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    Mein Stück vom Kuchen
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Mein Stück vom Kuchen
    Von Christian Horn

    Mit seinen Publikumserfolgen „L´Auberge Espagnole" und „So ist Paris" hat sich Cédric Klapisch als ein bei Publikum und Kritik gleichermaßen beliebter Regisseur des französischen Gegenwartskinos etabliert. Wo er sich bisher als fähiger Spielleiter von personenreichen Ensemblestücken profilierte, konzentriert er sich mit seinem neuesten Wurf „Mein Stück vom Kuchen" nun auf weit weniger Personal als bisher: Lediglich zwei Hauptfiguren bilden das Zentrum der Erzählung. Mit Karin Viard („Das Schmuckstück", „Nichts zu verzollen") und Gilles Lellouche („Kleine wahre Lügen") engagierte Klapisch zwei Darsteller, die seine kleine, zwischen Humor und Ernsthaftigkeit pendelnde Tragikomödie über die komplette Spielzeit hervorragend tragen.

    France (Karin Viard) arbeitet seit zwei Jahrzehnten in einer Fabrik im nordfranzösischen Dünkirchen. Wie der Großteil der ansässigen Bevölkerung steht die alleinerziehende Mutter von drei Töchtern plötzlich auf der Straße, als die Fabrik ihre Pforten für immer schließt. Nach einem missglückten Suizidversuch beschließt sie, in Paris eine neue Arbeit zu suchen und findet auch tatsächlich eine Anstellung als Putzfrau im Luxusapartment des Börsenspekulanten Steve Delarue (Gilles Lellouche). Als dessen kleiner Sohn aus geschiedener Ehe unerwartet auftaucht, übernimmt France zusätzlich die Rolle des Kindermädchens – bis sie erfährt, dass ausgerechnet Steve bei der Schließung ihrer Fabrik federführend war...

    Klapisch stellt seine Protagonisten zunächst in getrennten Handlungssträngen vor. Die mit einem sprechenden Namen versehene France steht für die Arbeiterklasse Frankreichs und wird als taffe und beherzte Frau der Tat vorgestellt. Die Liebe zu ihren Töchtern, sowie ein ausgeprägter Sinn für Familie und Freundeskreis spielen eine große Rolle in ihrem Leben; und selbst wenn das Bankkonto überaus marode ist, so gibt ihr der Rückhalt in der Familie doch immer wieder neue Kraft. Den erfolgreichen Broker Steve hingegen entwirft Klapisch als gewissenlosen Finanzhai aus der Welt der Reichen und Schönen, der mal eben mit einem Mannequin im Privatjet nach Venedig fliegt und mit harscher Gefühlskälte reagiert, als die junge Frau nicht auf Anhieb mit ihm ins Bett will. Auch als sein Sohn zu Besuch kommt, zeigt der Geschäftsmann wenig Interesse: Lieber sitzt er vor seinem Heim-Arbeitsplatz und verfolgt auf mehreren Monitoren gleichzeitig die Entwicklungen auf dem internationalen Finanzmarkt. Was bedeutet schon die Beziehung zu seinem Sohn im Vergleich zu Millionen-schweren Mausklicks?

    Dass es da zu Reibungen kommen muss, als die grundverschiedenen Welten von France und Steve nach dem ersten Drittel des Films aufeinanderprallen, liegt auf der Hand. Die Proletarierin France wirkt mit ihrem Putzeimer vor der großen Fensterfront des Pariser Apartments wie verloren und auch Steve kann mit seiner neuen Haushaltshilfe nichts weiter anfangen, als ihr knappe Anweisungen zu geben. Erst als Steves Sohn die Bühne betritt, entwickelt sich zwischen den beiden eine etwas tiefere Beziehung, die verhalten romantische Züge annimmt. Für eine Zeit scheint es, als wolle Klapisch auf romantischen Wegen das Proletariat mit der Finanzwelt versöhnen, doch „Mein Stück vom Kuchen" belässt es bei einer angedeuteten Verständigung: Als France die Wahrheit über Steve erfährt, brechen die alten Fronten nur noch stärker auf als zuvor. Ist die Katze erst einmal aus dem Sack, kann Amor so viele Pfeile verschießen wie er will – Verständigung kann es keine mehr geben.

    Die Gratwanderung zwischen Sozialdrama und Komödie hält „Mein Stück vom Kuchen" durchgängig unter Spannung, wobei auch die beiden Hauptdarsteller Karin Viard und Gilles Lellouche zum Gelingen der Erzählung beitragen. Vor allem Viard trägt als eigentliches erzählerisches Zentrum und wesentliche Identifikationsfläche nicht nur die emotionalen und tragischen, sondern auch die komischen Elemente des Films. Lellouche, der bei seinen ersten Auftritten noch als hassenswerte Karikatur einer skrupellosen Heuschrecke allein Verachtung auf sich zieht, schafft es im weiteren Verlauf, auch für seine Rolle Verständnis zu wecken, steckt doch auch in Steve nur ein verantwortungsloses, großes Kind, das Angst vor Enttäuschungen und Zurückweisungen hat.

    Auch wenn „Mein Stück vom Kuchen" bisweilen ein wenig an Schwung verliert, so erweist sich die Tragikomödie insgesamt als ebenso unterhaltsamer wie gesellschaftskritischer Beitrag zur Finanzkrise, der seine facettenreichen Figuren nie aus den Augen verliert.

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