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    Phantastische Tierwesen: Grindelwalds Verbrechen
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Phantastische Tierwesen: Grindelwalds Verbrechen

    Es wird finster!

    Von Antje Wessels

    Das „Harry Potter“-Spin-off „Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind“ ist wahrscheinlich der erste und einzige Blockbuster der Geschichte, der aus einem – wenn auch fiktiven – Naturlehrbuch hervorgegangen ist. Trotzdem lautete der ursprüngliche Plan, dass es dazu auch noch zwei Fortsetzungen geben sollte. Inzwischen sind daraus sogar fünf Filme bis 2024 geworden. Kein Wunder, schließlich hat der erste Teil weltweit mehr als 800 Millionen Dollar umgesetzt und allein in Deutschland mehr als dreieinhalb Millionen Besucher in die Kinos gelockt. Dass die Reihe auf einem nur 128 Seiten umfassenden Tierlexikon basiert, hat zugleich zur Folge, dass im Gegensatz zu den Kinoabenteuern des Zauberschülers Harry Potter diesmal niemand außer (Drehbuch-)Autorin Joanne K. Rowling weiß, wo genau die Reise eigentlich hingeht.

    Im Fall von „Phantastische Tierwesen 2: Grindelwalds Verbrechen“ von Regisseur David Yates, der seit „Der Orden des Phönix“ alle Filme im Potter-Universum verantwortet, lautet die Antwort nun auf jeden Fall schon mal: in extrem düsterere Gefilde! Darauf deutete ja auch schon die FSK-Entscheidung hin: Das Sequel ist im Gegensatz zum Vorgänger nämlich erst ab 12 Jahren freigegeben. Und das aus gutem Grund! Der trotz viel Widerspruch für die Rolle des titelgebenden Bösewichts verpflichtete Johnny Depp gibt als Quasi-Vorgänger von Lord Voldemort einen wahrhaft furchteinflößenden Superschurken, der im Kampf um seinen eigenen Vorteil keinerlei Grenzen zu kennen scheint. Zum Ausgleich gibt es dafür aber natürlich auch diesmal wieder jede Menge phantastische Tierwesen, charmante Sidekicks und einen deutlich ambivalenter aufspielenden Eddie Redmayne. Ganz zu schweigen von diversen Enthüllungen aus Hogwarts’ Vergangenheit, bei denen „Harry Potter“-Fans sicherlich mehr als nur einmal feuchte Augen bekommen werden.

    Bei seiner Flucht aus den USA hat der berüchtigte Schwerverbrecher Gellert Grindelwald (Johnny Depp) eine Schneise der Verwüstung hinterlassen. Newt Scamander (Eddie Redmayne), der für die zwischenzeitige Verhaftung des Zauberers verantwortlich war, erfährt von dem Ausbruch, als sich Albus Dumbledore (Jude Law) vertrauensvoll an seinen ehemaligen Schüler wendet. Aufgrund eines uralten Schwures ist es Dumbledore selbst nicht möglich, gegen Grindelwald anzutreten. Dafür sieht er in Newt jemanden, der es mit dem Zauberer-Terroristen aufnehmen könnte. Gemeinsam mit den Schwestern Tina (Katherine Waterston) und Queenie Goldstein (Alison Sudol), dem Muggel Jacob Kowalski (Dan Fogler) sowie erneut zahllosen seiner heißgeliebten Tierwesen begibt sich Newt nach Paris, wo die Truppe Hinweise auf Grindelwalds Verbleib vermutet. Und die Zeit drängt: Die Anhängerschaft des düsteren Magiers wächst stetig und hat nur einen Plan, nämlich die Weltherrschaft der reinblütigen Zauberer mit aller Gewalt durchzusetzen…

