Ihre Tochter bleibt bis zum Schluss rechtschaffen und integer, lehnt die „erste Million“ ab, die Marianna ihrem Enkelsohn zur Bar Mitzwa schenken möchte, und schlägt schließlich den juristischen Weg ein, um sich des Schmarotzers Fantin zu entledigen. Doch die Geschichte will nicht mehr so recht Fahrt aufnehmen. Wohl auch, weil das Pulver just in dem Moment verschossen ist, da wir Gewissheit darüber haben, was es nun genau mit Fantin auf sich hat.

Fazit: „The Richest Woman In The World“ ist das, was man gemeinerweise als Netflix-Film bezeichnen könnte: nämlich ein Film, der zwar im ersten Moment im Kino-Format daherkommt, im Grunde aber für den Handybildschirm konzipiert scheint. Der Fokus liegt hier durchweg auf dem Plot, woran man sich nicht unbedingt weiter stören müsste, wenn die Geschichte selbst nur spannend genug wäre. Aber da auch das nicht hinreichend der Fall ist, greift man wohl besser auf die Miniserie zum selben Thema zurück – die gibt es schließlich auch auf Netflix.

Wir haben „The Richest Woman In The World“ beim Filmfestival in Cannes 2025 gesehen, wo er außer Konkurrenz gezeigt wurde.

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