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    Das Leben ist ein Fest
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Das Leben ist ein Fest
    Von Andreas Staben

    Als es mitten im minutiös geplanten Ablauf der Hochglanzvermählungsfeier in „Das Leben ist ein Fest“ zu einer unerwarteten Essenskrise kommt, greift das Team um den gewieften Hochzeitsplaner Max zum Teigtaschentrick: Er lässt den Gästen extrasalziges Gebäck auftischen, um nicht nur den ersten Hunger zu stillen, sondern vor allem auch, um den Durst anzuregen – so wird ein wenig extra Zeit gewonnen, um hinter den Kulissen eifrig an einem Ersatz für den verdorbenen Hauptgang zu arbeiten. Mit viel Einfallsreichtum bemühen sich der Strippenzieher Max und seine emsigen Helfer in engagierter, wenn auch nicht konfliktfreier Teamarbeit um ein gelungenes Fest und ihre amüsanten Anstrengungen werden dabei zur Metapher für die Arbeit an diesem Ensemble-Film selbst: Das Drehbuch- und Regieduo Olivier Nakache und Eric Toledano (die Masterminds hinter dem Mega-Welthit „Ziemlich beste Freunde“) orchestriert einen abwechslungsreichen und vielstimmigen Komödien-Choral, bei dem vereinzelte Misstöne immer wieder mit reichlich Verve überspielt werden. Schauspieler in Champagnerlaune machen dabei auch die überzuckerten Wendungen und versalzenen Pointen immer wieder zu einem Vergnügen. Ein gelungener filmischer Teigtaschentrick sozusagen.

    Max (Jean-Pierre Bacri) ist seit Jahrzehnten als Hochzeitsplaner tätig und normalerweise kann ihn nichts aus der Ruhe bringen. Doch sein aktueller Job verlangt ihm wirklich alles ab: Während seine Crew gegen die Kostümierung rebelliert, kriegt sich seine Assistentin Adèle (Eye Haidara) mit dem Sänger Etienne alias DJ James (Gilles Lellouche) in die Wolle. Max‘ als Hilfskellner engagierter Cousin Julien (Vincent Macaigne) verliert beim Anblick der Braut Helena (Judith Chemla) jede professionelle Zurückhaltung, der Fotograf Guy (Jean-Paul Rouve) ist mehr an den Häppchen als an seiner Arbeit interessiert und der Bräutigam Pierre (Benjamin Lavernhe) erweist sich als schnöseliger Pedant. Zu allem Überfluss wird Max auch noch von seiner eigenen Geliebten Josiane (Suzanne Clément) mit Missachtung gestraft. Als sich dann noch einige der Musiker eine Lebensmittelvergiftung vom vorab gekosteten Festessen einhandeln, droht die Traumhochzeit in einer historischen Schlossanlage endgültig zum Albtraum zu werden…

    In der ersten Szene sieht sich Max mit einem sparsamen jungen Paar konfrontiert, das seine edlen Arrangements gerne etwas preisgünstiger haben würde. Der erfahrene Festivitätenorganisator (auf Neudeutsch wäre er wohl ein Eventmanager mit dem Spezialgebiet Luxus-Hochzeiten) steigert sich zunehmend in eine ironische Tirade und schlägt schließlich eine Art Selbstmach- und Mitbringparty vor… Wie schon in ihren vorangegangenen Filmen, im Millionenhit „Ziemlich beste Freunde“ über eine soziale Schranken überwindende Männerfreundschaft ebenso wie in der Migrantengeschichte „Heute bin ich Samba“, kehren Olivier Nakache und Eric Toledano auch in „Das Leben ist ein Fest“ Klassen- und Vermögensunterschiede keinesfalls unter den Teppich, aber sie ebnen sie im Namen einer verbindenden Menschlichkeit zumindest ein wenig ein. So lässt sich Max in jener Auftaktsequenz zunächst durchaus als arroganter Snob sehen, der dem Pöbel die Leviten liest, aber schon bald darauf wird deutlich, dass aus ihm eher ein in seinem beruflichen Stolz gekränkter Unternehmer spricht. Auch die feudale Inszenierung der zentralen Hochzeitsfeier in einem Schloss des 17. Jahrhunderts (gedreht wurde in Courances im Pariser Umland), bei der Max‘ Kellner und Mitarbeiter die Gesellschaft in historischen Kostümen samt Barock-Perücken (quasi als Ausdruck ihrer Untergebenheit) bedienen, macht schließlich einer konsequenten Verwischung aller sozialen Rollenunterschiede Platz: das totale Chaos als demokratisches Ideal.

