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    Der geheime Garten
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Der geheime Garten

    Fantasy-Klassiker im modernen Gewand

    Von Björn Becher

    In vielen Familien gehört – mindestens – eine der verschiedenen Verfilmungen von „Der kleine Lord“ zum festen Vorweihnachtsprogramm. Dabei ist die Geschichte eines in bescheidenen Verhältnissen aufgewachsenen Jungen, der einen mürrischen Lord zum besseren Menschen erzieht, nicht der einzige Klassiker der britischen Autorin Frances Hodgson Burnett, der bereits mehrfach verfilmt wurde: Auch von ihrem 1911 veröffentlichten Roman „Der geheime Garten“, den viele heutige Kritiker für ihr bestes Werk halten, gibt es mehr als ein halbes Dutzend Adaptionen, von denen einige ebenfalls regelmäßig im deutschen TV-Weihnachtsprogramm ausgestrahlt werden.

    Nun kommt noch eine weitere Adaption hinzu. Diesmal knöpft sich der vor allem für die „Harry Potter“-Blockbuster sowie die wunderbaren „Paddington“-Kinoabenteuer bekannte Produzent David Heyman den klassischen Stoff vor – und es wird ja auch Zeit, schließlich ist die jüngste, von „Skyfall“-Kameramann Roger Deakins sensationell fotografierte Version inzwischen auch schon wieder fast drei Jahrzehnte alt. Und mit modernster Tricktechnik lässt sich natürlich heutzutage noch viel mehr aus dem titelgebenden geheimen Garten herausholen. Allerdings lässt sich Regisseur Marc Munden verdammt lange Zeit, bis der zum ersten Mal gezeigt wird…

    Mary verschwindet im Garten.

    1947: Nach dem Tod ihrer Eltern wird Mary (Dixie Egerickx) allein auf dem herrschaftlichen Anwesen in Indien gefunden und nach England geschickt. Fortan soll sie bei ihrem verbitterten Onkel Lord Archibald Craven (Colin Firth) und dessen strenger Haushälterin Mrs. Medlock (Julie Walters) leben. Auf ihren kleinen Erkundungstouren durch das teilweise für sie gesperrte Besitztum stößt sie irgendwann auf ihren nach einem Unfall ans Bett gefesselten Cousin Colin (Edan Hayhurst) – und sie schließt die Bekanntschaft des sich in den Wäldern herumtreibenden Dickon (Amir Wilson).

    Vor allem aber findet sie einen geheimen, verschlossenen Garten, in dem die wildesten Pflanzen blühen und den offenbar auch schon ihre Mutter und deren Schwester als Rückzugsort für sich entdeckt hatten. Gemeinsam mit Dickon wächst in ihr der Verdacht, dass der Garten magische Heilkräfte haben könnte – und damit vielleicht der Schlüssel wäre, um Colin zu helfen. Doch der will vor Selbstmitleid sein Bett gar nicht mehr verlassen und sowieso ist ihr von Lord Craven ja eigentlich jeder Kontakt zu seinem Sohn strengstens untersagt…

    Nur die Harten kommen in den Garten

    Wenn man mit dem hellen freundlichen Poster im Kopf ins Kino geht, wird man zu Beginn erst mal von dem einen oder anderen Grusel-Element überrascht: Düster tut sich das unheimliche Anwesen von Lord Craven vor der jungen Protagonistin auf. Vorsichtig schleicht sie durch kaum beleuchtete, knarzende Gänge, bei denen hinter jeder Ecke ein Monster lauern könnte. Und völlig verwahrlost kratzt sie halb-verdorbene Essenreste vom Tisch, nachdem ihre Eltern in Indien so plötzlich verschwunden sind.

    Lange Zeit konzentriert sich Marc Munden vor allem auf diese dunkle Seite der Vorlage und füllt seine Adaption mit düsteren Bildern, bevor er schließlich den geheimen Garten enthüllt – und so die Tür von der harschen Realität hinein in eine wunderschöne Traumwelt öffnet. Hier zeigt sich dann auch, warum eine weitere Adaption des Klassikers von Frances Hodgson Burnett sehr wohl ihre Berechtigung hat. In farbenfrohen, die Sinne bewusst überstrapazierenden Bildern entfaltet sich eine beeindruckende Welt. Die Pflanzen führen ein bewegtes Eigenleben und weisen Mary den Weg. Es sind Bilder, die auf eine Art verzaubern, wie man es sich von einem Fantasyfilm im besten Fall wünscht.

    Die grüne geheime Welt zaubert Lächeln auf Gesichter.

    Allerdings überträgt sich die Magie dieser Bilder, die durch den Gigantismus des scheinbar keine Grenzen kennenden Gartens noch verstärkt wird, zu selten auf den Rest der Geschichte. Drehbuchautor Jack Thorne („Enola Holmes“) hat die Geschichte um mehr als 40 Jahre nach vorne verlegt, ohne dass dies eine Rolle spielt. Daneben klappert er etwas zu pflichtbewusst die üblichen Versatzstücke des Genres ab, ohne die Zwischenräume mit Leben zu füllen. Dass sich die anfangs noch so verzogen-snobistisch auftretende Mary plötzlich mitfühlend gibt, muss man einfach so hinnehmen. Fast schon konsequent wird dann auch die erwartbare Wandelung des verbitterten Craven (Colin Firth mit leider kaum darstellerischer Präsenz in einer insgesamt unterentwickelten Rolle) in Sekundenschnelle abgetan.

    Dafür kann man sich immer, wenn die Geschichte ein wenig an Zauber vermissen lässt, in den Bildern von Kameramann Lol Crawley („Four Lions“, „Vox Lux“) verlieren. Denn so überraschend die bereits erwähnten Anklänge an das Horrorgenre anfangs vielleicht auch anmuten, so gelungen ist speziell der dadurch entstehende visuelle Widerspruch von Haus und Garten. Hier muss unbedingt auch die sensationelle Ausstattung hervorgehoben werden. Wer genau hinschaut, wird erkennen, wie die Schönheit des grünen Paradieses in früheren besseren Zeiten auf das gesamte Anwesen abgestrahlt haben muss – wovon in dem nun nur noch monströs erscheinenden Anwesen nur noch die verbliebenen Fetzen Blumentapete an der Wand zeugen.

    Fazit: „Der geheime Garten“ ist ein vor allem visuell starker Fantasy-Familienfilm, dessen wenig einfallsreiche Erzählung allerdings nicht immer mit den Bildern mithalten kann.

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