Mein Konto
    Edison - Ein Leben voller Licht
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Edison - Ein Leben voller Licht

    Der Funke springt nicht über

    Von Oliver Kube

    Eigentlich sollte das im Winter 2016/17 gedrehte Historien-Drama „Edison – Ein Leben voller Licht“ bereits Ende 2017 groß in den US-Kinos und bald darauf auch im Rest der Welt anlaufen. Aber kurz nach der Premiere beim Toronto International Film Festival wurde die Arbeit von Regisseur Alfonso Gomez-Rejon („Ich und Earl und das Mädchen“) Opfer des Skandals um Harvey Weinstein, dem Boss des zuständigen US-Verleihs TWC (The Weinstein Company). Erst zwei Jahre später kam der Film dann doch noch auf die nordamerikanischen Leinwände und floppte spektakulär. Dabei war das Werk ursprünglich als aussichtsreicher Oscar-Kandidat gehandelt und vermarktet worden. Und schaut man sich die prominenten Namen auf der Besetzungsliste sowie der talentierten Crew-Mitglieder an, schien die eine oder andere Nominierung im Vorfeld ja tatsächlich nicht abwegig.

    Gomez-Rejon nutzte die lange Wartezeit bis zum Kinostart, um mit finanzieller Hilfe des ausführenden Produzenten Martin Scorsese endlich die Post-Produktion (inklusive eines kompletten neuen Musik-Scores) zu finalisieren und den Film noch einmal um zehn Minuten zu kürzen. Zudem drehte er einen Tag lang zusätzliche Szenen mit Benedict Cumberbatch, Nicholas Hoult und Tuppence Middleton nach, um deren Charakteren mehr Tiefe zu geben. Darüber, inwieweit der Film dadurch tatsächlich verbessert wurde, kann an dieser Stelle allerdings nur spekuliert werden, denn die Besprechung basiert lediglich auf dem so entstandenen „Director’s Cut“, wie er auch in die deutschen Kinos kommt – und der kann auch in der noch einmal überarbeiteten Fassung kaum überzeugen.

    Thomas Edison tüfelt gemeinsam mit seinem Assistenten an seiner Erfindung.

    Im Jahre 1880 gelingt es dem brillanten Wissenschaftler und Tüftler Thomas Alva Edison (Benedict Cumberbatch) endlich, eine erste Glühbirne zu konstruieren, die länger als ein paar Minuten leuchtet. Unterstützt durch seinen Sekretär und Assistenten Samuel Insull (Tom Holland) sowie den superreichen Geldgeber J.P. Morgan (Matthew Macfadyen) plant Edison nun, die ersten Häuserblocks in Manhattan mit elektrischem Licht zu versorgen. Doch das Trio ist nicht allein mit seinen Ambitionen. Denn der Unternehmer George Westinghouse (Michael Shannon) erkennt, dass die neue Technologie längst nicht ausgereift ist. Mit Hilfe des aus Serbien eingewanderten Physiker-Genies Nikola Tesla (Nicholas Hoult) macht er mit der deutlich effizienteren, aber angeblich lebensgefährlichen Wechselspannung Edisons Gleichspannung Konkurrenz. Der Wettkampf um städtische Aufträge zur Beleuchtung Amerikas spitzt sich zu, als beide Männer – entgegen ihres eigentlichen Charakters – zu zunehmend unlauteren Mitteln greifen, um den Gegner auszustechen…

    Der deutsche Verleihtitel „Edison – Ein Leben voller Licht“ ist unglücklich gewählt. Er suggeriert ein Biopic über den Erfinder und Unternehmer sowie einstigen Halter von über tausend Patenten, was aber einfach nicht geboten wird. Freilich ist der Name Edison hierzulande deutlich bekannter als der von Westinghouse. Trotzdem sind die Figuren im Film gleichwertig, was ihre Präsenz und ihre Zeit auf der Leinwand angeht. Die Sympathien des Publikums dürften sich über weite Strecken ebenfalls halbwegs die Waage halten. Charakterlich kommt Westinghouse am Ende vielleicht sogar einen Tick besser weg. Außerdem erstreckt sich die Handlung nur über einen Zeitraum von 13 Jahren. Von einem klassischen Biopic kann also wahrlich nicht die Rede sein.

