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    To Rome with Love
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    To Rome with Love
    Von Carsten Baumgardt

    Nach seinem Erfolg mit „Midnight in Paris", der ihm die besten Einnahmen seit Ewigkeiten und seinen vierten Oscar bescherte, ist Woody Allen mal wieder obenauf. Passend zu diesem Hoch steht 2012 nicht nur der eigene neue Film der New Yorker Regielegende ins Haus, sondern mit Robert B. Weides „Woody Allen: A Documentary" (Kinostart: 5. Juli) auch gleich noch ein Porträt des Meisters. Während Weide ein unterhaltsames Loblied auf Allen singt, kann der Gefeierte selbst mit der Komödie „To Rome with Love" nicht an seine Bestleistungen anknüpfen. Dabei sind die Klischees, die bei der römischen Station seiner künstlerischen Europa-Tour natürlich nicht fehlen, gar nicht das Problem. Auch in London („Match Point"), Barcelona („Vicky Cristina Barcelona") und Paris („Midnight In Paris") hat er schließlich pointiert nationale Eigenheiten aufs Korn genommen. Und daran krankt auch Allens schwächster Film seit „Hollywood Ending" (2002) nicht. Was hier in erster Linie fehlt, ist die stimmige zeitliche Verankerung des altmodischen Reigens. Es gibt weder einen prägnanten Gegenwartsbezug noch eine nostalgisch beseelte Vergangenheit wie zuletzt in „Midnight in Paris". So bleibt eine aus der Zeit gefallene, amüsante Episodenkomödie mit Höhen und Tiefen. Gemessen an Allens Meisterwerken mag „To Rome With Love" daher eine Enttäuschung sein – unterhaltsam ist er allemal.

    „To Rome with Love" besteht aus vier unverbundenen Episoden, die allesamt in der Ewigen Stadt angesiedelt sind: Die scheinbar perfekte Welt des Architekturstudenten Jack (Jesse Eisenberg) und seiner Freundin Sally (Greta Gerwig) gerät gehörig durcheinander, als die erfolglose Schauspielerin Monica (Ellen Page) die Szene betritt. Trotz der Warnungen seines Mentors John (Alec Baldwin) rennt Jack blind ins Verderben und verliebt sich in die charmante Blenderin... Der pensionierte Experimental-Opern-Produzent Jerry (Woody Allen) und seine Gattin Phyllis (Judy Davis) sind in Rom, um die Familie ihres zukünftigen Schwiegersohns Michelangelo (Flavio Parenti) kennenzulernen. Dessen Vater, der Bestatter Giancarlo (der Tenor Fabio Armiliato), schmettert unter der Dusche Arien wie einst Caruso – als Jerry das hört, will er das Naturtalent auf die große Bühne bringen... Dem Durchschnittsbürger Leopold (Roberto Benigni) ist von einem Tag auf den anderen die Presse auf den Fersen, die jeden seiner Schritte haargenau verfolgt. Er wird zum Fernsehstar, nur weiß er nicht, warum... Die frisch gebackenen Eheleute Antonio (Allessandro Tiberi) und Milly (Alessandra Mastronardi) aus der Provinz geraten in ihren Flitterwochen in Versuchung: Während er unter widrigen Umständen mit der Prostituierten Anna (Penelope Cruz), stolpert sie in eine Affäre mit dem schmierigen Filmstar Luca Salta (Antonio Albanese).

