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    Die fantastische Reise des Dr. Dolittle
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,5
    enttäuschend
    Die fantastische Reise des Dr. Dolittle

    Eine sehr, sehr teure Enttäuschung

    Von Björn Becher

    Es ist fast immer ein schlechtes Zeichen, wenn der Regisseur bei der Presstour zu einem Film keine Rolle mehr spielt, „seinen“ Film also nicht selbst präsentiert und auch keine Interviews gibt. Im Fall von „Die fantastische Reise des Dr. Dolittle“ liegt der Grund dafür auf der Hand: Denn auch wenn Stephen Gaghan („Gold“) im Abspann der Neuverfilmung der berühmten Geschichten über den mit Tieren sprechenden Arzt als Regisseur genannt wird, ist es eben längst nicht mehr „sein“ Film. Denn just als die am Ende 175 Millionen Dollar teure Produktion im Frühjahr 2019 in die Kinos kommen sollte, wurden noch einmal satte 21 Tage Nachdrehs angesetzt, bei denen dann aber Chris McKay („The LEGO Batman Movie“) als Autor und Jonathan Liebesman („Teenage Mutant Ninja Turtles“) als Regisseur nach übereinstimmenden Medienberichten das Zepter geschwungen haben.

    Nachdem die ursprüngliche Version in Testvorführungen als „zu wenig familienfreundlich“ durchfiel, erhielten McKay und Liebesman laut den Berichten den Auftrag, für mehr sprechende Tiere und mehr Humor zu sorgen. Die bewegte Produktionsgeschichte ist „Die fantastische Reise des Dr. Dolittle“ anzumerken, nur selten wirkt hier etwas wie aus einem Guss. Zudem fällt es schon schwer zu glauben, dass das rund um einen gigantischen Furzwitz gestrickte Ende tatsächlich von dem Mann stammt, den wir bisher als Autor von „Traffic“ oder als Regisseur von „Syriana“ kennen. Doch das größte Problem des voll auf seinen Star Robert Downey Jr. zugeschnittenen Spektakels ist etwas anderes: „Die fantastische Reise des Dr. Dolittle“ ist auf fast schon bösartige Weise zynisch.

    Dr. Dolittle spricht mit seinem Hund.

    Dr. John Dolittle (Robert Downey Jr.), der die Sprachen aller Tierarten beherrscht, war einst Abenteurer und Vertrauter der englischen Königin. Doch dann kam seine Frau ums Leben und Dolittle verbitterte. Seitdem meidet er jeden Kontakt zu Menschen – bis eines Tages gleich zwei Kinder bei ihm aufschlagen: Während der aus einer Jägerfamilie stammende, tierliebende Stubbins (Harry Collett) beim absichtlichen Fehlschuss auf der Entenjagd versehentlich ein Eichhörnchen erwischt hat und es nun retten will, kommt Lady Rose (Carmel Laniado) mit ganz anderen Sorgen: Die junge Königin Victoria (Jessie Buckley) liegt im Sterben, der geniale Arzt ist ihre letzte Rettung. Nur widerwillig lässt sich Dolittle überreden, die Königin zu untersuchen und muss dabei feststellen: Sie wurde vergiftet! Die einzige Chance auf Heilung ist die sagenumwobene Frucht des Edenbaums. Mit Stubbins als seinem Azubi und einer bunten Truppe von Tieren im Gepäck, macht sich Dolittle auf die Reise...

    Vor exakt 100 Jahren erschien die erste von zahlreichen „Dolittle“-Geschichten von Kinderbuchautor Hugh Lofting. Bereits 1928 adaptierte die mit Lofting noch persönlich bekannte Animationsfilmpionierin Lotte Reiniger einige der Geschichten in Form ihrer berühmten Silhouetten-Filme. Sehr viel bekannter sind heutzutage hingegen die beiden Filme mit Eddie Murphy, für die Loftings Figur aber mehr oder wenig nur als lose Inspiration diente. Und dann gibt es natürlich noch Richard Fleischers Musical „Doktor Dolittle“ von 1967, das damals von Kritikern zerrissen wurde, als kolossaler Kassenflop beinahe ein ganzes Filmstudio ruinierte und dennoch - nach einer der größten Lobby-Aktionen der Filmpreisgeschichte - für insgesamt neun Oscars (darunter als Bester Film) nominiert wurde.