    Ein Film über Strom, dem die Spannung fehlt

    Der deutsche Titel ist allerdings längst nicht das größte Problem von „Edison – Ein Leben voller Licht“, der in der englischsprachigen Welt als „The Current War“ präsentiert wird, was sich in etwa mit „Der Stromkrieg“ übersetzten ließe. Es ist vielmehr die Umsetzung der Geschichte, die – um es mal ganz platt zu sagen – einfach viel zu langweilig ist. Der Wettlauf der Geschäftemacher Edison und Westinghouse mag historisch bedeutend gewesen und auf dem Papier beziehungsweise im Wikipedia-Eintrag auch einigermaßen vielschichtig und ansatzweise spannend anmuten. Von Alfonso Gomez-Rejon verfilmt wirkt er allerdings ziemlich träge, weil einfach nicht genügend aufregende Dinge passieren und die zentralen Kontrahenten nahezu die gesamte Laufzeit über räumlich voneinander getrennt sind. Wie abwechslungsreich und mitreißend könnte man auch die immer gleichen Verkaufsgespräche mit Würdenträgern dutzender Städte mit „Meine Art von Strom ist sicherer“ gegen „Meine Art von Strom ist aber viel billiger“ umsetzen?

    Diesen Umstand scheinen – zumindest insgeheim – auch Gomez-Rejon und sein Drehbuchautor Michael Mitnick („Hüter der Erinnerung“) selbst ein Stück weit realisiert zu haben. Schließlich haben sie eine Vielzahl von Nebenhandlungen eingebaut. Dabei gibt es einige schöne Szenen zu entdecken: Etwa Edisons verspielte Morsezeichen-Kommunikation mit seinem kleinen Sohn (Woody Norman) mitten in einem ansonsten eher unwichtigen Business-Meeting, die im späteren Verlauf, in einem besonders traurigen Moment, auf emotionale Weise wieder erneut aufgegriffen wird. Auch Westinghouses wiederkehrende, mentale Flashbacks in seine Zeit als Soldat im Sezessionskrieg sind kompetent umgesetzt, für den Fluss der Story aber eher irrelevant und verlangsamen ihn sogar noch mehr. Ein weiteres Beispiel ist die viel zu viel Raum einnehmende Erfindung und Konstruktion des elektrischen Stuhls plus die Schilderung seines ersten, alles andere als reibungslos vonstattengehenden Einsatzes.

    Die Szenen mit Thomas Edison und seinem Sohn zählen zu den stärkeren Momenten des Films.

    All diese (und weitere!) Episoden sind für sich durchaus erzählenswert, machen das Gesamtwerk aber nie wirklich besser. Was nicht heißt, dass es überhaupt keinen Spaß machen würde, „Edison – Ein Leben voller Licht“ anzuschauen. Neben den engagiert aufspielenden Stars, zu denen auch die vom Skript vergleichsweise stiefmütterlich behandelten Nicholas Hoult („Tolkien“) und Tom Holland („Spider-Man: Far From Home“) sowie die als Ehefrauen der Protagonisten agierenden Katherine Waterston („Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind“) und Tuppence Middleton („Sense8“) zählen, ist die Optik wirklich bemerkenswert: Kostüme, Kulissen und die während Eisenbahnfahrten, zur Darstellung der gigantischen Westinghouse-Fabrikhallen, ganzer Straßenzüge oder der legendären Illumination der Weltausstellung von 1893 in Chicago zum Einsatz kommenden CGI-Effekte sind größtenteils mehr als ansehnlich.

    Dazu kommen die oft sehr nah dran gehenden, meist ausgesprochen ästhetischen Aufnahmen. Chef-Kameramann Chung-hoon Chung („ES“) tobt sich hier richtig aus und findet jede Menge ungewöhnliche Einstellungen, indem er etwa mit Blendenflecken, schnellen Schwenks und Zooms oder einer Fischaugenlinse arbeitet, plötzlich den Winkel ankippt und so überraschende Vogelperspektiven bietet. Doch selbst diese Spielereien wirken irgendwann so, als ob sie nur integriert worden wären, um das von ihnen gezeigte, eher träge dahinplätschernde Geschehen aufzupeppen beziehungsweise von ihm abzulenken. Es sagt einiges aus, dass der beste Moment von „Edison – Ein Leben voller Licht“, wenn der Titelheld und sein Gegenspieler zum Ende endlich einmal zusammen im Bild sind, um sich zumindest kurz, dabei offen und ehrlich zu unterhalten, historisch nicht belegbar ist, sondern von Autor Mitnick dazu erfunden werden musste.

    Fazit: Trotz jeder Menge Star-Power und beeindruckender visueller Schauwerte will der Funke aufgrund der leider ziemlich faden Story einfach nicht überspringen.

    Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
    Das könnte dich auch interessieren
    Back to Top