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    The Runaways
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    The Runaways
    Von Daniel Jacobs

    „Mädchen spielen keine elektrische Gitarre." Das muss sich die junge Joan Jett von ihrem Gitarrenlehrer sagen lassen und wird zu den Klängen des Soul-Klassikers „It's a Man's Man's Man's World" in eine ungewisse Zukunft entlassen. Nur wenige Jahre später tritt der rebellische Teenager zum Gegenbeweis an und erschüttert mit der komplett weiblich besetzten Sensations-Band The Runaways die vermeintliche Männerdomäne des Rock-‘n'-Roll-Geschäfts. Regisseurin Floria Sigismondi kann sich bei ihrem unterhaltsamen Biopic „The Runaways" auf ihr Talent zur Inszenierung von Performances jeder Art und ihren fast durchgehend gut aufgelegten Cast um die Jungstars Kristen Stewart und Dakota Fanning verlassen. Die Tiefe und Brillanz der Genre-Highlights aus den vergangenen Jahren erreicht sie allerdings nicht.

    Mitte der 70er Jahre ist die Rollenverteilung im Rock 'n' Roll noch glasklar und Frauen werden in der Regel nur als Groupies geduldet. Die jungen Außenseiterinnen Joan Jett (Kristen Stewart) und Cherie Currie (Dakota Fanning) wollen es trotz dieser Hürde schaffen. Während Jett sich durch Gitarrenstunden quält und Mitglieder für eine Mädchen-Band sucht, sammelt Currie mit einer verhassten David-Bowie-Performance in der Schule die ersten Bühnenerfahrungen. Der knüppelharte Star-Produzent Kim Fowley (Michael Shannon) erkennt schließlich das Potenzial der beiden Teenager und bringt sie mit der Gitarristin Lita Ford (Scout Taylor-Compton), der Schlagzeugerin Sandy West (Stella Maeve) sowie der Bassistin Robin (Alia Shawkat) zusammen. Im knallharten Jam-Session-„Boot Camp" will er der neuformierten Band mit dem Namen The Runaways die nötige Aggressivität für die Bühne mitgeben und verpasst ihnen ein verruchtes, unverschämt erotisches Image, mit dem auch die eindimensionale Männerwelt überzeugt werden soll. Der erste Hit „Cherry Bomb" lässt nicht lange auf sich warten und entfacht einen unvergleichlichen Hype, eine ausverkaufte Tour im fernen Japan folgt. Doch der enorm hohe Druck und der ausschweifende Glamour-Lebensstil der Leadsängerin treiben mit der Zeit einen Keil zwischen die Bandmitglieder...

    Ray", „Control", „Walk the Line" - das sind drei besonders beeindruckende Beispiele aus einer ganzen Reihe gelungener Musiker-Biopics der vergangenen Jahre, die nicht nur mit hervorragenden schauspielerischen Leistungen beeindruckten. Ihre Macher gewannen dem altehrwürdigen Genre auch jeweils durchaus eigene Facetten ab und erfüllten zugleich weitgehend die sehr hohen Erwartungen der Fans der Porträtierten. Der Druck auf Floria Sigismondi dürfte nicht ganz so groß gewesen sein: The Runaways sind trotz ihrer historischen Einzigartigkeit im Vergleich zu Ray Charles oder Johnny Cash doch relativ unbekannt. Diese größere Freiheit nutzt die Musik-Video-Regisseurin zu einer vor allem in der zweiten Filmhälfte gelungenen Rock-Business-Parabel, bei der nicht alles historisch verbürgt ist, dafür aber weder lesbische Liebeleien, noch launige Performances oder der obligatorische übermäßige Drogenkonsum fehlen.

    Der aus ihren Videos für Künstler wie David Bowie, Christina Aguilera und Marilyn Manson bekannte Clip-Stil der italienischen Kinodebütantin mit dem Hang zur düsteren Atmosphäre ist auch in „The Runaways" unverkennbar, die Kamera ist wieder einmal stets in Bewegung und Sigismondi gelingen einige dynamische Szenen und stimmungsvolle Momente. Im erzählerischen Bereich hat die Regisseurin jedoch noch unübersehbare Schwächen. Der Aufbau der Geschichte ist im ersten Drittel wenig überzeugend: Viel zu schnell werden die ersten Gehversuche der Band abgehandelt, allzu plötzlich treten die Mitglieder professionell auf, viel zu zügig und abrupt erfolgt auch der Wandel vom Außenseiterdasein zum Starstatus. Erst in den Auftritten und Bühnenperformances zeigt die Filmemacherin ihr ganzes Können und ihre Showsequenzen sind beeindruckend, obwohl für den Profi offensichtlich ist, dass eine Menge Handgriffe an Gitarre oder Bass nicht sitzen.

    Mehr Talent als an den Instrumenten zeigen die Schauspielerinnen in ihrem eigentlichen Metier: Die bei den Dreharbeiten 15-jährige Dakota Fanning („Krieg der Welten", „New Moon") kämpft als verruchte Leadsängerin in erotischem Aufzug erfolgreich und mit radikalen Mitteln gegen ihr Kinderstar-Image an. Während Fanning überzeugend eine extreme Wandlung vollführt, kann Kristen Stewart als Joan Jett ihren aus der „Twilight"-Saga bekannten, immer ein wenig uninteressiert wirkenden Gesichtsausdruck nicht ablegen. Dennoch besitzt ihre Darstellung durchaus Profil und zeigt auch die Ecken und Kanten der Rockerin. Die beiden Jungstars haben dazu auch selber zum Mikrofon gegriffen und tragen mit beachtlichen Leistungen zum insgesamt starken Soundtrack bei. Eine besondere Erwähnung verdient sich unter den Nebendarstellern der stets bösartig grinsende Michael Shannon („Zeiten des Aufruhrs") mit seiner im Verlauf des Films immer stärker werdenden Vorstellung als überlebensgroßer Rockproduzent.

    Fazit: Floria Sigismondi liefert mit ihrem Debüt ein gelungenes Biopic ab und rückt eine wenig bekannte, dafür historisch umso wichtigere Band ins Rampenlicht. Die Videoclip-Expertin lässt ihre Darstellerinnen auf der Bühne wie richtige Rockstars erscheinen, aber vor allem im ersten Drittel weist der Film leider einige erzählerische Schwächen auf. Erst wenn der Zusammenhalt unter den Bandmitgliedern nachlässt, wird es richtig interessant und es zeigt sich einmal mehr, dass gefallene Musiker einfach die besseren Rockstars sind.

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