    Viele Wege führen bekanntlich nach Rom. Es war also nur eine Frage der Zeit, bis es auch Europa-Freund und Kultur-Tourist Woody Allen in die italienische Hauptstadt verschlägt. Für seinen 43. Kinofilm hat er sich ein Ensemblestück aus vier verschiedenen, nicht zusammenhängenden Geschichten ausgedacht. Unter dem Überbegriff „Starruhm" beleuchtet Allen die Befindlichkeit von einem guten Dutzend Figuren, die es alle in irgendeiner Form mit diesem Thema zu tun bekommen. Der weltberühmte New Yorker hat zu Skandalzeiten seine ganz eigenen Erfahrungen mit der Presse gemacht und kommentiert die Auswüchse des Starkults entsprechend bissig. Dazu wählt er jedoch eine Form, die so anachronistisch daherkommt, dass sie selbst im Allen-Universum den dezenten Muff des Angestaubten nicht loswird. Die scharfsinnigen Dialoge haben schon früher oft so gewirkt, als hätten seine Figuren seit ein paar Dekaden das Haus nicht mehr verlassen - was durchaus Charme hat. Aber der Rückgriff auf die hemmungslose Albernheit und den Klamauk Allen‘scher Frühwerke wie „Bananas" oder „Woody, der Unglücksrabe", der die beiden „italienischen" Episoden mit Roberto Benigni („Das Leben ist schön") und dem Doppel Allessandro Tiberi/Alessandra Mastronardi kennzeichnet, wirkt ziellos und deplatziert.

    „To Rome with Love" ist wie viele Episodenfilme kein homogenes Werk und zerfällt letztlich in zwei Hälften, denn die Geschichte um Jesse Eisenberg („The Social Network") und Ellen Page („Juno", „Inception") sowie jene um Woody Allen und Fabio Armiliato überzeugen mit feinem Witz, mit Ironie, Schärfe und Charme ganz in gewohnter Manier. Besonders stark ist „To Rome With Love" vor allem immer dann, wenn die wunderbare Ellen Page sich als intellektuelle Hochstaplerin aufbläst, um ihr Objekt der Begierde, den naiven Jack, einzufangen und ihn zur Not auch ihrer besten Freundin Sally auszuspannen. Sie begeistert als Femme Fatale mit gespielt tiefgründigem Charme, dem der pudelköpfige Jack hoffnungslos erliegt. Dem wiederum stellt Allen, der hier auf einen bewährten Kniff aus seinem persönlichen Standardrepertoire zurückgreift, mit Alec Baldwin („30 Rock") einen imaginären Mentor zur Seite. Dieser John kommentiert das Geschehen zwischen Jack und Monica aus der Position eines allwissenden Erzählers, der gleichzeitig amüsant warnen und mahnen kann.

    Woody Allen wirkt nach sechsjähriger Pause (zuletzt war er 2006 in „Scoop" zu sehen) wieder selbst als Schauspieler in einem seiner Filme mit und er ist ohne Zweifel ein belebendes Element. Schrullig wie eh und je gibt er den skurrilen Neurotiker alter Schule, jedoch wirkt der inzwischen 76-Jährige längst nicht mehr so frisch und agil wie zu früheren Zeiten. Ein Wiedersehen gibt es auch mit dem bei diesem Projekt geradezu unvermeidlichen Robert Benigni. Der hyperaktive Oscar-Preisträger nervt trotz seiner üblichen ausgiebigen Hampelei weit weniger als befürchtet. Dennoch bleibt seine Episode im luftleeren Raum stecken, auch weil sich kaum erschließt, worum es Allen hier eigentlich genau geht. Penelope Cruz als Bordsteinschwalbe mit Herz dient dagegen als angenehmer Farbtupfer - nicht nur wegen ihres knallengen, knallroten, knappen Kleides, das sie selbstbewusst spazieren trägt. Der spanische Superstar, dem Allen in „Vicky Cristina Barcelona" zu einem Oscar verhalf, strahlt ein enormes Charisma aus, ganz im Gegensatz zu seinen blassen Episoden-Mitstreitern Alessandro Tiberi und Alessandra Mastronardi. Die beiden scheinen einem Klischee-Italien der 60er Jahre zu entstammen, wobei Allen die Stereotypen wie immer ganz bewusst ironisch konterkariert, sie gleichzeitig aber in einer unausgegorenen Mixtur auch mit infantiler Absurdität untermauert.

    Fazit: „Ruhestand ist der Tod" - so verkündet es der filmische Reiseleiter Woody Allen in seiner altmodischen Screwball-Ensemble-Komödie „To Rome With Love" höchstpersönlich und macht Halt in der italienischen Hauptstadt. Dort beschert er uns ein wunderschön fotografiertes Klischee-Vollbad, ein wenig konfus und konturlos, aber doch amüsant und abwechslungsreich.

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