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    Leatherface - The Source Of Evil
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Leatherface - The Source Of Evil
    Von Lutz Granert

    In den vergangenen Jahren ist viel passiert im „The Texas Chainsaw Massacre“-Franchise. Zunächst sicherte sich die Produktionsfirma Platinum Dunes die Rechte und realisierte 2003 mit „Michael Bay’s Texas Chainsaw Massacre“ ein 1974 angesiedeltes Remake von Tobe Hoopers just in jenem Jahr entstandenen Original sowie unter dem Titel „Texas Chainsaw Massacre: The Beginning“ (2006) ein in das Jahr 1969 verlegtes Prequel, in dem der Hewitt-Clan um den später Leatherface genannten Thomas seine ersten Morde begeht. Bereits 2009 wechselten die Rechte an der Reihe allerdings schon wieder den Besitzer. Die neuen Inhaber Lionsgate und Twisted Pictures 2 planten einen Neustart, bei dem das Zwischenspiel unter der Federführung von Platinum Dunes ausgeblendet wurde: Mit „Texas Chainsaw 3D - The Legend Is Back“ (2013) knüpfte Regisseur John Luessenhiop vielmehr nahtlos an die Geschehnisse des Originals an und drehte ein lupenreines Sequel. Dieser Wiederbelebungsversuch des Franchise fiel bei der Kritik jedoch ebenso durch wie die beiden Platinum-Dunes-Beiträge. Nun versucht man es mit „Leatherface“ erneut mit einem Prequel zu Hoopers Klassiker. Und zur Abwechslung ist der vom Regieduo Alexandre Bustillo und Julien Maury („Among The Living – Das Böse ist hier“) inszenierte Horrorthriller dank einiger cleverer Drehbuch-Kniffe erstaunlich solide geraten.

    Sommer 1955: Auf der Sawyer-Farm wird die Leiche von Betty (Lorina Kamburova) gefunden, der Tochter von Sheriff Hartman (Stephen Dorff). Der Gesetzeshüter kann dem Familien-Clan keinen Mord nachweisen, doch aus Rache entzieht er Verna Sawyer (Lili Taylor) das Sorgerecht für ihren noch unbedarften Sohn Jedidiah (Boris Kabakchiev), der in einer Nervenheilanstalt für Kinder und Jugendliche untergebracht wird. Zehn Jahre später will Verna ihren Sprössling befreien, doch haben alle Patienten aus Schutz vor ihren oft gefährlichen Familien neue Namen bekommen. Sie verursacht einen Aufstand. In dem entstehenden Chaos gelingt dem durchgeknallten Ike (James Bloor) und seiner Freundin Clarice (Jessica Madsen), dem dicklichen wie brutalen Bud (Sam Coleman) und dem sympathisch-smarten Jackson (Sam Strike) die Flucht mit der neuen Krankenschwester Lizzy (Vanessa Grasse) als Geisel. Hartman ist ihnen auf den Fersen, denn einer von den geflüchteten Insassen ist Jedidiah, den Verna ganz in der Familientradition zum Killer erziehen will.

    Es klingt zunächst absurd, aber „Leatherface“ ist vor allem deshalb erfrischend, weil sich die Filmemacher über weite Strecken vom mörderischen Treiben der Hinterwäldler-Sippe abwenden. Nach der Einführung liegt der Fokus auf den fliehenden Jugendlichen, wobei die Frage, wer von ihnen der gesuchte Jedidiah ist, erst nach gut zwei Dritteln der Laufzeit mit einer überraschenden Wendung aufgelöst wird. Bis dahin findet eine sorgfältige Figurenentwicklung statt, wie man sie in diesem Genre selten sieht. Wurde in „Texas Chainsaw Massacre: The Beginning“ die Kindheit des späteren Killers noch mit kleinen Schnipseln lieblos während des Vorspanns abgehandelt, bevor er gegen Teenies die Kettensäge schwang, nimmt Drehbuchautor Seth M. Sherwood hier einen anderen Weg. Er zeichnet den Wandel eines psychisch angeknacksten, aber eigenständigen jungen Mannes zum identitätslosen Monster nach, dem durch den Verlust seines besten Freundes zunächst seelische, dann durch einen Streifschuss durchs Gesicht auch körperliche Deformationen zugefügt werden.

    Trotz einer unnötigen Nekrophilie-Szene und einiger übertrieben blutiger Schießereien wie bei einem Diner-Besuch, der in einem Massenmord mündet, überzeugt „Leatherface“ in den ersten zwei Dritteln vor allem als spannender, durchaus atmosphärischer Crime-Thriller. Dazu trägt entscheidend die hervorragende Ausstattung bei: Von authentischen Oldtimern bis hin zu den Kostümen wird das Zeitkolorit der 60er Jahre stimmig eingefangen – und das trotz eines schmalen Budgets, das auch zu der Entscheidung führte, dass die Dreharbeiten erstmals nicht in den USA stattfanden, sondern nach Bulgarien verlagert wurden. Erst im finalen Drittel wandelt sich der nunmehr insgesamt achte Beitrag zum „Texas Chainsaw Massacre“-Franchise zur zutiefst konventionellen Schlachtplatte, bei der schlagartig auch jegliche Ambitionen in der Figurenentwicklung fallengelassen werden. Die Regisseure Bustillo und Maury setzen hier nun den Kurs fort, der bereits bei „Texas Chainsaw 3D“ vorgegeben wurde: Das subtile, angedeutete Grauen, das dem Original-Film 1974 seinen besonderen Reiz verlieh, wird in „Leatherface“ (zumindest in der Unrated-Fassung) durch zum Teil grenzwertig derbe, wenngleich gelungene Splatter-Effekte ersetzt. Das extremste Beispiel ist jener Moment, als eine der Figuren erst die Hände und dann regelrecht schwimmend im eigenen Blut das Leben verliert. Das ist gut gemacht, aber die zuvor behutsam aufgebaute Spannung wird durch diesen finalen Gore-Exzess gleichsam wie mit dem Hieb einer Kettensäge niedergestreckt.

    Fazit: Solange die Identität der Titelfigur in der Schwebe ist, beeindruckt „Leatherface“ als atmosphärischer Thriller mit sorgfältiger Charakterzeichnung. Im letzten Filmdrittel werden dann allerdings alle ernsthaften Ansätze zugunsten von derben Gore-Effekten über Bord geworfen.

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