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    Auschwitz
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    0,5
    katastrophal
    Auschwitz
    Von Christoph Petersen

    Vor der Premiere im Berliner Kino Babylon stellte sich Regisseur Uwe Boll in einem Mix aus Pressekonferenz und Zuschauergespräch dem Publikum. Zwar ging es in erster Linie um sein Vorhaben, die Berlinale und ihren Leiter Dieter Kosslick zu verklagen, aber auch auf „Auschwitz" kam der Filmemacher zu sprechen. Als Ansporn für sein KZ-Drama nannte er zwei Gründe. Zum einen wollte er ein Mahnmal gegen das Vergessen setzen, schließlich wüssten heutzutage ja mindestens 50 Prozent der Menschen gar nicht mehr, was in Auschwitz überhaupt vorgegangen ist. Zum anderen hätte noch kein Film die Vorgänge in Auschwitz so gezeigt wie sie wirklich waren, also als geradezu banale Arbeitsabläufe, zwischen denen es – anders als in Hollywoodversionen wie „Schindlers Liste" oder „Der Pianist" - für Helden keinen Platz gibt. Ich persönlich finde beide Punkte ehrenwert und habe Uwe Boll abgenommen, dass er alles, was er erzählt, auch genauso meint. Umso erschreckender war es dann mitanzusehen, wie er in „Auschwitz" alle guten Vorsätze durch die Art der Umsetzung verrät.

    „Auschwitz" ist auch nach den Worten von Uwe Boll selbst kein „richtiger Film, sondern eine Skizze". Im Groben besteht diese aus zwei Teilen. Zu Beginn und am Ende gibt es Ausschnitte aus Interviews mit deutschen Schülern, die Uwe Boll zum Thema Nationalsozialismus befragt. Im Zwischenteil wird mit den Mitteln eines Spielfilms ein ganz normaler Tag – inklusive Gasdusche und Urlaubsplanung - im KZ Auschwitz nachgestellt. Uwe Boll scheitert mit beiden Ansätzen, zwar aus jeweils anderen Gründen, aber doch gleichermaßen katastrophal.

    Kommen im Interviewteil am Ende des Films auch Gymnasiasten zu Wort, sind es zu Beginn ausschließlich Hauptschüler, die von Boll der Lächerlichkeit preisgegeben werden. Er erhält kaum eine akzeptable Antwort, stattdessen fällt es den Schülern schon schwer, auch nur drei zusammenhängende Sätze ohne Grammatikfehler herauszubringen. Das Problem: Würde man diese Schüler nach dem Jahr des Mauerfalls oder nach dem Namen unseres aktuellen Bundespräsidenten befragen, hätten sie mit hoher Wahrscheinlichkeit auch nicht den blassesten Schimmer. Es ist also argumentativ absoluter Unsinn, aus diesen Wissenslücken zu folgern, dass deutsche Schüler zu wenig über den Nationalsozialismus wüssten – vielmehr haben sie ganz allgemein von Tuten und Blasen keine Ahnung. Stefan Raab macht in seiner Sendung „TV Total" übrigens etwas ganz ähnliches, nur kommt der Moderator nicht auf die Idee, daraus solch alberne Schlüsse zu ziehen.

    Im späteren Teil kommen dann auch Gymnasiasten zu Wort, die sich zum großen Teil sehr ordentlich mit den Geschehnissen im Dritten Reich auskennen. Hier geht es Uwe Boll vornehmlich darum zu zeigen, wie diese Schüler die Schrecken der NS-Zeit heutzutage angeblich relativieren, indem sie etwa den Holocaust mit den aktuellen Vorgängen im Nahost-Konflikt in Verbindung bringen. Nur kommen diese Vergleiche erst, nachdem Uwe Boll fünfmal nachgehakt hat, und zwar nach dem Motto: „Stalin hat doch auch fünf Millionen Menschen umbringen lassen – war das denn nicht genauso schlimm?" Auf diese Frage gibt es überhaupt keine Antwort, mit der nicht zumindest einer der Schrecken verharmlost würde. Mit solchen Fangfragen und allgemein ganz offensichtlich suggestiver Gesprächsführung bekommt der Regisseur aus den Schülern genau das heraus, was er haben will. Mit gutem Journalismus oder ernsthafter Auseinandersetzung hat diese hochgradig manipulative Herangehensweise jedenfalls nichts zu tun.

    Mit dem Spielfilmteil will Uwe Boll dann die Banalität des Alltags in Auschwitz einfangen. Die SS-Männer diskutieren Urlaubspläne oder kauen auf ihren Pausenbroten herum, während im Hintergrund Juden vergast oder draußen auf dem Hof erschossen werden. Das hätte auch durchaus funktionieren können, wenn Uwe Boll diesen Ansatz nicht ständig selbst untergraben würde. Zum einen sind da die budget- und talentbedingten Limitierungen, die „Auschwitz" wie ein auf einem x-beliebigen Hinterhof gedrehtes Schülervideo erscheinen lassen. Zum anderen vertraut der Regisseur immer wieder auf typische Stilmittel des Genrekinos, die die eigentliche Absicht, nämlich die Beiläufigkeit des Schreckens zu illustrieren, von Anfang an unterlaufen. Wenn hier jüdische Babys erschossen werden, geschieht dies in Zeitlupe. Aber was hat es mit Banalität zu tun, wenn man die Exekutionen auf diese Weise geradezu zelebriert? Ähnliches gilt für die Szenen in der Gaskammer, die ohnehin schon an der mangelnden Glaubhaftigkeit der Statisten kranken, aber dann auch noch mit Verfremdungseffekten versehen und pathetischen Hollywoodklängen unterlegt werden. Im Gespräch nach dem Film meinte Uwe Boll dazu, dass er dies so hätte machen müssen, weil die Szene ansonsten zu langweilig gewesen wäre. Ohne Worte!

    Fazit: Nach der Einführung zum Film war ich wirklich guter Hoffnung. Alles was Uwe Boll zu seinen Absichten mit dem KZ-Drama erzählt hat, ergab für mich absolut Sinn. Aber mit seinem Film hat er mich einmal mehr eines Besseren belehrt. Was dann nämlich über die Leinwand flimmerte, hatte rein gar nichts mit dem zu tun, was der Regisseur selbst in seinem Film zu erkennen glaubt. Uwe Boll steht mit Projekten wie „Darfur" oder nun auch „Auschwitz" sicherlich grundsätzlich auf der richtigen Seite, nun muss er nur noch lernen, seine Gedanken so auf die Leinwand zu bringen, dass sie im Anschluss auch noch wiederzuerkennen sind.

    P.S.: Weil Uwe Boll im Publikumsgespräch mal wieder behauptet hat, dass seine Kritiker seine Filme ja alle gar nicht angeschaut hätten, gibt es hier noch ein Foto meiner Eintrittskarte, die FILMSTARTS bei der nächsten Spesenabrechnung immerhin 6,50 Euro kosten wird:

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