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    Rubinrot
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Rubinrot
    Von Andreas Staben

    Im Vorprogramm von „Twilight 4.2: Breaking Dawn - Bis(s) zum Ende der Nacht (Teil 2)", dem abschließenden Film der megaerfolgreichen Teenie-Vampir-Saga, lief in den hiesigen Kinos der erste Trailer zu „Rubinrot". Diese Platzierung war wohldurchdacht, ist die Verfilmung von Kerstin Giers in 28 Sprachen übersetztem, gleichnamigem Bestseller doch klar darauf angelegt, zum „deutschen Twilight" zu werden. Dieses Schielen nach dem großen amerikanischen Vorbild ist Felix Fuchssteiners Fantasy-Jugend-Drama deutlich anzusehen, aber obwohl der Regisseur gelegentlich allzu ungeniert in „Twilight"-Gefilden wildert und sein Film rein produktionstechnisch nicht das allerhöchste Hollywood-Niveau erreicht, kann er erzählerisch durchaus mit der US-Konkurrenz mithalten. Statt in das inzwischen filmisch ausgesaugte Universum der Vampire und Werwölfe entführt Fuchssteiner („Draußen am See") sein Publikum in die mysteriöse Welt von Geheimlogen und Zeitreisenden, was mindestens ebenso viele Möglichkeiten bietet. So gehören die Ausflüge in die Vergangenheit auch zu den Höhepunkten seines abwechslungsreichen Jugend-Abenteuers, während der unvermeidlichen Liebesgeschichte (noch) das gewisse Etwas fehlt. Aber wenn alles gut geht, dann bekommen der Filmemacher und seine engagierten Jungdarsteller schon bald die Gelegenheit, sich erneut zu beweisen – schließlich ist das Buch „Rubinrot" der Auftakt zu einer Trilogie und so liegt ein zweiter Film mit dem Titel „Saphirblau" bereits in der Luft.

    Die 16-jährige Londonerin Gwendolyn Shepherd (Maria Ehrich) hat mit den üblichen Problemen eines Teenagers eigentlich schon genug zu kämpfen, aber ihre Familie macht alles noch viel schlimmer. Selbst Gwens Geburtstag steht im Schatten der arroganten Cousine Charlotte (Laura Berlin), die ganz besondere Fähigkeiten besitzen soll. Was es mit dieser mysteriösen Begabung genau auf sich hat, wird geheim gehalten, aber Gwen hört Gerüchte, dass es etwas mit Zeitreisen zu tun hat. Als sie wenig später von einem Schwindelgefühl erfasst wird und sich plötzlich in der Vergangenheit wiederfindet, wird klar, dass die Familie sich verrechnet hat: Die Trägerin des Zeitreise-Gens ist nicht Charlotte, sondern Gwen. Die muss nun nicht nur gegen die unkontrollierten Zeitsprünge ankämpfen, sondern auch die Aufgabe ihrer Cousine übernehmen und einen geheimen Auftrag ausführen, der mit einer ominösen Wächter-Loge unter Vorsitz von Falk de Villiers (Uwe Kockisch) und mit einer rätselhaften Zeitreise-Apparatur, dem Chronographen, zu tun hat. Die Loge stellt Gwen den schnöseligen Medizinstudenten Gideon de Villiers (Jannis Niewöhner), der zu allem Überfluss auch noch mit Charlotte verbandelt ist, zur Seite. Mit ihm gemeinsam soll sie in die Vergangenheit reisen und das Blut aller anderen Zeitreisenden sammeln. Bei den gefährlichen Missionen stellt Gwen fest, dass Gideon gar nicht so arrogant ist – langsam, aber sicher verliebt sie sich in ihn...