    Die sozioökonomischen Aspekte sind trotzdem eher grob gestrickt und mit seinen schlagwortartigen Gegenwartsbezügen ist der Film trotz eines hübschen Marivaux-Zitats etwa gleich weit entfernt vom zeitlosen Humanismus von Jean Renoirs „Die Spielregel“ wie von der satirischen Präzision von Robert Altmans „Eine Hochzeit“. So ist etwa der Nebenplot um eine Dating-App und die Wunder der Geolokalisation in seiner extremen Verdichtung und Überspitzung nur noch absurd und verliert jede inhaltliche Relevanz, während ein aufgesetzt wirkendes Lamento über die Abgabenlast für Mittelständler einzig durch Jean-Pierre Bacris Fähigkeit, die Worthülsen durch Gestik und Mimik zu konterkarieren, einen gewissen Biss erlangt. Überhaupt ist es Bacri („Das Leben ist ein Chanson“), der als Dreh- und Angelpunkt hinter den Hochzeitskulissen, wo sich fast das gesamte Geschehen abspielt, nicht nur wie ein Regisseur die Fäden zusammenhält, sondern auch das emotionale Zentrum besetzt. Das Hirn der Hochzeit ist das Herz des Films und um dieses herum agieren alle anderen Figuren in einem ausgeklügelten und kurzweilig arrangierten Reigen.

    Max‘ rechte Hand Adèle hat mit ihrem aufbrausenden Temperament zu kämpfen und ist mit ihrer derben Wortwahl und dem Hang zu Handgreiflichkeiten das genaue Gegenteil ihres kultivierten und meist diplomatischen Chefs. Ihre ständigen Kabbeleien mit dem Sänger James sind in ihrer kindischen Anlasslosigkeit amüsant und finden ein unausweichliches Ende. Das große Ego des Barden wiederum steht in keinem angemessenen Verhältnis zu seinem Talent, aber wenn er mit dem nervigen Bräutigam (eine weitgehend missglückte Figur) aneinandergerät, gehören ihm alle Sympathien. Gilles Lellouche („Kleine wahre Lügen“) sorgt mit seiner gekonnt mittelmäßigen Darbietung von Eros Ramazzottis „Se bastasse una canzone“ (einschließlich geschickt eingebauter Italienischfehler) außerdem für einen der komischen Höhepunkte des Films. Jean-Paul Rouve („Zwei ungleiche Freunde“) als Fotograf Guy, das zweite mehr oder weniger charmante Raubein des Films, hat eine etwas undankbarere Rolle, lässt sich davon aber nicht stören und schikaniert beherzt seinen Praktikanten. Und bei all dem Theater bleibt immer noch Zeit für ein paar angeregte Diskussionen über französische Grammatik und andere luftige Eskapaden.

    Fazit: Wie bei einer echten Hochzeit geht auch bei der Hochzeitskomödie „Das Leben ist ein Fest“ einiges schief. Aber es gibt eben auch viele tolle Momente - und am Ende überwiegen dann doch die schönen Erinnerungen.

    „Das Leben ist ein Fest“ feierte seine Deutschlandpremiere als Eröffnungsfilm der 17. Französischen Filmwoche Berlin. Dort ist er am Donnerstag, den 30. November, und am Freitag, 1. Dezember, noch zwei weitere Male vor dem offiziellen Kinostart zu sehen.

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