    Auf den Spuren eines Mega-Flops

    „Die fantastische Reise des Dr. Dolittle“ erinnert nun auch ohne Gesangseinlagen (aber dafür mit einigen Anspielungen) am ehesten an die Musical-Version von Fleischer - und zwar nicht nur deshalb, weil bei beiden Filmen die Kosten explodierten und schon jetzt absehbar ist, dass auch die Neuverfilmung ein dickes Minusgeschäft sein wird. Vielmehr bleiben beide Versionen sehr nah an Loftings Geschichten – mit dem Setting im viktorianischen England, der Menschen-Skepsis des Arztes, dem Erlernen der Tiersprachen, einer Nebenfigur wie Dolittles Freund Stubbins und vor allem einer großen Abenteuerreise im Mittelpunkt der Erzählung.

    Gerade diese Reise hätte mit den tricktechnischen Möglichkeiten im Jahr 2020 eigentlich das Prunkstück des Familienfilms werden müssen. Es fällt ja auch schwer, sich ein solches Abenteuer auf hoher See, bei der die Schiffsbesatzung unter anderem aus einem Gorilla, einem Eisbär und einem Strauß besteht, als langweilig vorzustellen. Doch in „Die fantastische Reise des Dr. Dolittle“ ist sie genau das: langweilig. Aufregende Momente fehlen fast komplett. Selbst ein Fluchtversuch vor einem feindlichen Kriegsschiff, bei dem auf die Hilfe eines Wales zurückgegriffen wird, lässt uns keine Sekunde mit den Figuren – egal ob menschlich oder tierisch – mitfiebern. So wird das Treiben auf hoher See dann auch wieder abgewürgt, um stattdessen an Land weiter zu machen. Immerhin: Eine kurze Verfolgungsjagd auf einer Giraffe durch die engen Gassen einer Stadt liefert durchaus ein paar visuell herausstechende Momente.

    Die Bootsreise verspricht nur Aufregung.

    Die unterschiedlichen, in der Originalfassung von Hollywood-Stars wie Tom Holland („Avengers 4“), Emma Thompson („Late Night“), Rami Malek („Bohemian Rhapsody“) oder Wrestler John Cena („Bumblebee“) gesprochenen Tiere sehen zwar größtenteils gut aus, bleiben aber trotzdem blass und seelenlos. Das liegt auch an der oberflächlichen Charakterisierung der animalischen Sidekicks. Es ist zwar eine amüsante Idee, sie ausgerechnet mit einer Eigenschaft zu bedenken, die gerade so gar nicht zu ihnen passt: So friert Eisbär Yoshi ständig, während Gorilla Chee-Chee ein Angsthase ist. Daraus gemacht wird dann aber fast nichts. Entweder spielt es irgendwann urplötzlich keine Rolle mehr oder es gibt halt einfach den einen erwartbaren Moment, in dem Chee-Chee Mut beweisen muss, um seine Freunde zu retten.

    Gerade rund um die Tierfiguren wird besonders deutlich, wie viel Stückwerk „Die fantastische Reise des Dr. Dolittle“ ist. Immer wieder beschleicht einen der Verdacht, dass hier Szenen fehlen und Charaktermomente bei der Überarbeitung zugunsten platter Witze rausgefallen sind. Das würde zumindest den Umgang mit der eigentlich interessantesten Tierfigur erklären: Das anfangs angeschossene Eichhörnchen Kevin (Craig Robinson) schwört nach seiner Not-OP in einer schön geschnittenen Sequenz Rache an dem „Mörder“ Stubbins und schließt sich nur deswegen Dolittles Mission an. Doch abgesehen von einigen wahllos eingestreuten Szenen, in denen Kevin mit irrem Blick Selbstgespräche führt, dabei ähnlich wie ein Raumschiff-Enterprise-Captain ein Logbuch führt und den Fortgang der Mission festhält, spielt dieses Plotelement später überhaupt keine Rolle mehr.