    Schon vor der Titeleinblendung wird deutlich: Der Ton ist in „Grindelwalds Verbrechen“ gegenüber „Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind“ um ein Vielfaches schärfer. Grindelwalds Flucht aus dem Gefängnis nach Europa erweist sich als düster-brutale Verfolgungsjagd über den Wolken, bei der der Flüchtige wirklich alles unternimmt, um sich seiner Verfolger zu entledigen. Wenn hier knallend Blitze zucken und der Regen in Strömen vom Himmel prasselt, während Grindelwald ohne Rücksicht auf Verluste in die Dunkelheit entschwindet, dann ahnt man, dass der Filmtitel „Grindelwalds Verbrechen“ nicht ohne Bedacht gewählt ist: Es geht um die Schandtaten eines Schwerverbrechers, deren Ausmaße vielleicht noch nicht ganz an die eines Lord Voldemort heranreichen. Aber in Sachen Bösartigkeit kann es Grindelwald trotzdem locker mit seinem Nachfolger aufnehmen. Und mit Grindelwalds Traum von einer Welt, die von einer herrschenden Rasse dominiert wird, sind die bereits im ersten Film anklingenden, aktuellen weltpolitischen Töne auch in der Fortsetzung wieder deutlich zu vernehmen. Johnny Depp („Fluch der Karibik“) stellt sich dabei ganz in den Dienst dieser abgründigen Rolle: Er verkörpert den schneeweißen Magier ohne jedes Augenzwinkern, jede Poserei oder (pseudo-)coole Sprüche. So ernst und vor allem ernsthaft bedrohlich haben wir Depp lange nicht mehr gesehen. Willkommen zurück!

    Neben den titelgebenden Verbrechen geht es natürlich auch im zweiten Teil weiterhin um Phantastische Tierwesen. Sie bilden ein willkommenes Gegengewicht zum düsteren Handlungsstrang rund um die Jagd nach Grindelwald. Es gilt etliche (neue) Tierwesen zu bestaunen, von denen der zuckersüße Maulwurf-Enten-Hybrid Niffler wieder einmal die meisten Blicke auf sich zieht. Aber anders als in vielen anderen Filmreihen, wo man die Sidekicks verstärkt in den Vordergrund rückt, wenn die Fans auf sie anspringen (ja, wir meinen die Minions!), verteilen die Macher die Aufmerksamkeit hier wieder sehr gleichmäßig auf alle möglichen Fabelwesen. Darüber hinaus sind die meisten ihrer Auftritte tatsächlich für den Fortlauf der Handlung relevant: Der Niffler ist nicht bloß mit von der Partie, weil er ganz besonders süß ist, sondern auch, weil er Newt und seinen Freunden in entscheidenden Momenten Hilfe leistet.

    Die Szenen mit den teils wunderbar abgefahren designten Tieren sind aber nicht nur für ein jüngeres Publikum wichtig, um zwischen den aufregenden Kämpfen auch mal Gelegenheit zum Verschnaufen zu bekommen. Sie bilden auch tricktechnisch die größten Highlights. „Phantastische Tierwesen: Grindelwalds Verbrechen“ fällt zwar auch auf visueller Ebene deutlich düsterer aus als der Vorgänger, aber das ändert nichts daran, dass es sich in den – im wahrsten Sinne des Wortes – phantastischen CGI-Effekten ganz wunderbar schwelgen lässt. Dank ihrer detailreichen Animation, beim Niffler bewegt sich etwa selbst die Nasenspitze um wenige Millimeter auf und ab (so süß!), sowie dem authentischen Schauspiel der mit ihnen agierenden Akteure glaubt man jederzeit, dass es all diese Wesen tatsächlich gibt. Und dann sind da ja auch noch die prunkvoll ausgestatteten Kulissen wie die einer Zirkusgemeinschaft in Paris, die allesamt so voller Leben stecken, dass es an allen Ecken und Enden immer was zum Staunen gibt, selbst wenn erzählerisch gerade nicht so viel passiert.

