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    Die Königin und der Leibarzt
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Die Königin und der Leibarzt
    Von Robert Cherkowski

    Blaues Blut schützt vor Sorgen nicht! Selbst die oberste Oberschicht hat Probleme – und so setzen sich auch Filmemacher regelmäßig mit den Krisen von Königinnen und Königen auseinander. Zuletzt hatte „Die Queen" (Helen Mirren) hart mit niedrigen Beliebtheitswerten zu kämpfen. Ihr Vater derweil litt unter einem Stotterproblem („The King's Speech"). Das ist jedoch nichts gegen den verhaltensgestörten Dänen-König Christian VII. – zumindest laut Nikolaj Arcels Historiendrama „Die Königin und der Leibarzt". Sexbesessen wie ein Matrose auf Landgang, frei von Manieren und nahezu unfähig, Empathie für seine Mitmenschen aufzubringen – der Mann war eine echte Gefahr für die Allgemeinheit und musste von einem manipulativen Beraterstab an der kurzen Leine gehalten werden. Gegen ihn wirkt selbst der schlagkräftige Welfe Ernst August wie Schwiegermutters Liebling. Im Mittelpunkt steht hier jedoch eher die titelgebende Königin, insbesondere aber ein hemdsärmeliger Leibarzt und Aufklärer, der frischen Wind ins dänische Königshaus bringt. Ein wenig mehr Schwung hätte im Übrigen auch dem betulichen und etwas steif daherkommenden Kostümschinken gut getan.

    1766: Aufgrund wirtschaftlicher Überlegungen wird die junge Baroness Caroline Mathilde (Alicia Vikander) dazu gezwungen, den dänischen König Christian VII. (Mikkel Boe Folsgaard) zu ehelichen. Anfangs glaubt sie noch, dass ein Mann von solch hohem Stand schon nicht so schlimm sein wird. Christian jedoch entpuppt sich als manisch-depressiver Unhold. Das Eheleben wird zur Hölle, zumal der Geist der Aufklärung, dem sich die gebildete Carolin verschrieben hat, am Hofe noch zensiert wird. Als Christians Treiben auch seinem Beraterstab zu bunt wird, zieht er den unorthodoxen deutschen Arzt Johann Friedrich Struensee (Mads Mikkelsen) hinzu, um zu retten was zu retten ist. Schnell durchschaut Struensee die psychotischen Aussetzer des Königs, viel mehr interessiert er sich jedoch für Caroline. Für kurze Zeit schwelgen die beiden Freigeister in geheimer Leidenschaft. Als Struensee jedoch versucht, den labilen König für seine Ideen zu begeistern, verschwören sich die Hof-Intriganten gegen ihn. Mit fatalen Folgen...

    Kaum etwas ist einfacher als eine seit Jahrzehnten, vielleicht sogar Jahrhunderten offene Tür einzurennen und mit einem politisch korrekten Kostümschinken die Aufklärungspioniere von vor 250 Jahren zu bejubeln. Phasenweise wirkt „Die Königin und der Leibarzt" wie einer jener Filme, die Geschichtslehrer ihren Schülern gerne in müßigen Doppelstunden zeigen: Didaktisch geht es zu. Jede bedeutsame Wendung und jeder Einschnitt wird dabei noch einmal laut und deutlich für Begriffsstutzige durchgekaut. Am Ende bleiben kaum Fragen offen, Spaß hat die Lektion jedoch wenig gemacht. Immerhin hat Arcel Glück, über einen Weltstar in bester Spiellaune zu verfügen - Mads Mikkelsen („Walhalla Rising", „Casino Royale") ist der beste Grund, sich „Die Königin und der Leibarzt" anzusehen.

    Über weite Strecken trägt Mikkelsen den Film alleine durch sein uriges Charisma. Zwar ist der körperbewusste Mime nicht unbedingt die offensichtliche Wahl für die Rolle eines intellektuellen Stadtphysikus, wohl aber verleiht er dem kühlen Rationalisten Struensee eine ungeahnt weiche Seite. So wird er zu einem der wenigen Sympathieträger und zu einem romantischen Helden im Stile Dantons. In einer Welt sich gegenseitig ausmanövrierender Manipulatoren muss so ein Träumer zwangsläufig untergehen. Mikkelsen spielt diesen aufklärenden Märtyrer, Lebemann und Liebhaber von Format so vollmundig, dass seine stattlichen Auftritte mit vor Stolz und Würde geschwellter Brust beizeiten fast ein wenig albern erscheinen.

    Abwenden kann man sich von seinem Spiel trotzdem nicht. Gegen Mikkelsen, der zwar erst nach fast 20 Filmminuten auftaucht und dennoch ganz klar die Attraktion des Filmes ist, kommen seine Schauspielkollegen leider kaum an. Während sich Alicia Vikander vor allem darauf beschränkt, verletzt dreinzuschauen und Mikkelsen anzuschmachten, muss Boe Folsgaard den irren König vom Zaun brechen, ohne den Film allzusehr an sich zu ziehen. So bleibt dieser Monarch letztendlich ein Rätsel und mit der Inszenierung von „Verblendung"-Co-Autor Nikolaj Arcel verhält es sich ähnlich. Nie hat man das Gefühl, dass uns dieses 18. Jahrhundert noch wirklich etwas zu sagen hat.

    Stattdessen gibt es Schauspieler in Kostümen, die in Theatersprache Plattitüden und Gemeinplätze aus dem Dunkel der Voraufklärung aufsagen und durch Kulissen laufen, die doch nur wie Kulissen aussehen. Anders als etwa Stanley Kubrick („Barry Lyndon") oder Roman Polanski („Tess"), die uns historische Stoffe mit betont künstlicher Illusionsmagie in ihrer Modernität nahegebracht haben, findet Regisseur Nikolaj Arcel keinen eigenen Standpunkt zur Geschichte, lieber wärmt er die abgedroschene Klischees auf. Hier die zerlumpten Bürger in ihren groben Leinenkleidern, dort die edlen Gewänder der besitzenden Klasse – fertig ist das Gesellschaftsbild.

    Fazit: „Die Königin und der Leibarzt" hat einen mitreißenden Star und lockt mit toller Ausstattung, dennoch bleibt der Beigeschmack eines biederen und banalen Historienlehrstücks.

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