    Nicht alle Tiere mögen Stubbins.

    War ein Mordpläne schmiedendes Eichhörnchen dann doch zu düster für einen Familienfilm? Die Vorstellungen hinsichtlich des Humors scheinen bei den verschiedenen Machern ohnehin nicht übereingestimmt zu haben. Das Ergebnis ist eine krude Mischung aus Furzwitzen, Kalauern und Anspielungen, die Kinder eher verwirren dürften. Und mittendrin findet sich ein völlig unpassender Zynismus: So will der von Michael Sheen gespielte Bösewicht Dr. Blair Müdfly in einer Szene eine Fliege erschlagen. Wie es der Zufall so will, steht die Fliege aber so, dass sie genau in einer Lücke im Gitter der Klatsche landet und verschont wird. Dies sieht sie als Zeichen des Schicksals, als Aufforderung nun Gutes zu tun. Beschwingt fliegt sie aus dem Fenster davon… nur um dort direkt von einem vorbeifliegenden Vogel gefressen zu werden. Was soll uns diese Szene sagen?

    Wir müssen über Robert Downey Jr. reden …

    … schließlich ist „Die fantastische Reise des Dr. Dolittle“ SEIN Film – und die Versalien sind hier sehr bewusst gesetzt. Er ist nicht nur der Star, sondern hatte als Produzent auch umfassende Kontrolle. Und er bekommt neben einem angeblich 20 Millionen Dollar fetten Scheck wohl so viel Prozente von den Einnahmen, dass es für Universal fast unmöglich ist, mit dem Familienabenteuer schwarze Zahlen zu schreiben. Und eigentlich klingt Downey Jr. ja auch wie eine Traumbesetzung - uns würde es jedenfalls sehr wundern, wenn bei der Planung des Films niemand „Fluch der Karibik“ als Vergleich in den Raum geworfen hätte. Downey Jr. gibt ja auch sein Bestes, auf Johnny Depps Spuren zu wandeln und als verschrobener Doktor so exzentrisch und exaltiert wie nur irgendwie möglich zu agieren.

    Wenn er sich zu Beginn mit Zauselbart auf dem Boden wälzt und nur in Tierlauten kommuniziert, hat das noch einen gewissen Charme. Aber dann gibt der Superstar doch nur eine weitere Variation seiner Rollen als Sherlock Holmes und Tony Stark, also mal wieder einen sozial inkompatiblen Egomanen. Das ist allerdings eher müßig und trägt seinen Teil dazu bei, dass „Die fantastische Reise des Dr. Dolittle“ alles andere als ein neuer „Fluch der Karibik“ geworden ist. Als Vergleich fällt da eher „In 80 Tagen um die Welt“ ein. Mit Frank Coracis Action-Komödie hat „Die fantastische Reise des Dr. Dolittle“ übrigens nicht nur Jim Broadbent in einer fast identischen Bösewicht-Funktion gemeinsam, sondern auch einen Auftritt eines europäischen Schauspielstars als sonderlicher Herrscher. An Arnold Schwarzeneggers Gaga-Auftritt von 2004 kommt Antonio Banderas als mit Tigern kuschelnder Pirat allerdings nicht heran. Nicht einmal das eigentlich ungleiche Schauspielerduell Schwarzenegger Vs. Banderas kann „Die fantastische Reise des Dr. Dolittle“ also für sich entscheiden…

    Fazit: Ein langweiliger Abenteuerfilm, der zudem auch noch ausgesprochen zynisch geraten ist.

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