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    Deine Juliet
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Deine Juliet
    Von Antje Wessels

    Mary Ann Shaffers und Annie Barrows Roman „Deine Juliet“ wurde seit seinem Erscheinen im Jahr 2008 über 7,5 Millionen Mal verkauft. Die Entstehungsgeschichte des internationalen Bestsellers ist ebenso sympathisch wie tragisch: Die Bibliotheks- und Verlagsangestellte Shaffer wollte sich nach vielen Arbeitsjahren in der Welt der Bücher den Traum davon verwirklichen, „etwas zu schreiben, das Jemandem so sehr gefällt, dass er es verlegen will“. Die Veröffentlichung ihres im Original „The Guernsey Literary and Potato Peel Pie Society“ (übersetzt: „Club der Guernseyer Freunde von Dichtung und Kartoffelschalenauflauf“) betitelten Briefromans „Deine Juliet“ bekam Shaffer selbst jedoch gar nicht mehr mit: Wenige Wochen vor dem Termin verstarb die Autorin, die das Ende ihres Buches von ihrer Nichte Annie Barrows schreiben ließ, an einer schweren Krankheit.

    Regisseur Mike Newell („Vier Hochzeiten und ein Todesfall“) schildert in seiner Mischung aus Liebesfilm und Kriegsdrama stilsicher das Schicksal einer jungen, erfolgreichen Autorin, deren Leben durch den Brief eines Fremden gehörig durcheinandergewirbelt wird. „Deine Juliet“ ist dabei nicht bloß ein leidenschaftliches Plädoyer für die Kraft des geschriebenen Wortes, sondern auch eine Erzählung über die Folgen des Zweiten Weltkriegs. Newell bringt diese beiden Elemente überzeugend unter einen Hut, seine hochkarätige Besetzung übernimmt den Rest.

    Ende der 1940er Jahre gehört die Londonerin Juliet Ashton (Lily James) zu den gefragtesten Jungautorinnen Englands. Eines Tages erhält sie einen Brief von der Kanalinsel Guernsey: Der literaturbegeisterte Farmer Dawsey Adams (Michiel Huisman) ist auf der Suche nach einem ganz besonderen Buch und erhofft sich Hilfe von der hochgeschätzten Schriftstellerin. Juliet, von dem Trubel um ihre Person ohnehin überfordert, nimmt sich gegen den Ratschlag ihres Verlegers und besten Freundes Sidney (Matthew Goode) eine Auszeit und macht sich auf den Weg zu dem unbekannten Briefschreiber. Auf Guernsey macht sie Bekanntschaft mit dem dort ansässigen Literaturverein, zu dessen Gründungsmitgliedern auch Dawsey gehört. Der Buchclub „Guernseyer Freunde von Dichtung und Kartoffelschalenauflauf“ entstand während des Zweiten Weltkriegs, um seinen Mitgliedern über die schweren Stunden deutscher Besatzung hinwegzuhelfen. Sie alle nehmen Juliet freudestrahlend in ihre Mitte auf und für die junge Frau steht fest: Sie hat das Thema für ihr nächstes Buch gefunden! Doch die Inselbewohner sind von dieser Idee alles andere als begeistert…

    Bereits in den ersten zwei Minuten von „Deine Juliet“ wird der unaussprechliche Name des Buchclubs „Guernseyer Freunde von Dichtung und Kartoffelschalenauflauf“ dreimal erwähnt. Am Set ergab sich dadurch ein wiederkehrender Witz: Immer wieder versuchten die Schauspieler, den Originaltitel möglichst fehlerfrei und schnell hintereinander auszusprechen, was ihnen erst gegen Ende der Dreharbeiten mühelos gelang. Der amüsante Name und die sich dahinter verbergende, äußerst tragische Entstehungsgeschichte (bei einer nächtlichen Überprüfung durch Nationalsozialisten gaben sich die ins Visier geratenen Guernseyer spontan als Mitglieder eines Buchclubs aus) sind ein perfektes Beispiel für die Art, wie in „Deine Juliet“ sehr gegensätzliche Tonfälle geradezu miteinander verschmelzen: Regie-Tausendsassa Mike Newell (inszenierte unter anderem „Prince Of Persia“ und „Harry Potter und der Feuerkelch“) widmet sich zu gleichen Teilen den dramatischen, den komischen und den amourösen Aspekten seiner Geschichte, und verzettelt sich dabei nur ganz zum Schluss ein wenig.

    Stilsicher und ohne Effekthascherei inszeniert Newell sowohl niederschmetternde Momente wie jenen, in dem eine Mutter vom Verlust ihrer Tochter erfährt, als auch amüsante Frauengespräche zwischen Juliet und ihrer neuen Freundin Isola (Katherina Parkinson), die absolut alles über Juliets Männergeschichten wissen will. Auch das zurückhaltende Kennenlernen zwischen der Autorin und dem alleinerziehenden Dawsey gerät zunächst angenehm unaufgeregt und besteht lediglich aus verspielten Blicken und kurzen Berührungen. Auf dick aufgetragene Musik (Alexandra Harwood, „The Escape“) oder visuelle Spielereien (Kameramann Zac Nicholson setzt ganz auf die schlichte Schönheit der britischen Küste) verzichten die Macher. Stattdessen stehen in „Deine Juliet“ die Figuren und ihre mitunter sehr traurigen Schicksale im Mittelpunkt. Wie der Zweite Weltkrieg die Inselbewohner hat zusammenrücken lassen – das ist das Herzstück der Erzählung.

    Lily James („Baby Driver“, „Mamma Mia 2“) punktet in der Hauptrolle der Juliet Ashton mit viel natürlichem Charisma und bringt die unterschiedlichen Facetten ihrer Figur gekonnt unter einen Hut. Sie ist davon angetan, endlich als Autorin anerkannt zu werden, auf der anderen Seite überfordert sie der Erfolg aber auch. Zudem ist sie zwischen ihrer Londoner Heimat und der Abgeschiedenheit von Guernsey nicht bloß geografisch hin- und hergerissen. Daheim wartet schließlich ihr Verlobter Mark (Glen Powell), während auf der Insel der aufgetaute Einsiedler Dawsey mit ein paar traurigen Augenaufschlägen zum Bleiben verlockt. Der Farmer ist zwar ein wenig stereotyp angelegt, hätte den Mitleidsbonus, den er hier von den Machern bekommt, aber gar nicht nötig, denn Michiel Huisman („Für immer Adaline“) gibt ihm die unerschütterliche Präsenz eines fest im Leben stehenden Mannes.

    Fazit: „Deine Juliet“ ist die geschmackvolle Verfilmung eines vielschichtigen Romans, an der es mit Ausnahme des überhasteten Finals wenig zu beanstanden gibt.

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