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    Auf einmal
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    Auf einmal
    Von Christoph Petersen

    Während seine Freundin Laura (Julia Jentsch) auf Geschäftsreise ist, gibt Banker Karsten (Sebastian Hülk) in der gemeinsamen Wohnung eine Party. Als alle gehen, bleibt nur Anna (Natalia Belitski), doch die bricht plötzlich zusammen. Statt die 112 anzurufen, rennt Karsten panisch zur Klinik um die Ecke, aber die hat nachts geschlossen. Als er nach wenigen Minuten zurückkehrt, ist die attraktive Mittzwanzigerin tot … Junge Menschen sterben nicht einfach „Auf einmal“ und so erntet Karsten im deutschsprachigen Debüt der Berliner Filmemacherin Aslı Özge („Men On The Bridge“, „Hayatboyu – Lifelong“) zwar zunächst noch jede Menge Mitleid, aber dann noch viel mehr Argwohn – von seinen Freunden, seinen Kollegen, seiner Familie. Es kann einfach niemand – er selbst eingeschlossen – verstehen, warum er nicht einfach einen Krankenwagen gerufen hat. Ganz langsam wenden sich die Menschen aus seinem Umfeld von Karsten ab, wovon die Regisseurin und Autorin so subtil, selbstsicher und präzise erzählt, dass dieses Drama so spannend, atmosphärisch und stilbewusst daherkommt wie ein messerscharfer Psychothriller!

    Während namhafte Nebendarsteller wie Julia Jentsch („Effi Briest“) oder Hanns Zischler („München“) gewohnt gut sind, entpuppt sich Sebastian Hülk („Homeland“) in der Hauptrolle als echte Offenbarung: Sein Karsten ist derart glaubhaft komplex, dass er selbst lange nicht weiß, was er von sich und seinen Entscheidungen halten soll: Ist er nun ein Opfer oder ein Täter? Geht es ihm tatsächlich um Annas Familie oder nur darum, alles möglichst geräuschlos unter den Teppich zu kehren wie es ihm die so respektablen eigenen Eltern vormachen? Irgendwann entscheidet er sich dann ganz einfach - und damit sind wir auch schon beim Tüpfelchen auf dem i: Ist „Auf einmal“ bis zu dieser Stelle schon ein toll erzähltes und extrem spannendes Drama, macht das finale Viertel den Film endgültig zu etwas ganz Besonderem. Nach einer konsequenten Wendung (und damit ist jetzt nicht einfach nur ein cleverer Storytwist gemeint) wird „Auf einmal“ plötzlich derart böse, dass es vor allem für Freunde des staubtrockenen Humors eine wahre Freude ist. Lange hält sich Özge an das den Film eröffnende, von tiefem Verständnis für die menschliche Natur geprägte „Hamlet“-Zitat: „An sich ist nichts weder gut noch böse, das Denken erst macht es dazu.“ Aber bis zum Abspann hat sich „Auf einmal“ seinen nur noch verstörenden Schlusssong von Rammstein mehr als redlich verdient!

    Fazit: Ein präzises Drama, das über weite Strecken so spannend ist wie ein Psychothriller und mit einem wunderbar abgründigen Schluss aufwartet, der dem Publikum seinen Moralteppich regelrecht unter den Füßen wegreißt.

    Dieser Film läuft im Programm der Berlinale 2016. Eine Übersicht über alle FILMSTARTS-Kritiken von den 66. Internationalen Filmfestspielen in Berlin gibt es HIER.

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