    Am Ende von „Rubinrot" dichtet Drehbuchautorin Katharina Schöde, die schon beim Drama „Draußen am See" mit Regisseur Felix Fuchssteiner zusammengearbeitet hat, einen Kirschblütenball hinzu, den es in der Romanvorlage nicht gibt. Kenner wird die Sequenz (der Tanz, der Kuss, das Dekor) recht deutlich an das Finale von „Twilight – Bis(s) zum Morgengrauen" erinnern und böse Zungen mögen von künstlerischer Trittbrettfahrerei sprechen. Die relative Nähe zum Vorbild, die sowohl in bestimmten Figurenkonstellationen als auch in Details immer wieder durchscheint, spielt letztlich allerdings keine entscheidende Rolle – außerdem ist es ja nicht so, als hätten Autorin Stephenie Meyer und die Produzenten der „Twilight"-Filme das Genre der Teenie-Romanze mit Fantasy-Einschlag gerade neu erfunden. Ganz abgesehen davon gibt es für die hübsch fotografierte Ballszene in „Rubinrot" gleich mehrere gute Gründe. Zum einen verschaffen die Macher so der spanischen Sängerin Sofi de la Torre, die vier hörenswerte und atmosphärisch hervorragend integrierte Songs zum Soundtrack beigesteuert hat, einen Gastauftritt. Zum anderen bekommt die Romanze zwischen Gwen und Gideon einen passenden ersten Höhepunkt. Und der ist zugleich die Lösung für ein heikles dramaturgisches Problem, denn der Film, der zusätzlich auch als potentieller Reihenauftakt funktionieren soll, wird damit trotz einiger offenbleibender Fragen zu einem befriedigenden Abschluss gebracht.

    Trotz des romantischen Finales steht die Liebesgeschichte in „Rubinrot" aber gar nicht unbedingt im Zentrum. Es wird mit wenigen Ausnahmen die Perspektive von Gwendolyn eingenommen und die hat auch noch ganz andere Sorgen als Jungs. Die Konkurrenz zur Cousine (die im weiteren Verlauf etwas barsch beiseitegeschoben wird) macht ihr zu schaffen und die Spinnereien ihrer Großtante Maddy (Katharina Thalbach dreht voll auf) verwirren sie. Immerhin hat sie eine treue und verständnisvolle Freundin zur Seite, die sich auch von Gwens plötzlichen Zeitsprüngen und den rätselhaften Phantompräsenzen nicht die Laune verderben lässt: Filmdebütantin Jennifer Lotsi sorgt als Leslie für frischen Wind und ergänzt sich gut mit der eher verträumten Maria Ehrich („Rock It!"). Im Vergleich zu den Mädchen hat Jannis Niewöhners („Sommer") Gideon dagegen wenig Profil. Warum Gwen ihre (verständliche) anfängliche Abneigung so schnell und vollständig ablegt, ist nicht ganz leicht nachvollziehbar - es sei denn, man sucht die Erklärung im hormonellen Bereich. Der allerdings wird in diesem Film kaum angesteuert, die sublimierte Erotik glitzernder Vampire (das ist der letzte „Twilight"-Verweis – versprochen!) findet sich hier durch harmlos-sympathische Neckereien ersetzt, an denen auch ein Publikum, das noch nicht das Teenageralter erreicht hat, seine Freude haben kann.

    Der filmische Beweis für den übergreifenden Titel von Kerstin Giers dreiteiligem Bestseller „Liebe geht durch alle Zeiten" bleibt den eventuellen Fortsetzungen vorbehalten, aber die Fantasy-Elemente kommen schon in „Rubinrot" zu ihrem guten Recht. Die Effekte entsprechen dabei nicht unbedingt dem technischen Maß der Dinge (wenn es Gwen schüttelt und rüttelt, ehe sie durch die Zeit geschleudert wird, sieht das eher kurios aus), aber sie passen zu dem bodenständigen Look des Films. Fuchssteiner verzichtet auf das große Trick-Brimborium und inszeniert lieber eine ganz klassische Kutschenverfolgung oder furiose Fechtduelle. Der Arbeit im Studio zieht er den Dreh an realen Schauplätzen wie der Londoner Millenium-Bridge und der Wartburg vor. Die historischen Gebäude lassen die Sprünge in die Vergangenheit gemeinsam mit der liebevollen Ausstattung und den prachtvollen Kostümen auch für den Zuschauer zu echten Zeitreisen werden. Wenn Gwen sich dabei mit umständlichen Kleidern, steifen Sitten und überholten Überzeugungen herumschlägt, dann wird nicht nur die Vergangenheit lebendig, sondern auch die Protagonistin verwandelt sich: Man kann dem zu Beginn so von Fremdheitsgefühl und Verdruss geplagten Teenager förmlich dabei zusehen, wie er sich öffnet und dabei an Selbstvertrauen gewinnt.

    Fazit: Die Zeitreise-Szenen machen Appetit auf mehr, aber bei der Liebesgeschichte springt der Funke (noch) nicht so recht über: Felix Fuchssteiners Verfilmung des Jugendbuch-Bestsellers ist ein ordentlicher Film, vor allem jedoch das Versprechen auf eine noch bessere Fortsetzung.

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