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    Takeover - Voll vertauscht
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Takeover - Voll vertauscht

    Erich Kästner trifft YouTube

    Von Christoph Petersen

    Heiko und Roman Lochmann, die es auf YouTube als „Die Lochis“ auf mehr als 2,7 Millionen Abonnenten gebracht haben, legen mit der durchaus sympathischen, dabei aber auch ganz schön generischen Verwechslungs-Komödie „Takeover – Voll vertauscht“ nun bereits ihren zweiten Kinofilm vor. Ihr erster Anlauf „Bruder vor Luder“, bei dem die Zwillinge noch selbst Co-Regie geführt haben, lockte 2015 fast 400.000 Besucher in die deutschen Kinos.

    Mal zum Vergleich: Das waren mehr als im selben Jahr internationale Superstars wie Will Smith („Focus“) oder Brad Pitt („Herz aus Stahl“) vor die hiesigen Leinwände gezogen haben. Ein beachtlicher Erfolg, der sich eher nicht wiederholen lassen wird – dafür hat die Popularität der beiden in den vergangenen Jahren zu sehr nachgelassen. Fünf Jahre sind – bei Teenie-Stars und in der digitalen Sphäre – schließlich eine gefühlte Ewigkeit.

    Im Gegensatz zu Danny kann Ludwig sehr wohl etwas mit dem Nachbarsmädchen anfangen.

    Der 18-jährige Danny (Roman Lochmann) lebt mit seiner Pflegemutter Anna (Alexandra Neldel) und seinen zwei kleinen Geschwistern in einer engen kleinen Wohnung zusammen. Abhilfe soll eine Talentshow schaffen, die in wenigen Tagen im Europa-Park stattfindet und bei der Straßenmusiker Danny das Preisgeld abzuräumen hofft. Aber schon auf der Fahrt dorthin gibt es den ersten herben Rückschlag: Das verhasste Nachbarsmädchen Gia (Lisa-Marie Koroll) soll plötzlich auch mit. Und das ist nicht die einzige Überraschung, die Danny auf dem Trip erwartet.

    Im Freizeitpark nimmt Danny nach einer Reihe von Verwechslungen den Platz des verwöhnten Bonzen-Sprösslings Ludwig (Heiko Lochmann) ein, der ihm wie aus dem Gesicht geschnitten ist – und der Familientausch verläuft zunächst auch richtig gut: Danny findet Ludwigs ständig am Handy hängenden Geschäftsmann-Vater Hubertus (Kai Wiesinger) nämlich eigentlich ganz gut – und auch Ludwig findet Gia gar nicht doof, sondern ziemlich cool. Nur Dannys kleine Schwester Lilly (Luna Marie Maxeiner) riecht den Braten – auch wenn sie glaubt, dass die Körperfresser aus dem All ihren Bruder erwischt haben…

    Zukunft geht (hoffentlich) anders

    Vor fünf Jahren war „Kartoffelsalat – Nicht fragen!“, der erste große deutsche YouTuber-Kinofilm, vor allem deshalb so enttäuschend, weil der Humor der Zombie-Parodie so unglaublich altbacken ist. Wenn nun die nächste Kreativen-Generation von den Videoplattformen auf die große Leinwand drängt, dann würde man doch erwarten, dass sie dort eine Revolution anzettelt. „Papas Kino ist tot!“, hieß es schließlich bereits 1962 im Oberhausener Manifest, mit dem eine neue Generation von Filmemachern das Heile-Welt-Schwarzwaldkino aus Kriegstagen für abgemeldet erklärten.

    Aber statt sich mal was zu trauen, schauen auch die Lochis mit ihrem Regisseur Florian Ross („Vielmachglas“) und ihrem Drehbuchautor Tim Gondi („Abikalypse“) lieber zurück: Der Plot ist schließlich nichts anderes als ein Update von Erich Kästners „Das doppelte Lottchen“, das man hier (Pflegefamilie) und dort (mir fällt auf Anhieb nichts weiter ein) ein klein wenig modernisiert hat. „Takeover“ ist eben ein Film, den man exakt so auch schon viele Jahre vor dem YouTube-Start im Februar 2005 hätte drehen können. Dementsprechend ist auch nach spätestens fünf Minuten klar, wo die Reise wohl – inklusive aller Zwischenstationen und Umstiege – hingehen wird.

    Danny trifft als Ludwig einen alten Freund - den er natürlich noch nie in seinem Leben gesehen hat.

    Und trotzdem ist „Takeover“ absolut kein Film, über den man sich ärgern müsste, ganz im Gegenteil: Selbst das penetrante Europa-Park-Product-Placement ist ganz amüsant – bereits das Einchecken inklusive kostenlosem Upgrade verläuft hier schließlich derart freundlich und harmonisch, dass es bereits an eine Selbstparodie grenzt. Auch die beiden Hauptdarsteller machen ihre Sache zumindest ganz okay, selbst wenn die beiden Zwillinge inzwischen doch so unterschiedlich aussehen, dass selbst ich sie immer leicht auseinanderhalten konnte. Aber gut, das ist ja bei Verwechslungs-Komödien meistens so.

    Einige der Nebendarsteller reißen hingegen echt noch was raus - von der supersympathischen Alexandra Neldel („Lommbock“) bis hin zum Wiedersehen mit „Wolffs Revier“-Kultkommissar Jürgen Heinrich, der seine Rolle als Ludwigs Chauffeur und Bodyguard im Film selbst als „Mary Poppins mit Waffenschein“ beschreibt. Besonders erfreulich ist auch, die inzwischen 14-jährige Luna Marie Maxeiner nach ihrem grandiosen Debüt in „Rocca verändert die Welt“ erneut auf der Leinwand zu sehen – zumal sie mit ihrer Körperfresser-Theorie auch diesmal wieder viele Szenen stiehlt.

    Fazit: Eine nicht unsympathische, vor allem in einigen Nebenrollen stark besetzte Verwechslungskomödie streng nach Schema F – ohne peinliche Aussetzer, aber auch ohne größere Überraschungen.

    PS: „Takeover“ war mein erster regulärer Kinobesuch nach dem Lockdown – und zwar direkt in der allerersten Vorstellung nach der Wiedereröffnung. Statt Werbung (die wurde später netterweise vorgespult) konnte man dem Vorführer mehr als 20 Minuten dabei zusehen, wie er verzweifelt versuchte, den Projektor nach der Zwangspause wieder zum Laufen zu bringen. Aber eins ist mal sicher: Kino ist immer noch genauso geil wie vorher! Mit Lochis oder ohne.

     

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