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    Smoking Gun - Nicht jede Frau will gerettet werden
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Smoking Gun - Nicht jede Frau will gerettet werden
    Von Carsten Baumgardt

    David Zellner und sein zwei Jahre jüngerer Bruder Nathan sind immer auf der Suche, neue Blickwinkel für Geschichten zu finden. 2014 rockte das Independent-Filmemacher-Duo das Sundance-Festival mit der exzentrischen Parabel „Kumiko, The Treasure Hunter“, ihrem bisher größten Erfolg. Ihr nächstes Werk debütierte kürzlich ebenfalls auf dem berühmten Festival in Park City und läuft nun auch im Wettbewerb der Berlinale 2018. „Smoking Gun - Nicht jede Frau will gerettet werden“ (im Original: „Damsel“) ist ein außergewöhnlicher Film, bei dem den Zellner-Brüdern jedoch bei weitem nicht alles so gelingt, wie sie sich das wohl vorgestellt haben. Diese anti-romantische, feministisch angehauchte Western-Groteske ist eine herbe Dekonstruktion des Genres, die immer wieder überrascht, aber letztlich auch ein wenig ziellos bleibt.

    Er wirkt wie ein Fremdkörper im Wilden Westen, den die Weißen im 18. Jahrhundert erst langsam und mühsam in Besitz nehmen und besiedeln: Der Geschäftsmann Samuel (Robert Pattinson) heuert den versoffenen Pfarrer Parson Henry (David Zellner) für stattliche 60 Dollar an, um ihn mit seiner geliebten Verlobten Penelope (Mia Wasikowska) zu vermählen. Eine Komplikation hat Samuel dem Geistlichen allerdings verschwiegen, denn Penelope wurde von dem bösen Anton Cornell (Gabe Casdorph) und dessen Bruder Rufus (Nathan Zellner) in die Berge entführt. Mit noch mehr Geld lässt sich Parson überreden, Penelope befreien zu helfen, obwohl er ganz wie Samuel alles andere als ein patenter Revolverheld ist. Nach längerer Reise stellen die beiden Anton in einer abgelegenen Hütte. Aber damit beginnen die Probleme erst richtig…

    Die lakonisch-skurrile Stimmung von „Smoking Gun“ etablieren die Zellner-Brüder bereits in ihrem gelungenen, knochentrockenen Prolog, in dem sich ein völlig entnervter Pfarrer (großartig: Robert Forster aus „Jackie Brown“) pointiert über die Schlechtigkeit des Wilden Westens auslässt, sich Gott ergibt und fast nackt in die Wüste rennt. Verdutzt zurück bleibt der Witwer Parson Henry, der die zerfledderte Bibel und die Identität des Geistlichen übernimmt, aber in der Folge ebenfalls von der Unwirtlichkeit des neuen Territoriums überwältigt wird. Es ist eine schlechte Welt, in die uns die Zellner-Brüder einladen. Was sie genau erzählen wollen, verheimlichen sie ihrem Publikum im ersten Drittel konsequent – ehe sich dann doch allmählich ein enormer Plot-Twist abzuzeichnen beginnt. Neben der anfänglichen, durchaus reizvollen Rätselei um die Motive des Films streuen die Zellners immer wieder kleine komödiantische Häppchen ein, die sich zumeist aus dem Zusammenspiel zwischen Robert Pattinson und David Zellner ergeben, aber nicht immer zünden. Und das fällt hier besonders auf, denn ansonsten passiert wenig bis nichts – und man kann ganz in die absolut betörenden, naturalistischen Bilder von Kameramann Adam Stone („Take Shelter“, „Midnight Special“) eintauchen. Selten waren langsame Ritte durch malerische Birkenwälder stimmungsvoller und ästhetisch reizvoller. 

    Robert Pattinsons Samuel ist ein gepflegtes Weichei mit Courage, das mit seinem Mini-Pony Butterscotch, Gitarre und Gewehr auf dem Rücken in den Kreuzzug zieht, um seine Angebetete zu befreien. Nachdem der Ex-„Twilight“-Star 2017 mit zwei herausragenden Vorstellungen in zwei hervorragenden Filmen („Good Time“, „Die versunkene Stadt Z“) ein Klassejahr hatte, muss der Star hier eher hintenanstehen, weil sein seltsamer Western-Troubadour Samuel, aus dessen Perspektive die erste Hälfte erzählt ist (danach übernimmt Parson Henry), zu eindimensional und durchschaubar bleibt. David Zellner („Person To Person“), der den linkischen Pseudo-Pfarrer, der immer um Samuel herumtanzt und dabei austariert, was er rausschlagen kann, wie ein permanent flatterndes Fähnlein im Winde spielt, bekommt mehr Charaktertiefe für seine filmlange Sinnsuche, die zwischen Fatalismus und Überlebenswille pendelt.

    Insgesamt sind die Zellner-Brüder gnadenlos gegen ihre männlichen Figuren und entlarven sie, wo sie nur können als Weicheier, Feiglinge und Betrüger. Das Sagen hat hier das vermeintlich schwache Geschlecht. Denn Mia Wasikowskas Penelope ist jedenfalls gewiss keine Damsel, also kein hilfloses Fräulein in Not. Vielmehr diktiert sie mit feministischer Härte, was gemacht wird. Wobei das nicht heißt, dass sie so auch die Sympathien des Publikums gewinnen würde, dass tut keine der Figuren, was durchaus nicht unproblematisch ist. Die große Suche nach der Liebe führt so letztendlich nur zu noch größerer Einsamkeit.

    Den meisten Spaß verbreitet „Smoking Gun“ (neben der oscarwürdigen Kameraarbeit) dank seiner totalen Unberechenbarkeit. Nach einem langen Anlauf mit wenig sichtbarer Entwicklung beginnt die Wild-West-Groteske, zunehmend immer wildere Haken zu schlagen. Neue Konstellationen entstehen, Figuren kommen hinzu und verschwinden genauso plötzlich wieder. Und dennoch bleibt am Ende trotz vieler hochinteressanter Ansätze eine Enttäuschung, die Geschichte und die Charaktere landen im Irgendwo, ohne dass man so recht weiß, was man damit anfangen soll. Mit ihrem gewissen Hang zur Selbstverliebtheit haben sich die Regiebrüder zwischendrin in ihren oft großartigen Ideen verrannt.

    Fazit: Der mit dem „Maps To The Stars“-Duo Robert Pattinson und Mia Wasikowska starbesetzte humoristische Anti-Western „Smoking Gun“ beschert den talentierten Indie-Brüdern David und Nathan Zellner ihre bisher größte Bühne, die sie offensichtlich auch unbedingt nutzen wollen. Allerdings haben sie sich dabei mit ihren immensen Ambitionen in Bezug auf Frische, Originalität und Unvorhersehbarkeit trotz ganz starker Momente insgesamt doch ein wenig verhoben.

    Wir haben „Smoking Gun“ bei der Berlinale 2018 gesehen, wo der Film im Wettbewerb gezeigt wird.

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