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    Das kalte Herz
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Das kalte Herz
    Von Michael Meyns

    Die bis heute bekannteste Verfilmung von „Das kalte Herz“ stammt aus dem Jahr 1950, da scheint es durchaus an der Zeit zu sein, sich an eine neue große Kinoadaption des Märchens von Wilhelm Hauff zu wagen. Mit Paul Verhoevens - gemeint ist der deutsche Regisseur von „Heidelberger Romanze“, nicht der niederländische Namensvetter von „Basic Instinct“ und „RoboCop“ - buntem und oft beschwingtem DEFA-Klassiker hat die 2016er Version dann auch tatsächlich nicht mehr viel zu tun. Johannes Nabers „Das kalte Herz“ ist geprägt vom Geist des heutigen Fantasykinos im Gefolge von „Der Herr der Ringe“, vom Bemühen um archaische Wucht, epische Bilder und dramatische Momente. Dabei herausgekommen ist ein vor allem visuell beeindruckender, nicht immer sehr märchenhafter Märchen- und Fantasyfilm mit kleinen erzählerischen Schwächen.

    Irgendwo im Schwarzwald lebt Peter Munk (Frederick Lau) zusammen mit seinen Eltern und fristet ein kärgliches Dasein als Köhler. In der hierarchischen Gesellschaft gehört er damit zum niedrigsten Stand und hat keine Chancen, die liebreizende Lisbeth (Henriette Confurius) für sich zu gewinnen. Deren Vater Löbl (Sebastian Blomberg) will sie mit dem Sohn des mächtigsten Mannes im Dorf vermählen, dem Holzhändler Ezechiel (Roeland Wiesnekker). In seiner Verzweiflung sucht Peter im Wald Hilfe und findet sie bei einem Glasmännchen (Milan Peschel), das ihm drei Wünsche erfüllt. Doch Peter ist tumb und verschwendet seine Wünsche. Bald hat er Schulden und steht vor dem Ruin. Der einzige, der ihm jetzt noch helfen kann, ist der finstere Holländer-Michel (Moritz Bleibtreu), der ihm das Wichtigste gibt, um geschäftlich Erfolg zu haben: ein kaltes Herz.

    In den 1820er Jahren schrieb Wilhelm Hauff seine Sagen und Märchen auf, die noch tief vom Glauben an das Übernatürliche, an Geister und sagenhafte Gestalten geprägt waren. Davon war auch die klassische DEFA-Verfilmung geprägt, die den Offiziellen der DDR trotz ihrer ansatzweise antikapitalistischen Aussage missfiel - Paul Verhoeven hatte das Budget der für damalige Verhältnisse bemerkenswerten Spezialeffekte auch etwas zu sehr überzogen. Johannes Naber („Der Albaner“, „Zeit der Kannibalen“) konnte nun ebenfalls aus dem Vollen schöpfen, ließ im Studio Babelsberg ganz klassisch ein ganzes Dorf nachbauen und beschäftigte Hunderte Statisten. Der Regisseur bringt diese Schauwerte gut zur Geltung und mit dem betont schaurigen, in Nacht und Nebel gefilmten, von Blitz und Donner unterlegten, effektvollen Prolog zeigt er auch gleich, wie sehr sich die Technik weiterentwickelt hat.

    Auch bei der prominenten Besetzung ließ man sich nicht lumpen. Dass die Wahl dabei auf Frederick Lau als Hauptdarsteller fiel, ist allerdings eine kleine Überraschung, denn der Star aus „Victoria“ ist mit seiner ganzen Körpersprache und Sprechweise unverkennbar ein zeitgenössischer Darsteller. Als etwas tumber Köhler, der rußverschmiert durch den Wald trottet und sich im Wirtshaus zum Narren macht, wirkt er hier wie ein moderner Besucher einer archaischen Welt – er ist noch mehr Fremdkörper als Außenseiter. Ganz anders wirken dagegen Henriette Confurius („Die geliebten Schwestern“), Sebastian Blomberg („Der Staat gegen Fritz Bauer“) und vor allem Gegenspieler Roeland Wiesnekker („Tatort“), der seine Rolle mit besonderer Inbrunst ausfüllt. Und auch Moritz Bleibtreu („Lola rennt“) überzeugt als Bösewicht, die ausufernde Hintergrundgeschichte für seinen Holländer-Michel ist dagegen etwas zu viel des Guten.

    Nicht einfach nur ein böses Waldwesen ist dieser Michel, sondern ein ungerecht behandelter Holzfäller, der auf Rache sinnt. Die immerhin vier Drehbuchautoren reichern die einfachen, allgemeingültigen Märchenelemente nicht nur an dieser Stelle mit sehr modern anmutenden Konflikten und psychologisch ausgeklügelten Motivationen an, die sich nicht immer mit der klassischen Klarheit der Vorlage vertragen. So ist nun auch das putzige Glasmännchen weitaus mehr als „nur“ ein Vertreter des Guten an sich, sondern eine Art Öko-Botschafter, der den Missbrauch an der Natur beklagt. Das ist ähnlich aufdringlich umgesetzt wie etwa in „Avatar“ – eine schlichte Märchenmoral reicht den Machern nicht mehr, was den Film zuweilen schwerfällig und uneinheitlich wirken lässt.   

    Fazit: Johannes Nabers Neuverfilmung von „Das kalte Herz“ ist mehr Fantasy- als Märchenfilm und überzeugt mit vielen beeindruckenden Schauwerten, weist aber zugleich auch einige erzählerische Holprigkeiten auf. 

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