    Das ist im Laufe der üppigen 134 Minuten gerade im Mittelteil immer mal wieder der Fall. „Phantastische Tierwesen: Grindelwalds Verbrechen“ merkt man durchaus an, dass er eben nicht nur für sich steht, sondern zugleich auch das Bindeglied zwischen zwei anderen Filmen sein muss. Rowling legt sichtlich Wert darauf, ihre bereits im ersten Teil etablierten Figuren um möglichst viele neue Facetten zu erweitern. Das nimmt allerdings bisweilen etwas zu viel Zeit in Anspruch. So beleuchtet sie auch diesmal wieder ausgiebig das (auch amouröse) Privatleben von Newt und Co., was in seiner (noch) sehr oberflächlichen Betrachtung allerdings fast ein wenig seifenopernhaft wirkt. Parallel wird auch das aus den Potter-Filmen bereits vertraute Zauberer-Universum konsequent weiter ausgebaut. Den Höhepunkt bildet dabei eine Rückkehr nach Hogwarts - natürlich ganz stilecht zu John Williams‘ legendärem „Harry Potter“-Thema. Was genau es damit auf sich hat, wollen wir aus Spoiler-Gründen an dieser Stelle allerdings ebensowenig verraten wie andere größere und kleinere Offenbarungen, die mit der Vergangenheit bereits aus früheren Filmen und Büchern bekannten Figuren zu tun haben.

    Der bekannteste Rückkehrer ist dabei aber sicherlich Albus Dumbledore, den Jude Law („Sherlock Holmes 2“) sehr überzeugend als über alle Maßen loyalen Lehrer in Verteidigung gegen die dunklen Künste anlegt. Der liebenswürdige Duktus, das verschmitzte Funkeln in seinen Augen, das warmherzige Lächeln sowie der graue Bartansatz (!) machen aus Law einen absolut glaubwürdigen jungen Dumbledore, der schon lange vor Kinostart speziell aus einem Grund verstärkt in den Fokus der Berichterstattung rückte: Wird in „Phantastische Tierwesen 2“ nun auf Dumbledores sexuelle Orientierung verwiesen oder nicht? Tatsächlich könnte dieser Fakt für den Fortlauf der Handlung aber unwichtiger kaum sein. Denn Yates rückt in seinem Film vor allem die Loyalität des Zauberers gegenüber seinen Mitmenschen in den Mittelpunkt. Und diese hat gar nichts damit zu tun, ob Dumbledore nun schwul ist oder nicht.

    Oscargewinner Eddie Redmayne („Die Entdeckung der Unendlichkeit“) scheint mit der Rolle des Newt Scamander unterdessen so etwas wie seine Bestimmung gefunden zu haben. Schon nach Teil eins hätte man sich keinen Besseren für die Figur des tapsigen Tierliebhabers vorstellen können. Diesmal gelingt es ihm aber sogar noch besser, auch die in sich gekehrte Seite seines Charakters zu betonen, der von den Ereignissen im Auftaktfilm sichtbar gezeichnet ist und trotzdem alles unternehmen will, um die Welt der Zauberer zu beschützen und seinen einstigen Mentor Dumbledore nicht zu enttäuschen. „Phantastische Tierwesen: Grindelwalds Verbrechen“ weist nicht wie in ersten euphorischen Twitter-Postings angekündigt etliche große Wendungen auf. Aber er bleibt bis ganz zum Schluss angenehm unberechenbar und endet schließlich wieder mit einem saftigen Cliffhanger, der uns die Wartezeit bis November 2020 plötzlich ganz schrecklich lang erscheinen lässt.

    Fazit: „Phantastische Tierwesen: Grindelwalds Verbrechen“ wagt sich in sehr viel düsterere Gefilde als sein Vorgänger – und tariert dabei süße Tierwesen und einen wahrhaft böshaften Johnny Depp stimmig miteinander aus. So macht die Fortsetzung trotz einiger Holprigkeiten gerade im Mittelteil absolut Lust auf den nächsten Teil – auch wegen des finalen Knalls, der Potter-Fans erst einmal den Boden unter den Füssen wegzieht.

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