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    James Bond 007 - Liebesgrüße aus Moskau
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    James Bond 007 - Liebesgrüße aus Moskau
    Von Lars-Christian Daniels

    1963 ist die James-Bond-Welt noch in Ordnung. Der Hauptdarsteller heißt Sean Connery, Bösewicht Blofeld streichelt seine weiße Katze, M tadelt Moneypenny und am Ende lieben sich Geheimagent und Bond-Girl in einer venezianischen Gondel. Terence Young führt Regie und John Barry zeichnet für den Score verantwortlich. Doch das 007-Abenteuer „Liebesgrüße aus Moskau" unterscheidet sich trotz aller dieser mittlerweile zu Markenzeichen gewordenen Elemente von seinen zahlreichen Nachfolgern und das nicht nur, weil Connery bei seinem zweiten Einsatz als Bond dem Casino fernbleibt und keinen Wodka Martini ordert. Die Filmemacher orientieren sich am klassischen Spionagethriller und setzen erfolgreich auf Spannung statt auf Glamour und Größenwahn. Damit ist „Liebesgrüße aus Moskau" in der inzwischen fast fünfzig Jahre andauernden Bond-Ära eine Ausnahme.

    James Bond (Sean Connery, Marnie, Indiana Jones und der letzte Kreuzzug) erhält den Auftrag, aus dem russischen Konsulat in Istanbul die sowjetische Dechiffriermaschine „Lector" zu beschaffen. Unterstützt wird er von Tatiana Romanova (Daniela Bianchi), die im Konsulat arbeitet und ihm Zugang verschaffen soll. Was 007 nicht weiß: Obergauner Blofeld und seine Verbrecherorganisation SPECTRE (in der dt. Fassung PHANTOM), der sich auch die Ex-KGB-Chefin Oberst Klebb (Lotte Lenya, „Die Dreigroschenoper") angeschlossen hat, missbrauchen die hübsche Blondine als Köder. Bond soll in eine tödliche Falle gelockt und der Tod von Dr. No gerächt werden. Der Agent erhält vor Ort Unterstützung von Kontaktmann Kerim Bey (Pedro Armendáriz, „Bis zum letzten Mann"), der sich wiederum mit dem Bulgaren Krilencu (Fred Haggerty, Nonnen auf der Flucht) herumschlagen muss. 007 kann die Lector erbeuten und flüchtet mit Romanova und Bey im Orient-Express nach Jugoslawien...

    Die 007-Reihe hat bekanntlich ihr ganz eigenes Genre etabliert, das irgendwo zwischen Science-Fiction, Abenteuerfilm und Agententhriller anzusiedeln ist. In „Liebesgrüße aus Moskau" liegt der Schwerpunkt eindeutig auf letzterem, dem Spionage-Alltag wird mehr Platz eingeräumt als in den späteren Filmen der Reihe. Insbesondere im einleitenden Istanbul-Drittel wird das Tagesgeschäft der Agenten – beobachten und verfolgen, täuschen und entwischen – viel authentischer beleuchtet als bei den Bond-Filmen mit Roger Moore oder gar Pierce Brosnan. Der MI6 ist scharf auf die Lector, die Sowjets lassen Bulgaren für sich arbeiten, und James Bond gibt sich seinen Kontaktmännern unauffällig beim Small Talk zu erkennen. Und doch werden sie alle von Blofeld an der Nase herum geführt. Dass die Kamera stets nur dessen berühmte, die weiße Katze streichelnden Hände einfängt, ist heute ebenso Kult wie das Messer in der Schuhspitze Klebbs, das den Brosnan-Bond in Stirb an einem anderen Tag wehmütig in Erinnerungen an die gute alte Zeit schwelgen lässt, bevor er von Q seinen unsichtbaren Dienstwagen erklärt bekommt.

    Der große Wissensvorsprung des Zuschauers gegenüber M und dem Doppel-Null-Agenten erweist sich als sehr spannungsfördernd. Wenn Bond im Speisewagen des Orient-Express auf Red Grant trifft, muss sich das Publikum ständig fragen, ob 007 schon um die wahre Identität seines Gegenübers weiß. Der falsche Brite begegnet Bond auf Augenhöhe und lässt uns um das Leben des Helden bangen (auch wenn wir genau wissen, dass James Bond im nächsten Film zurückkehren wird). Grant verkörpert den Killer-Prototypen, mit dem sich der Agent in den folgenden Jahrzehnten immer wieder messen muss, seine tödliche Drahtschlinge ist dabei der Vorläufer von Oddjobs Hut in Goldfinger und Jaws‘ Stahlgebiss in Der Spion, der mich liebte sowie Moonraker. Aber der Agent ist natürlich nicht wehrlos und wurde von Q mit einem formidablen Universalkoffer voller nützlicher Gegenstände ausgestattet. Der Koffer ist das erste echte Bond-Gadget und begründet die zunehmende Vorliebe der Produzenten für den Einsatz trickreicher Gimmicks. Abgesehen von solchen für die Bond-Filme typischen Details, erinnert „Liebesgrüße aus Moskau" oftmals an Hitchcocks Der unsichtbare Dritte, vor allem bei der Flucht vor den Attacken des PHANTOM-Helikopters.

    Trotz der dominierenden Spionage-Elemente fehlt die bondsche Mischung aus Exotik, Action und Sex natürlich auch in „Liebesgrüße aus Moskau" nicht – obwohl 007 diesmal statt durch die Karibik durch die rattenbevölkerte Kanalisation schippern muss, um einen ersten Blick auf seine Partnerin zu erhaschen. Daniela Bianchi, 1960 immerhin Zweite bei der Wahl zur Miss Universe, mimt das für die Connery-Ära typische Bond-Girl. Tatianas püppchenhafte Willenlosigkeit bedient die gesamte Palette der Bond-Klischees, zugleich steht sie optisch in herrlichem Kontrast zu Lotte Lenyas knorrigem Oberst Klebb. Die Anweisungen der strengen Vorgesetzten wirft die junge Frau angesichts des britischen Charmes von 007 schnell über Bord. Dass der Geheimagent Ihrer Majestät seiner Begleiterin im Zug alles andere als gentlemanlike ins Gesicht schlägt, tut der Liebe offenbar keinen Abbruch, spielt aber den politisch korrekten 007-Kritikern in die Karten. Auch die Darstellung der Lebensweise der „Zigeuner", die Kerim Bey am Bosporus zur Seite stehen, mutet nicht nur aus heutiger Sicht antiquiert an.

    Trotz dieser kleinen Schönheitsfehler überzeugt „Liebesgrüße aus Moskau" als einer der besten Connery-Bonds, beginnend bei der einfallsreichen Pre-Title-Sequenz bis hin zum actiongeladenen Showdown vor den Toren Venedigs. Und der weltfremde Zuschauer lernt nebenbei, dass man niemals Rotwein zum Fisch bestellen sollte...

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