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    Der Moment der Wahrheit
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Der Moment der Wahrheit
    Von Christoph Petersen

    James Vanderbilt hat mit dem Skript zu David Finchers „Zodiac“ die Grundlage für einen der besten Reporter-Filme aller Zeiten geliefert. Es ergibt also Sinn, dass der Drehbuchautor („The Amazing Spider-Man“, „White House Down“) für sein Regiedebüt nun ebenfalls ein Journalismus-Thema gewählt hat: Das Drama „Der Moment der Wahrheit“ handelt von der Entstehung und von den Folgen einer Episode des CBS-Nachrichtenmagazins „60 Minutes“ aus dem Wahljahr 2004, in der dem amtierenden und erneut kandidierenden US-Präsidenten George W. Bush vorgeworfen wird, während seiner Militärzeit ein ganzes Jahr lang unentschuldigt dem Dienst ferngeblieben zu sein. Allerdings verschiebt sich der Fokus direkt nach der Ausstrahlung, als Zweifel an der Echtheit zweier in der Sendung gezeigter Dokumente aufkommen. Statt des Präsidenten geraten plötzlich die Reporter um Produzentin Mary Mapes (Cate Blanchett) und Nachrichtensprecher Dan Rather (trieft vor Gravität: Robert Redford) ins Kreuzfeuer.

    Der Fernsehsender CBS weigert sich, Werbespots zum US-Kinostart des Films auszustrahlen - und wer ihn gesehen hat, weiß auch warum: „Der Moment der Wahrheit“ ist ein Loblied auf den gründlichen und engagierten investigativen Journalismus – und zugleich ein Grabgesang auf ihn. Der Sender erscheint dabei nicht gerade in vorteilhaftem Licht - immerhin wurden Mapes und Rather nach den ersten Zweifeln von CBS fallengelassen wie eine heiße Kartoffel (wobei auch ein Millionengewinne versprechendes Gesetz der Bush-Administration eine nicht geringe Rolle gespielt haben dürfte). Die CBS-Verantwortlichen begründen ihren Verzicht auf die Filmwerbung indes vor allem damit, dass die damaligen Vorgänge in „Der Moment der Wahrheit“ verfälscht dargestellt würden. Diesen Eindruck können wir zwar nicht bestätigen, aber schon der Umstand, dass der Film auf dem Buch „Truth and Duty“ von Mary Mapes selbst basiert, suggeriert zumindest eine gewisse Parteilichkeit und tatsächlich werden einige denkbare Einwände gegen die Arbeit der „60 Minutes“-Crew (etwa deren mögliche Verbindung zum Wahlkampfteam von Bushs damaligem Gegenkandidaten John Kerry) dann doch etwas zu leicht zur Seite gewischt.

    Die explizit politische Dimension der Ereignisse bleibt in „Der Moment der Wahrheit“ eher ein Nebenaspekt, das Bush-Bashing hält sich in Grenzen und auch so etwas wie die nach Film-noir-Manier stilisierten konspirativen Tiefgaragen-Treffen mit Deep Throat im Watergate-Klassiker „Die Unbestechlichen“ gibt es hier nicht. James Vanderbilt bleibt konsequent auf das journalistische Alltagshandwerk und seine technischen Details konzentriert: Aktenberge werden durchgearbeitet, Meetings abgehalten und die Telefone zum Glühen gebracht. Dass das trotzdem nie langweilig wird, liegt neben dem straffen Drehbuch vor allem an der zweifachen Oscar-Preisträgerin Cate Blanchett (für „Aviator“ und „Blue Jasmine“), die als Mary Mapes eine solche Leidenschaft und Integrität ausstrahlt, dass das Publikum sich dem Sog ihrer Recherchen kaum entziehen kann - und zwar selbst dann nicht, wenn es eine geschlagene Viertelstunde lang um eine spezielle Funktion einer 30 Jahre alten Schreibmaschine geht.

    Aber während Regisseur James Vanderbilt, der auch das Drehbuch verfasste, beim Kondensieren der Informationsmassen grandiose Arbeit leistet (auch wer vorher noch nie etwas von der Kontroverse gehört hat, kann alle Details nachvollziehen), kommt die Figurenzeichnung etwas kurz: Mapes‘ gesamtes Verhalten wird - typisch Biopic - mit dem Holzhammer auf ihre gestörte Beziehung zu ihrem aggressiven Vater zurückgeführt. Und über ihre Mitarbeiter wie den idealistischen Jungreporter Mike Smith (Topher Grace), die Journalismus-Professorin Lucy Scott (Elisabeth Moss) und vor allem den ehemaligen Soldaten Lt. Colonel Roger Charles (Dennis Quaid) gäbe es zwar faszinierende Geschichten zu erzählen, aber bei Vanderbilt kommen diese News-Avengers (die Vorstellung des Teams erinnert an einen Superhelden-Film) nicht über den Status von eindimensionalen Randfiguren hinaus.

    Fazit: Intensiver Journalismus-Thriller, dessen erzählerische Schwächen durch eine herausragende Besetzung ausgeglichen werden.

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