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    Greta
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Greta

    Ehrliche Finder sind eben doch immer die Dummen!

    Von Oliver Kube

    Greta“ von „Interview mit einem Vampir“-Regisseur Neil Jordan ist im Kern ein verspielt-klassischer B-Film, der visuell vor allem von solchen 80er-/90er-Vorbildern wie „Dressed To Kill“, „Eine verhängnisvolle Affäre“ oder „Weiblich, ledig, jung sucht...“ inspiriert zu sein scheint. Vor allem die hochkarätige Besetzung schürt dann jedoch Erwartungen, die der Film nicht erfüllen kann. Denn weder das engagierte Spiel des ehemaligen Teenie-Stars Chloë Grace Moretz noch Isabelle Huppert, die mit Auszeichnungen überschüttete, wohl unbestritten herausragende französische Darstellerin der Gegenwart, können über diverse Schwächen, Logiklücken und Klischees des abgründigen Psycho-Thrillers hinwegtäuschen.

    Nur wenige Monate nach dem tragischen Tod ihrer Mutter zieht Frances (Chloë Grace Moretz) nach Manhattan, wo sie gemeinsam mit ihrer College-Freundin Erica (Maika Monroe) deren Loft bewohnt und als Kellnerin in einem Luxusrestaurant jobbt. Sie ist froh, nicht mehr ständig mit der Nähe ihres Vaters (Colm Feore) konfrontiert zu sein, dessen Workaholic-Lebensstil sie zumindest indirekt für die Krebserkrankung ihrer Mutter mitverantwortlich macht. Eines Tages findet Frances in der U-Bahn eine Handtasche mit Geld und Papieren. Als guter Mensch bringt sie die Tasche der Besitzerin zurück. Greta (Isabelle Huppert), eine verwitwete, alleinlebende Klavierlehrerin mit französischem Akzent, ist ebenso überrascht wie erfreut über Frances‘ Ehrlichkeit und bittet sie auf einen Kaffee herein. Schnell freunden sich die beiden an und es entwickelt sich sogar eine Art Ersatzmutter/Ersatztochter-Beziehung. Per Zufall entdeckt Frances dann aber weitere, mit Ausweisen und Banknoten ausgestattete Handtaschen in Gretas Schrank. Offenbar war ihr Kennenlernen also doch kein Zufall und sie ist nicht die erste ehrliche Finderin. Frances bricht den Kontakt umgehend ab. Doch Greta ist nicht bereit, das einfach so hinzunehmen...

    Ahnungslos in "Greta": Jungstar Chloë Grace Moretz.

    Wenigstens bleibt es bis zum Ende interessant und emotional fesselnd, Chloë Grace Moretz („Kick-Ass“, „Suspiria“) zuzuschauen. Denn die spielt ihre Rolle mit einer sympathischen, dabei durchgehend glaubhaften Naivität. Die junge Amerikanerin hat sich einem ihrer ersten Parts, in dem sie eine Erwachsene gibt, mit großem Einsatz angenähert: Die Aktrice, die bereits als Achtjährige in „Amityville Horror - Eine wahre Geschichte“ ihre erste größere Kinorolle spielte, hatte laut eigenen Angaben noch nie einen „zivilen“ Job inne. Als Vorbereitung auf „Greta“ absolvierte Moretz jedoch auf eigene Initiative eine kurze Ausbildung sowie diverse Abendschichten in einem hochklassigen Lokal und erlernte dort die korrekte Körpersprache – wird zum Beispiel der linke Arm nicht benutzt, dann gehört die Hand parallel zum Hosenbund hinter den Rücken. Außerdem zeigten ihr die neuen Kolleginnen, wie ein Profi größere Mengen Teller nicht nur mit den Händen, sondern auch elegant auf den Unterarmen trägt. Ein löbliches Engagement, das sich ausgezahlt hat. So wirkt Moretz selbst in den verhältnismäßig kurzen Momenten, in denen Frances ihrem Job als Kellnerin in einem Nobelrestaurant nachgeht, authentisch.

    Die ungleich lebenserfahrenere Isabelle Huppert („Die Klavierspielerin“) hingegen verrichtet das Gros ihrer Arbeit instinktiv und mit Blicken, die sie virtuos zwischen warm und liebevoll bis verachtend und eiskalt variiert. Gelegentlich wird der Zuschauer dabei an ihren wahrlich erinnerungswürdigen Auftritt als Titelheldin in Paul Verhoevens grandiosem „Elle“ erinnert. Ein Umstand, der den Vermarktern von „Greta“ nicht unlieb sein dürfte, zugleich aber Vergleiche heraufbeschwört, die für den neueren Film letztlich nicht wirklich schmeichelhaft enden. Das Problem ist nämlich, dass sich Hupperts Figur nach dem noch recht geschickt aufgebauten Start ab einem für den Spannungsbogen viel zu schnell kommenden Twists nicht mehr weiterentwickelt.

    Noch harmonisch unterwegs: Chloë Grace Moretz und Isabelle Huppert in "Greta".

    Denn sobald Greta Frances - und damit auch dem Publikum - ihr wahres Gesicht als psychopathische Narzisstin offenbart, ist sie – zumindest für genre-erfahrene Kinofans - komplett ausrechenbar. Nur für ihr Opfer und einen angeblich mit allen Wassern gewaschenen, im Handlungsverlauf eher überflüssigen Privatermittler und Ex-Cop (Stephen Rea, „The Crying Game“) agiert sie weiterhin überraschend und erratisch. Das hätten Regisseur Neil Jordan und sein Co-Autor Ray Wright („The Crazies“) anders und besser lösen müssen. Auch und gerade im Sinne ihres sich dennoch redlich Mühe gebenden Stars. Stattdessen verlassen sie sich, um dennoch Suspense zu erzeugen, auf klischeebehaftete Hilfsmittel wie sich überraschend als Traum erweisende Sequenzen und arg plumpe Jump Scares.

    Insgeheim wünscht sich der Zuschauer wohl spätestens ab der Mitte des Films, dass die Hauptfigur auf ihre Freundin Erica (herrlich abgeklärt: Maika Monroe aus „It Follows“) gehört hätte. Die unkompliziertere, moralisch offenbar deutlich ambivalentere Mitbewohnerin hatte Frances zu Anfang geraten, die in der Handtasche befindlichen Dollar-Scheine einfach zu verjuxen und die Sache dann zu vergessen. Aber vielleicht ist das die Lehre, die wir aus dem sich selbstverständlich ein Hintertürchen für eine eventuelle Fortsetzung offenhaltenden, allzu formelhaften Psychospiel ziehen können oder sogar sollen: Mit Ehrlichkeit, Hilfsbereitschaft und Nächstenliebe handelt man sich heutzutage nur Ärger ein...

    Fazit: Ein trotz seines exzellenten Hauptdarstellerinnen-Duos leider viel zu absehbarer Stalker-Thriller, bei dem trotz einiger schön böser Spitzen schon nach der Hälfte der Laufzeit die Luft weitestgehend raus ist.

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